BND-Verbindung im Lernout & Hauspie-Skandal

Laut EnthĂĽllungen einer belgischen Zeitung wollte der Nachrichtendienst ĂĽber Tarnfirmen an fortgeschrittene Technologien herankommen.

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Von
  • Jelle van Buuren

Das in die Schlagzeilen gekommene belgische Unternehmen Lernout & Hauspie (L&H), spezialisiert auf Spracherkennungssysteme und -software, war zunächst so erfolgreich, weil es großartige Geschäfte mit rund 30 kleineren Firmen abschließen konnte. Diese auf Entwicklung von Sprachtechnologien spezialisierten Unternehmen bezahlten hohe Beträge für Lizenzen zur Benutzung von Techniken, die L&H entwickelt hatte. Diese Einnahmen ließen den Börsenkurs von L&H in die Höhe schnellen.

Zunächst hatte die amerikanische Zeitung Wall Street Journal herausgefunden, dass diese Kleinunternehmen, mit denen L&H so gute Geschäfte machte, von engen Geschäftspartnern von L&H gegründet worden waren. Die Zeitung beschuldigte L&H deshalb des Betrugs. Die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde SEC begann auf Basis dieser Vorwürfe eine Untersuchung.

Weitere Nachforschungen der belgischen Zeitung De Standaard führten zur Aufdeckung einer Geheimdienst-Verbindung im Betrugsskandal. Die Zeitung versuchte herauszufinden, warum die Sprachentwicklungs-Firmen sich darauf spezialisierten, Sprachtechnologien für kommerziell relativ irrelevante Sprachen wie Hindi, Farsi und Türkisch zu entwickeln. Die Antwort war einfach: Diese Sprachen sind für Geheimdienste sehr interessant, um abgehörte Kommunikation analysieren zu können.

De Standaard fand heraus, dass sich einer der Gründer der Entwicklungsfirmen Stephan Bodenkamp nannte. Im Zuge eines Gerichtsverfahrens, bei dem Bodenkamp wegen Vertragsfälschung verurteilt wurde, kamen sein richtiger Name und seine Funktion ans Licht. Bodenkamp heißt eigentlich Christoph Kionowski und ist ein Agent des deutschen Nachrichtendienstes BND. Er war "technischer Direktor" einer auf Sprachtechnologien spezialisierten Abteilung und beobachtete jahrelang den internationalen Markt für Sprachtechnologien.

Laut De Standaard soll Bodenkamp mit dem deutschen Zweig der belgischen Firma Radial zusammengearbeitet und seit 1997 ein Netz von Unternehmen gegründet haben. Das Ziel des Radial-Netzwerks sei es gewesen, geheime Brücken zwischen Polizei und Nachrichtendiensten, Entwicklern von strategisch relevanten Technologien und Investoren herzustellen. Die Tarnfirmen des Nachrichtendienstes versprachen den Entwicklungsfirmen finanzielle Unterstützung, Märkte für ihre Technologien und eine helfende Hand bei der Auftragserteilung von anderen Regierungsstellen. Die Annahme war, dass jeder profitieren würde. Der BND bekam erstklassige Technologie, die er nicht selbst entwickeln konnte, weil dies viel zu teuer gekommen wäre. Die Entwicklungsfirmen bekamen Geld, um ihre Technologien weiterzuentwickeln. Und L&H konnte die Lizenzverträge als Einnahmen verbuchen, was ihren Aktienpreis in die Höhe trieb. Bodenkamp wurde inzwischen vom BND suspendiert.

Mehr in Telepolis: BND-Verbindung im Lernout & Hauspie-Skandal (Jelle van Buuren) / (ame)