Das Zahlenwerk der Klimaforscher

Klimapolitik ist seit langem ein Feilschen um Zahlen und ihre Nachkommastellen. Technology Review stellt die wichtigsten Zahlen der IPCC-Teilberichte zum Klimawandel von 2001 und 2007 gegenüber.

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Von
  • Niels Boeing

Klimapolitik ist seit langem ein Feilschen um Zahlen und ihre Nachkommastellen. Seit das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) heute den ersten Teil seines vierten Gesamtberichts über die wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels – wenn auch nur als Zusammenfassung – vorgelegt hat, überschlagen sich weltweit die Schlagzeilen. Danach scheint der Klima-GAU so nah wie nie und viel schlimmer zu werden, als man gedacht hatte.

Vergleicht man diese Zusammenfassung mit der des letzten Teilberichts von 2001, fallen zwei Dinge auf. Zum einen enthält der neue Bericht sehr viel mehr Details. Wo die Forscher 2001 noch allgemeine Formulierungen wählten, können sie heute aufgrund besserer Klimamodelle und Datengrundlagen ihre Befunde genauer beziffern. Zum anderen unterscheiden sich die jetzigen Prognosen von denen, die 2001 aufgestellt worden, nicht sehr stark. Was sich geändert hat, ist die Wahrscheinlichkeit, die die Klimaforscher ihren Ergebnissen beimessen.

Technology Review stellt hier die wichtigsten Daten aus den Teilberichten von 2001 und 2007 gegenüber (der Einfachheit halber IPCC-3 und IPCC-4 genannt, weil es sich um den dritten bzw. vierten Bericht des Klima-Panels handelt). Im ersten Teil sind die wissenschaftlichen Befunde, im zweiten die Prognosen zusammengestellt, die in den Berichten genauer beziffert werden.

1. Befunde

Die Zunahme der globalen Durchschnittstemperatur

Laut IPCC-4 ergibt der so genannte 100-Jahre-Trend eine Zunahme um 0,74 plus/minus 0,22 Grad Celsius von 1906 bis 2005.

IPCC-3 hatte für den Zeitraum von 1901 bis 2000 eine Erwärmung von 0,6 plus/minus 0,2 Grad Celsius festgestellt.

In IPPC-4 heißt es: „Elf der zwölf letzten Jahre (1995 – 2006) rangieren unter den zwölf wärmsten Jahren seit der Ermittlung einer globalen Durchschnittstemperatur an der Erdoberfläche (seit 1850).

IPCC-3 war noch vorsichtiger formuliert: „Global gesehen ist es sehr wahrscheinlich, dass die 1990er das wärmste Jahrzehnt und 1998 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnung 1861 waren.“

CO2-Konzentration in der Atmosphäre

IPPC-4 konstatiert beim wichtigsten Treibhausgas einen Anstieg um 35 Prozent von rund 280 ppm (Teile pro Million Luftmoleküle) im Jahre 1750, das als Bezugsjahr für vorindustrielle Zeiten genommen wird, auf 379 ppm im Jahre 2005.

IPPC-3 hatte noch einen Anstieg um 31 Prozent seit 1750 auf 366 ppm im Jahre 2000 festgestellt.

Während es in IPCC-4 heißt, die gegenwärtige CO2-Konzentration sei die höchste seit 650.000 Jahren, hatten in die Forscher in IPCC-3 geschrieben, die Konzentration des Jahres 2000 sei die höchste seit 420.000 Jahren.

Methan-Konzentration in der Atmosphäre

IPCC-4 notiert einen Anstieg um 148 Prozent von rund 715 ppb (Teile pro Milliarde Luftmoleküle) im Jahre 1750 auf 1774 ppb im Jahre 2005.

IPPC-3 hatte einen Anstieg von 151 Prozent festgestellt.

Stickoxid-Konzentration

IPCC-4 hält einen Anstieg um 18 Prozent von rund 270 ppb im Jahre 1750 auf 319 ppb im Jahre 2005 fest.

IPCC-3 hatte einen Anstieg um 17 Prozent auf 316 ppb (2000) konstatiert.

