I'll Follow The Sun

In Franken wurde die größte Photovoltaik-Anlage der Welt eröffnet. Sie produziert genug Strom, um die benachbarte Kleinstadt zu versorgen – wenn nur das Speicherproblem nicht wäre.

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Über dem weißblauen fränkischen Himmel über Arnstein kreist ein Hubschrauber im Akkord. Aber nicht, um prominenten Gästen die Anreise über winklige Landstraßen dritter und vierter Ordnung zur Eröffnung des weltgrößten Photovoltaik-Anlage zu ersparen. Nein, er dient Gästen als Aussichtsplattform über die Anlage, denn vom Boden aus sind deren Dimensionen gar nicht zu überblicken.

Auf 77 Hektar des ehemaligen Weinguts Erlasee hat die Solon AG 1.408 Solarmodule aufgestellt (siehe Bilderstrecke). Sie sollen es zusammen auf eine Spitzenleistung von zwölf Megawatt bringen. Jedes „Mover“ genannte Modul steht auf einem Betonsockel und kann über zwei Achsen der Sonne nachgeführt werden. Die Elektronik dazu ist bei jedem einzelnen Modul vorhanden und mit den astronomischen Daten der nächsten 50 Jahre einschließlich Schaltjahre programmiert. Zusätzlich sind die Mover über ein Bus-System zur Wartung miteinander verbunden.

Die einzelnen Paneele bestehen aus handelsüblichen poly- und monokristallinen Solarzellen mit Wirkungsgraden von 15 bis 22 Prozent. Die Tatsache, dass mehrere Sorten von Zellen verbaut werden mussten, zeigt die Dimension des Projekts: „Wir haben alles gekauft, was geht. Mehr gab der Markt nicht her“, sagte Solon-CEO Franz Hilber.

Abgesehen von der Tatsache, dass die Module auf beweglichen Gerüsten befestigt sind, gibt es nur noch zwei andere Abweichungen von den Panels, die sich Privatpersonen aufs Dach schrauben: Erstens sind sie deutlich größer. „Man hat festgestellt, dass Alterungsprozesse immer vom Rand her einsetzen, und je größer ein einzelnes Element ist, desto besser das Verhältnis von Fläche zu Rand“, erläutert Solon-Aufsichtsrat Alexander Voigt.

Zweitens stecken alle Zellen hinter einer sechs Millimeter dicken Glasschicht, als Schutz vor Hagelschäden. Voigt: „Bei einem Projekt mit einer Investitionssumme von rund 70 Millionen Euro spricht die Versicherung schon bei der Konstruktion ein gewaltiges Wörtchen mit.“

Ansonsten ist es vor allem der Verzicht auf technische Extravaganzen, der nach Ansicht von Voigt die Bedeutung des Solarparks ausmacht. „Die ganze Anlage wurde industriell gefertigt. Das größere Problem als der Rohstoffmangel ist für die Solarbranche nämlich der Mangel an Ingenieuren, die sich mit Photovoltaik auskennen. Mit unserer Methode braucht man vor Ort keinerlei Ingenieurleistung mehr, die Anlage wird mit ganz normalen Tiefbaumethoden aufgestellt.“ Voigt kündigte an, im nächsten Jahr in Spanien die doppelte Leistung von Gut Erlasee zu installieren. „Auch dort gibt es eine große Nachfrage, aber zuwenig Personal.“

Als es darum ging, das Solarkraftwerk an das Stromnetz anzuschließen, war es indes mit dem Plug-and-Play-Gedanken vorbei. Während es für Privathaushalte in der Regel kein Problem ist, Solardächer oder Biogasanlagen in das öffentliche Netz anzuschließen, ging dem beim Solarpark ein zähes Ringen mit dem Energieversorger E.on voraus. Das Gesetz zur Einspeise Erneuerbarer Energie (EEG) enthält interpretationsbedürftige Passagen darüber, wie genau der Übergabepunkt zum Stromnetz festgelegt wird.

