"...dass die Idee, Software zu verkaufen, immer uninteressanter wird..."

Tim Bray, Director of Web Technologies bei Sun Microsystems über die Offenlegung von Suns Programmiersprache Java und den Sinn und Zweck von Open Source.

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Timothy William Bray ist Director of Web Technologies bei Sun Microsystems. Der Internet Community ist Bray jedoch vor allem durch seine Mitarbeit an den Web-Standards XML und Atom bekannt. Technology Review sprach mit Bray anlässlich der Bekanntgabe der Offenlegung von Suns Programmiersprache Java über Sinn und Zweck von Open Source und die Zukunft von Java.

TR: Warum hat Sun Java jetzt unter der GPL geöffnet?

Tim Bray: Nun, eine Menge Leute hatten uns bereits seit Jahren darum gebeten. Einige Leute haben auch gesagt, wir sollten das nicht tun, aber es gab mehr Leute, die "Ja" gesagt haben als Leute, die "Nein" gesagt haben. Als Jonathan Schwartz im Mai den Posten CEO übernommen hatte, haben wir uns das noch einmal genau angeschaut. Und uns sind mehrere sehr gute Gründe eingefallen, das zu tun und keiner, es nicht zu tun. Von einem ökonomischen Standpunkt aus gesehen geht es uns am besten, wenn die Leute unsere Technologien verwenden. Also sollten wir Alles beseitigen, was sie daran hindert, dies zu tun. Closed Source hat sich als ein solches Hindernis erwiesen, das wir nun beseitigt haben.

Die Wahl der Lizenz war einfach. Wir versuchen, ein freundschaftliches Verhältnis zur Free Software-Bewegung zu pflegen. Und die GPL ist deren Sprache. Die verstehen sie, die verwenden sie. Wir denken, dass Java nach elf Jahren erwachsen geworden ist und der ganzen Community gehören sollte.

TR: Verstehe. Das sind gute Argumente für die Öffnung von Java. Aber warum tun Sie das jetzt? Und nicht bereits vor einigen Jahren?

Tim Bray: Oh, ich denke, ich könnte Ihnen eine lange Erklärung geben. Aber die Kurzfassung ist, dass wir im Mai einen neuen CEO bekommen haben. Und Jonathan konzentriert sich sehr stark auf Wachstum. Er ist überzeugt davon, dass wir wachsen können, indem wir Zugangsbarrieren beseitigen. Und es gibt viele Leute, für die Closed Source ein solches Hindernis ist.

TR: Denken Sie, es gibt eine generelle Tendenz in der IT hin zu Open Source, zur Offenlegung von Wissen?

Tim Bray: Ja, davon bin ich sehr überzeugt. Aus einer Reihe von Gründen – sowohl technischen als auch ökonomischen. Ich denke, dass die meisten professionellen Software-Entwickler mittlerweile davon überzeugt sind, dass die Entwicklung von quelloffener Software ausgezeichnete Resultate bringt. Von einem ökonomischen Standpunkt aus habe ich zudem den Eindruck, dass die Idee, Software zu verkaufen, immer uninteressanter wird gegenüber der Idee, Geld mit Support zu machen. Der Kunde sollte zahlen, wenn er die Software wirklich verwendet.

Nahezu all unsere Software ist Open Source. Die können sie herunterladen und verwenden. Wenn Sie aber Verantwortung für ein Unternehmen tragen, werden Sie professionelle Unterstützung haben wollen, und natürlich auch dafür bezahlen. Das scheint mit einfacher, sauberer und leichter zu verstehen als das alte Modell.

TR: Das heißt, Unternehmen wie Microsoft oder Apple werden früher oder später vom Markt verschwinden? Oder werden die sich ändern?

Tim Bray: Wenn man es realistisch betrachtet, dann verfolgt Apple bereits jetzt fast ein Subskriptions-Modell. Ich meine, Sie kaufen die Software, aber Sie müssen auch für die Updates bezahlen. Microsoft ist ein spezieller Fall, weil die ein Monopol haben und normale ökonomische Regeln da nicht gelten. Aber ich denke, die wirklich spannenden Fälle sind Unternehmen wir Oracle oder SAP. Sie müssen einen ziemlich dicken Scheck unterzeichnen, um diese Software zu kaufen und erst nach etwa sechs Monaten haben Sie wirklich einen Nutzen davon. So lange müssen Sie erst mal entwickeln. Und ich glaube nicht, dass diese Unternehmen dieses Geschäftsmodell noch lange verteidigen können.

TR: Wie sieht die Zukunft von Java Ihrer Meinung nach aus?

Tim Bray: Wenn Sie sich all die verschiedenen Programmiertechniken ansehen - Java,.Net, LAMP und so weiter - dann hat Java den größten Korb. Es gibt mehr Leute in dieser Gruppe als in den anderen. Und ich glaube, das wird so bleiben.

Aber ich denke es wird etwas sehr interessantes passieren: Die Java-Plattform wird größer werden als die Sprache Java. Andere Programmiersprachen werden auf der Java-Plattform verwendet werden. Java kann nicht erobert werden, aber auf der anderen Seite kann Java auch nicht .Net oder LAMP erorbern. Ich glaube, dass im durchschnittlichen IT-Unternehmen eine ganze Menge verschiedene Technologien verwendet werden. Und die große Herausforderung ist, wie man diese integrieren kann. Wie kann man man Java, .Net, PHP oder Rails gut miteinander zusammen arbeiten lassen. Das ist ein großes Problem, das noch immer nicht hundertprozentig gelöst ist.

TR: Aber Sie haben doch sicherlich eine Idee?

Tim Bray: Natürlich habe ich die! Eine Möglichkeit wäre es, auf der virtuellen Java-Maschine andere Sprachen laufen zu lassen. PHP und Rails sind zwei sehr beliebte Programmierwerkzeuge für Web-Entwicklungen, und ich denke es wird schon bald möglich sein, die auf einer virtuellen Java-Maschine laufen zu lassen. Aber das ist nur ein Teil der Antwort. Ich glaube die beste Möglichkeit, verschiedene Technologien miteinander zu integrieren liegt im Bereich der Web Services. Aber das ist ein komplexes Bild.

TR: Letzte Frage: Was halten Sie als Techniker von all dem Gerede um Web 2.0?

Tim Bray: Von einem rein technischen Standpunkt aus ist das exzellentes Marketing. Viele Entwickler mögen den Begriff nicht, aber tatsächlich passiert im Web eine ganze Menge. Und das ist gut für Sun. Wir mögen das. (wst)