Radiative Forcing der Treibhausgase

Mit "Radiative Forcing" bezeichnen Klimaforscher die Veränderung des globalen Mittelwertes der Strahlungsbilanz an der atmosphärischen Grenzschicht der so genannten Stratopause in 50 Kilometer Höhe. Sie gibt also die Störung des Gleichgewichts zwischen der einstrahlenden Sonnenenergie und der an den Weltraum abgegebenen langwelligen Strahlung an und wird in Watt pro Quadratmeter gemessen. Ein positiver Wert bedeutet dabei, dass der enstprechende Faktor zu einer Erwärmung der globalen Durchschnittstemperatur beiträgt (für andere Faktoren siehe auch Bilderstrecke).

Laut IPCC-4 betrug das kombinierte Radiative Forcing der verschiedene Treibhausgase 2005 2,3 plus/minus 0,23 Watt pro Quadratmeter.

IPCC-3 hatte das kombinierte Radiative Forcing mit 2,43 Watt pro Quadratmeter beziffert, in der Zusammenfassung allerdings keine Abweichung angegeben.

IPPC-4 stellt außerdem fest, dass die Zunahmerate beim Radiative Forcing während des Industriezeitalters „sehr wahrscheinlich“ ohne Beispiel in den vergangenen 10.000 Jahren ist.

Meeresspiegelanstieg

Während IPCC-3 nur festgestellt hatte, dass der durchschnittliche Meeresspiegel im 20. Jahrhundert um 0,1 bis 0,2 Meter gestiegen sei, beziffert IPCC-4 den Anstieg auf der Basis der Daten von 1963 bis 2003 auf 0,18 plus/minus 0,05 Meter pro Jahrhundert. Außerdem schreiben die Forscher: „Es gibt ein hohes Vertrauen in den Befund, dass die beobachtete Rate, mit der Meeresspiegel ansteigt, vom 19. zum 20. Jahrhundert zugenommen hat.“

Gletscherschwund und Rückgang des Meereises an den Polkappen

Hier unterscheiden sich die beiden Berichte nicht nennenswert. IPCC-4 notiert, das beim antarktischen Meereis kein „statistisch bedeutsamer Durchschnittstrend“ zu beobachten sei, der auf seinen Rückgang hindeutet. Der Rückzug der Inlandgletscher wird auch in IPCC-4 nicht genauer beziffert (zumindest in der Zusammenfassung nicht).

2. Prognosen

Temperaturanstieg

IPCC-4 prognostiziert eine künftige Erwärmung von 0,2 Grad Celsius pro Jahrzehnt. In IPCC-3 wurde eine Erwärmung von 0,1 bis 0,2 Grad pro Jahrzehnt als „wahrscheinlich“ bezeichnet.

Für die Debatte um Klimaschutzmaßnahmen ist besonders folgender Satz in IPCC-4 wichtig: „Selbst wenn die Konzentrationen aller Treibhausgase und Aeresole auf dem Wert des Jahres 2000 geblieben wären, müsste man noch mit einem Anstieg von ungefähr 0,1 Grad pro Jahrzehnt rechnen.“

Während die Spanne der möglichen Erwärmung in IPCC-3 mit 1,4 bis 5,8 Grad für bis zum Jahre 2001 angegeben wurde, liegt sie in IPCC-4 bei 1,1 bis 6,4 Grad, je nach dem Szenario über die weitere Entwicklung der Treibhaus-Faktoren, die durchgerechnet wurden.

IPCC-4 weist allerdings auf seit IPCC-3 fortgeschrittene Modellierung des Klimas hin, die den neuen Szenario-Rechnungen zugrunde liegt, so dass die Prognosen der beiden Berichte „nicht direkt vergleichbar“ seien.

Meeeresspiegelanstieg

IPCC-4 hält einen Meeresspiegelanstieg von 1990 bis 2099 um 0,18 bis 0,59 Meter für möglich. In IPCC-3 hatte die Spanne bei 0,09 bis 0,88 Meter gelegen.

Dass die Spanne kleiner ist, liegt laut IPCC-4 an „besseren Informationen bei einigen Unsicherheiten“ der Faktoren, die zum Ansteigen des Meeresspiegels beitragen.

Die Zusammenfassungen können beim IPCC als PDF-Dateien heruntergeladen werden:
Teilbericht 2001
Teilbericht 2007
(nbo)