Das leere Büro? Neue Arbeitszeitmodelle krempeln Firmen um

Arbeiten wo und wann man will – viele Menschen schätzen die neue Freiheit im Job. Doch was wird aus den Firmen, wenn die Büros zunehmend verwaisen?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 219 Kommentare lesen
Computer Maus
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Christine Schultze
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

"Bis zum nächsten Jahr, Herr Kollege!" – in der neuen Arbeitswelt begegnen sich die Beschäftigten vieler Firmen deutlich seltener. Home-Office, Arbeitszeitkonten, Teil- und Gleitzeitmodelle weichen die Präsenzkultur Schritt für Schritt auf.

Stattdessen wird für immer mehr Mitarbeiter die Welt zum Arbeitsplatz – ob heimisches Arbeitszimmer, Küchentisch, Café oder Parkbank. Viele Arbeitnehmer entscheiden sich für solche Arbeitsmodelle, auch um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können.

Aber wie profitieren die Unternehmen? Können sie nicht kräftig abspecken, wenn künftig kaum noch Mitarbeiter regelmäßig ins Büro kommen? Und sind die Beschäftigten noch eng genug angebunden?

Bei Microsoft Deutschland gehören leere Büros bereits zum Alltag. Seit das Unternehmen im vergangenen Jahr unter viel öffentlicher Beachtung die Anwesenheitspflicht für seine Mitarbeiter abgeschafft hat, erscheinen im Schnitt nur noch 20 bis 30 Prozent der Mitarbeiter pro Arbeitstag in der Firmenzentrale in Unterschleißheim bei München.

Im neuen Domizil im Münchner Norden wird es dann nicht mehr für jeden Mitarbeiter einen Schreibtisch geben. Falls es dort einmal voller wird, wird aber trotzdem noch jeder einen Platz zum Arbeiten finden: In einer der Sitzecken mit Lounge-Möbeln beispielsweise oder in einem Café, in dem die Mitarbeiter ihren Laptop aufklappen können.

Ganz so lang wie bei Microsoft ist die Leine in den meisten anderen Unternehmen in Deutschland aber bisher nicht. Bei Siemens etwa können Beschäftigte mit Büro- und Verwaltungstätigkeiten bis zu 20 Prozent ihrer wöchentlichen Arbeitszeit von zu Hause aus absolvieren, bei speziellen Telearbeitsverhältnissen sind es bis zu 80 Prozent, sagt ein Unternehmenssprecher. Basis sind Betriebsvereinbarungen und Regelungen in den Arbeitsverträgen.

Größere Sparpotenziale für den Elektrokonzern biete die Flexibilisierung aber nicht, zumal Siemens für adäquate Arbeitsplätze bei den Mitarbeitern daheim sorge. Ganz abgeben will das Unternehmen den regelmäßigen persönlichen Kontakt zudem nicht, wie der Sprecher sagt. "Das ist kein Misstrauen, sondern es geht darum, dass sich die Mitarbeiter mit Kollegen austauschen, über Projekte sprechen und gemeinsam Ideen entwickeln können."

Auch Werner Eichhorst vom Institut zur Zukunft der Arbeit geht davon aus, dass sich solche Mischformen mit festgelegten Büro- und Home-Office-Arbeitstagen zunehmend in Deutschland etablieren werden. Auf Firmenzentralen mit Kantine, Pforte und Tiefgarage dürften die Unternehmen deshalb auch künftig nicht verzichten können. Kleiner aber könnten manche werden – etwa mit angemieteten Räumen, die flexibler für Arbeit und Konferenzen nutzbar sind.

Die Berliner Firma Satellite Office hat das zum Geschäftsmodell gemacht. Wie in einem Hotel können die Kunden über das Unternehmen repräsentative Räume mit flexiblen Arbeitsplätzen, Konferenzbereichen und Büro-Dienstleistungen bis hin zur Erledigung der Firmenpost für einige Monate oder auch nur tageweise anmieten.

So lasse sich der komplette Betrieb des Büros auslagern, während sich die Kunden auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können, sagt Firmengründerin Anita Gödiker. Sechs solcher Business Center unterhält ihr Unternehmen mittlerweile deutschlandweit, im kommenden Frühjahr soll ein zusätzlicher Standort in München hinzukommen.

Aber auch in der Produktion können Unternehmen teils von flexiblen Arbeitszeiten profitieren, weil sie sich dadurch besser an Nachfragesituationen anpassen können, sagt Roland Wolf, Leiter der Abteilung Arbeitsrecht bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.

Die Arbeitgeber wollen im Zuge der Diskussion über flexible Arbeitszeiten und Home-Office auch den im Arbeitszeitgesetz verankerten Acht-Stunden-Tag kippen und stattdessen durch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit ersetzen – das stieß bei Gewerkschaften auf harsche Kritik, auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) lehnt das ab.

Trotzdem wollen die Arbeitsgeber an dem Thema dranbleiben, sagt Wolf: "Starre gesetzliche Regelungen entsprechen immer weniger der betrieblichen Realität. Wir würden mit einer entsprechenden Anpassung teilweise die Wirklichkeit abbilden, wie sie ist. Zu starre Begrenzungen sind auch kein Vorteil für die Arbeitnehmer." (anw)