Tracking durch die Versicherung: "Wir werden Sie nicht bestrafen"

Der Versicherungskonzern Generali will Einblick in den Lebenswandel seiner Kunden bekommen – von sportlicher Aktivität bis hin zur Ernährung.

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Der Versicherungskonzern Generali will Einblick in den Lebenswandel seiner Kunden bekommen – von sportlicher Aktivität bis hin zur Ernährung.

Die italienische Generali-Versicherung ist Vorreiter der Digitalisierung. In Italien hat sie bereits knapp eine Million Autos mit Blackboxes ausgestattet, die per GPS und Mobilfunk die Fahrleistung protokollieren. 2016 sollen die Geräte nach Deutschland kommen. Dann startet hierzulande auch das Gesundheitsprogramm "Vitality".

Es soll sich nicht nur an Junge und Fitte richten, sondern jede Verbesserung des Gesundheitszustands belohnen – egal von welchem Niveau aus. Das kann zu günstigeren Tarifen oder Boni führen – die Details stehen allerdings noch nicht fest. Giovanni Liverani, Vorstandsvorsitzender der Generali Deutschland Holding AG, spricht mit TR darüber, wie Daten das Versicherungsgeschäft verändern.

Technology Review: Welche Art von Daten sammeln Sie?

Giovanni Liverani: Prinzipiell die gleichen wie unsere Mitbewerber, nur auf eine zuverlässigere Art und Weise. Wenn Sie heute eine Kfz-Versicherung abschließen, müssen Sie angeben, wie viele Kilometer Sie im Jahr fahren. Alternativ können Sie nun sagen: Ich erlaube der Versicherung, das mit einer Blackbox zu überprüfen.

Wenn der Kunde dazu bereit ist, wird er dafür genauere und verlässlichere Prämien erhalten. Dazu kommen einige Daten, die man nur mit den neuen Technologien sammeln kann, zum Beispiel Beschleunigung und Verzögerung oder Fahrleistung am Tag oder in der Nacht.

TR: Im Gesundheitsbereich wollen Sie aber weit mehr als Ihre Mitbewerber, oder?

Liverani: Wir motivieren Kunden, ein gesünderes Leben zu führen, indem sie Bonuspunkte für Vorsorge, Fitnessaktivitäten oder Ernährung bekommen. Einige Basisdaten können die Kunden über eine App selbst eingeben: Alter, Größe, Gewicht et cetera. Darüber hinaus können sie etwa entscheiden: Ich erlaube meinem Fitnessstudio, Generali Vitality mitzuteilen, wie oft ich beim Training war.

Oder einer bestimmten Supermarktkette, welche Art von Produkten ich gekauft habe. Dann werden die Daten automatisch über eine elektronische Schnittstelle an die rechtlich getrennte Generali Vitality-Gesellschaft übermittelt.

TR: Ich als Kunde würde dann die gesunden Sachen in einem Ihrer Partnermärkte kaufen und all das ungesunde Zeug woanders.

Liverani: Grundsätzlich vertrauen wir unseren Kunden. Aber Missbrauch gibt es vereinzelt leider auch schon heute. Um ihn zu verhindern, verlassen wir uns nicht auf einen einzigen Datensatz. Die Informationen, die uns ein Kunde freiwillig gibt, ergeben ein konsistentes Bild von seinem Lebensstil.

TR: Was geschieht mit den Daten?

Liverani: Die Generali Vitality-Gesellschaft ermittelt aus den Daten einen bestimmten Kundenstatus, etwa Gold oder Silber. Wir bekommen nur die Statusinformationen, nicht die Daten selbst. Hier geht es nicht ums Spionieren. Es geht darum, Menschen zu motivieren, ihre Gesundheit zu verbessern.

TR: Wie gehen Sie mit Bedenken zur Privatsphäre um?

Liverani: Der sensible Umgang mit vertraulichen Daten ist uns seit je sehr wichtig. Wir sind eine strikt regulierte Branche. Es gibt ein strenges Datenschutzrecht und eine Selbstverpflichtung der Versicherungsbranche in Deutschland. Daran halten wir uns.

TR: Versicherungen basieren auf Solidarität. Je genauer man aber das Risiko eines individuellen Kunden abschätzen kann, desto weniger Solidarität ist nötig. Untergraben Sie nicht Ihr eigenes Geschäft?

Liverani: Nein. Versicherungen basieren zwar auf der einen Seite auf dem Kollektivgedanken, auf der anderen Seite aber auch darauf, die Informations-Asymmetrie zwischen Versicherer und Versichertem zu reduzieren. Ansonsten finanzieren die Leute, die sich gesund verhalten, diejenigen, die sich nicht um Vorsorge kümmern. Es ist also immer ein Abwägen zwischen den beiden Dingen.

TR: Wenn ich mich weigere, einem Versicherer etwa meine Fahrdaten zu überlassen, kann das zwei Gründe haben: Entweder ich bin ein schlechter Fahrer, oder ich will es aus Gründen des Datenschutzes prinzipiell nicht. Im zweiten Fall...

Liverani: ...werden Sie genau die Prämien bezahlen, die wir aus Ihren Angaben errechnet haben. Wir werden Sie nicht bestrafen, aber Sie verlieren die Möglichkeit, belohnt zu werden.

TR: Die Prämien für die Fahrer ohne Blackbox steigen also nicht in dem Maße, wie die für Fahrer mit Blackbox sinken?

Liverani: Nein, alle bezahlen genau die Prämien, die ihrer Gruppe entsprechen.

TR: Also verlieren Sie unter dem Strich Einnahmen?

Liverani: Es geht nicht darum, die Prämien zu senken, sondern sie korrekter zu bemessen – für gute wie für schlechte Fahrer. (grh)