Beim Green Computing noch im Schlafmodus
Während alle Welt die drohende Klimakatastrophe beklagt, ist Energie sparen auf der CeBIT nur ein Randthema
- Manfred Buchner
Selbst George W. Bush hat das Thema entdeckt. Per Executive Order vom 24. Jan. 2007 will das Weiße Haus den Ausstoß von Treibhausgasen in den USA bis 2015 um 30 Prozent senken. Für Amerikas Amtsstuben sollen dazu nur noch Computer und Bürogeräte mit dem Energy Star Label beschafft werden. Die Energiespar-Standards der amerikanischen Umweltbehörde EPA betreffen Behördenkäufe im Wert von rund 60 Milliarden US-Dollar jährlich.
Seit 2002 gilt das Energy Star-Kennzeichen offiziell auch in der EU. Danach müssen Elektrogeräte bei Nichtgebrauch u.a. automatisch in den Stromsparmodus schalten, wobei für Computer, Monitore, Drucker, Kopierer, Faxgeräte, Frankiermaschinen, Scanner und Multifunktionsgeräte spezielle Regeln gelten. Bei Computern etwa ist im Leerbetrieb die Prozessorleistung herunterzufahren und die Festplatte abzuschalten.
In der Praxis dümpeln diese technischen Standards bislang wenig beachtet vor sich hin. Es bleibt nämlich den Herstellern überlassen, ihre Geräte mit dem Energy Star auszuzeichnen. Sie brauchen nur die Vergabekriterien erfüllen und das entsprechende Etikett aufkleben. Eine Liste mit mehreren hundert registrierten Geräten ist im Internet zu finden.
Mit der Entdeckung des Klimaschutzes könnte sich das bald ändern. Nach EU-Prognosen werden im Jahr 2010 allein die Bürogeräte in den Privathaushalten von 15 Mitgliedstaaten Treibhausgase in einer Menge von 29 Millionen Tonnen gen Himmel pusten. 1990 waren es gerade mal eine Million. Eine ähnlich große Portion steuern Behörden und Unternehmen bei. Die EU-Erweiterung auf mittlerweile 27 Staaten sorgt für weitere Gase.
Neue Energy Star Standards sollen die alarmierende Entwicklung stoppen. Sie treten in der EU ab 1. April 2007 in Kraft, in den USA gilt Energy Star 4.0 ab 20. Juli 2007. Danach werden Rechner in drei Kategorien eingeteilt und entsprechend etikettiert: Zur sparsamen A-Klasse gehören Desktops mit Einzelkern-Prozessor und einfacher Grafikkarte. Sie dürfen im Leerlauf maximal 50 Watt verbrauchen. Zur B-Klasse zählen PCs mit Mehrkern-Prozessor. Hier liegt das Limit bei 65 Watt. Highend-Systeme der C-Klasse können bis 95 Watt verbrauchen. Im Schlaf-Modus gilt für alle Kategorien: höchstens 4 Watt Verbrauch, im Soft-Off-Modus maximal zwei Watt. Dahinter stecken die Schein-Ausschalter, die dem Nutzer vorgaukeln, dass sein Rechner abgestellt ist. Typische Büro-PCs verbringen rund vier Fünftel des Jahres in diesem Zustand und verbraten dabei eine Menge Strom. Nach einer Untersuchung des Fraunhofer-Instituts ISI in Karlsruhe wird im Leer lauf knapp 40 Prozent des gesamten Stroms von Haushalts- und Bürogeräten verbraucht. Zusammengerechnet geht auf diese Weise jährlich rund drei Prozent des Stroms der deutschen Endabnehmer nutzlos verloren.
Die US-Umweltbehörde erwartet mit den neuen Energy-Star-Standards bei Computern eine Verbrauchsreduzierung von 70 Prozent gegenüber herkömmlichen Rechnern. Insgesamt soll damit in den USA der Ausstoß von Treibhausgase im Umfang von 2,7 Millionen Autos jährlich wegfallen. Die EU-Kommission erhofft sich in Europa Stromeinsparungen von 30 TWh in den kommenden drei Jahren, das entspricht der jährlichen Stromproduktion aus Windenergie in Deutschland.
Angesichts dieser Entwicklung sollte man meinen, Green Computing wäre ein zentrales Thema auf der CeBIT. Weit gefehlt! Vergeblich sucht man im umfangsreichen Veranstaltungsprogramm des Messeveranstalters nach Themen wie Klimaschutz, Energieeffizienz, Stromverbrauch oder Energy Star. Auch bei den Ausstellern tauchen diese Themen nur sporadisch auf, während ausgerechnet CeBIT-Verweigerer Hewlett Packard den ersten PC mit Energy Star 4.0 Standard ankündigt.
In Hannover gehen vor allem die Chipfabrikaten AMD und Intel offensiv mit dem Thema um. „Der Energiesparprozess fängt beim Prozessor an“, verkündete beispielsweise Jochen Polster, Geschäftsführer von AMD Deutschland, vor allem „in Rechenzentren werde irrsinnig viel Energie verschwendet“. Aber auch für den privaten Nutzer würden sich stromsparende PCs rechnen. Das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft.“
Dass sich neuen Energy Star Standards in der Branche diesmal tatsächlich durchsetzen, glaubt Ertu Uysal, Vorstand beim Tübinger Hardware- und Lösungsanbieter transtec AG: „Viele Behörden und Unternehmen verlangen in Ausschreibungen für IT-Systeme bereits heute die Einhaltung der neuen Energy Star Standards,“ berichtet Uysal und meint damit auch die von der EU bislang noch nicht übernommenen US-Vorgaben für Server. Grund: Gerade im Serverbetrieb steckt nach Einschätzung des in Istanbul geboren Schwaben ein beträchtliches Sparpotenzial. Sein wirkungsvollstes Sparrezept: Die Stromversorgung von Bladeservern auf zwei Netzgeräte reduzieren, statt im Rechnerschrank, wie üblich, jeden der bis zu 40 Rechner damit einzeln ausrüsten. Die Wirkung ist enorm. Uysal, der Energie sparen als sein Hobby bezeichnet: „Das senkt die Stromkosten um 5.000 bis 6.000 Euro im Jahr.“ Damit die Sicherheit nicht zu kurz kommt, ist ein Reservenetzteil eingeplant. Damit noch nicht genug. Mit Hilfe der so genannten Virtualisierung wird die oft nur 25%-ige Auslastung von Rechnern aufgestockt und die Arbeit mit intelligenter Steuersoftware besser verteilt.
Während diese Sparmethode bei Servern und Speichern bereits vielerorts genutzt wird, steckt MAID nach Uysal's Einschätzung noch im Experimentierstadium. Das Kürzel bedeutet „Massive Array of Idle Disks“ und lässt Festplatten dank intelligenter Steuerung nur bei Speichervorgängen kreisen. Die Methode verspricht einen spürbaren Spareffekt vor allem bei so genannten RAID-Speichern. Das sind zusammen geschaltete Festplatten, die vor allem zur Datensicherung eingesetzt werden. MAID kann den Stromverbrauch bei diesen Energiefressern um bis zu 70 Prozent reduzieren. Unter dem Strich verkürzt die clevere Technik die Stromrechnung, beispielsweise von mittelständischen Betrieben, um einige tausend Euro jährlich. (wst)