Bei Gut Erlasee konnte rund 20 Prozent des Stroms über den vorhandenen Anschluss des Weinguts abgeführt werde. Für die restlichen 80 Prozent wurde ein elf Kilometer langes Erdkabel quer durch zahlreiche private Grundstücke bis zum nächsten 20.000-Volt-Knoten gegraben. Über Solon-Projektleiter Johannes Bense, der die Verhandlungen geführt hat, sagen die Kollegen: „Der kennt jeden Bauern hier, ihre Frauen, alle Kinder und ihre Geburtstage.“

Die Kosten für den Anschluss haben sich Solon und E.on nach Angaben von Bense etwa je zur Hälfte geteilt, wobei er aber keine weitere Details nennen möchte. Bense: „Das ist ohnehin nur eine projektspezifische Absprache.“ Bei kommenden Projekten dieser Art dürfte die Diskussion also von vorne losgehen.

Das dürfte sich dadurch verschärfen, dass Solarparks auch aus Umweltsicht keineswegs unumstritten sind. Im Aischgrund etwa formierte sich bereits Widerstand gegen die Zupaneelisierung der Landschaft. Deshalb war die Tatsache, dass das Gelände des Gut Erlasse kaum eingesehen werden kann, einer der Gründe, weshalb sich die Berliner Solon AG für die unterfränkische Provinz entschieden hat. Die anderen Gründe: Der Standort ist nach Angaben der Bürgermeisterin Linda Plappert-Metz der Ort mit der dritthöchsten Sonnenscheindauer in Deutschland.

Ein zentraler Aspekt bei der Wahl des Standortes aber ist ein eher symbolischer. „Die Anlage produziert genau so viel Strom wie die Stadt Arnstein mit ihren rund 8.500 Einwohnern verbraucht – 14.000 Megawattstunden im Jahr. Wir wollten zeigen, dass das geht, ohne die ganze Landschaft zuzupflastern. Unser Park belegt nur 0,6 Prozent der Fläche Arnsteins“, sagt Voigt.

Wobei diese Verbindung – hier der Solarpark, dort, direkt daneben, der Verbraucher – natürlich nur eine reine Rechengröße ist. Tatsächlich wird wie bei jedem Hausdach die gewonnene Energie in das Netz eingespeist, und Arnstein wiederum ganz konventionell aus dem Netz versorgt.

„Wir könnten Arnstein vom Netz nehmen, wenn es Zwischenspeicher gäbe“, sagt Voigt. Die gibt es aber nicht. Dennoch verfolgt Voigt den Traum, eine ganze Insel unabhängig vom Netz zu machen. In zwei bis drei Jahren, hofft er, hat die Speichertechnik solche Fortschritte gemacht, dass sich das realisieren ließe.

Hans-Josef Fell von Bündnis 90/Die Grünen hält das gar nicht für nötig: „Schon jetzt ist Photovoltaik-Strom wirtschaftlich – zumindest in Spitzenlastzeiten. Er entsteht nämlich genau dann, wenn Strom am teuersten ist. In diesem Sommer hätten wir, als die ganzen Kraftwerke wegen des niedrigen Wasserstandes nicht mehr ausreichend gekühlt werden konnten, ohne Photovoltaik ein Problem gehabt.“

Bundestagsmitglied Hermann Scheer, SPD, sekundiert: „Schon in diesem Sommer war Solarstrom zumindest kurzzeitig an der Leipziger Strombörse günstiger als konventionell erzeugter Strom.“ Deshalb forderte Scheer auf der Eröffnungsveranstaltung, die Einspeise-Vergütung nicht nur an der Grundlast zu orientieren, sondern nach der Auslastung des Netzes zu differenzieren.

Das Stromkraftwerk Gut Erlasee wird bis dahin erst einmal bodennähere Synergien nutzen. Zwischen den Movern soll ein Jugendzeltplatz eingerichtet werden, und ansonsten grasen Schafe zwischen den Hightech-Teilen. (nbo)