Konservendose oder Haus der Zukunft?

Wie viele Quadratmeter benötigt ein Mensch zum Leben, wenn er im Einklang mit der Natur existieren möchte? Wenn es nach der "Tumbleweed Tiny House Company" aus Kalifornien geht, sind es unter zehn.

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Wenn Jay Shafer mal wieder das Wasser ausgegangen ist, trägt er ein kleines Fässchen mit Hahn den kleinen Berg am Rande seines Apfelhains hinauf und befüllt es an einem Reservoir. Das gleiche Wasser verwendet er auch zum Duschen und für seine Campingtoilette. "Das heißt aher nicht, dass jeder in meinen Häusern so leben müsste", sagt er einem für eine US-Show filmenden Fernsehteam, "aber ich wollte eben möglichst naturnah existieren".

Shafer, der sich selbst Designer nennt und Experte für Stadtplanung und nachhaltige Architektur ist (mit früheren Lehraufträgen unter anderem an der University of Iowa), hat sich mit seiner kleinen Firma "Tumbleweed Tiny House Company" auf ein Bauen spezialisiert, das auf den ersten Blick reichlich verquer wirkt: Je kleiner ein Gebäude, desto besser. "Ich hatte schon immer eine Leidenschaft für solche Designs", erklärt Shafer, "ich wollte soviel wie möglich in einen kleinen Raum quetschen, ohne dass es unkomfortabel wird".

Sein eigenes Haus ist gerade einmal 9,29 Quadratmeter groß – 100 US-Quadratfuss, kleiner als viele Badezimmer. Seit 1997 lebt er darin. Was auf den ersten Blick verrückt klingt, erweist sich bei näherem Hinsehen als durchaus praktikabel. Shafer hat eine kleine Küche, einen erstaunlich großen Schreibtisch (an dem er die meiste Zeit des Tages verbringt), ein Bad (das eigentlich eine Dusche ist), ein Fläche mit zwei Sesseln und einem kleinen Gasbrenner (der wie ein Minikamin wirkt), erstaunlich viel Stauraum (in nahezu jeder Ecke ist ein Schrank versteckt) sowie, wohl am spektakulärsten, ein "Sleeping Loft" für Zwei mit Kathedralendecke und hübschem Fenster, das im Dachgeschoss des Hauses angelegt wurde (eine Leiter führt nach oben).

"Meine Entscheidung, nur 100 Quadratfuss zu bewohnen, hatte damit zu tun, dass ich mir Sorgen machte, dass ein größeres Haus schlecht für die Umwelt wäre. Außerdem wollte ich mich nicht um Räume kümmern, die ich gar nicht nutze", erklärt Shafer. Sein Mini-Heim habe bislang all seine häuslichen Anforderungen erfüllt. "Mein ganzer Lebensstil hat sich verändert. Er ist langsamer und intensiver geworden. Das ist echter Luxus." Die kostengünstige Bauweise bei den überhitzten amerikanischen Immobilienpreisen dürfte ihr Übriges leisten.

Nachhaltig gebaut ist Shafers Entwicklung tatsächlich: Er verwendet Naturmaterialien mit viel Holz, eine gute Dämmung und Belüftung. Zur Kühlung und zum Erwärmen des kleinen Heims benötigt er nicht länger als fünf Minuten: "Meine Energiekosten, also Strom und Heizung mit allem, liegen vielleicht bei zehn Dollar im Monat." Damit das Haus auch überall aufgestellt werden kann, hat er Räder eingebaut: "Damit kann ich es überall hinstellen, wo ich möchte. Zum Bauamt muss ich nicht."

Aus Shafers Idee eines möglichst einfachen, naturnahen Lebens entwickelte sich schnell ein ordentliches Geschäft: Zwei Dutzend Häuser hat er bereits für Kunden entwickelt und (zumeist) von Hand gebaut. Dazu benötigt er zusammen mit einer kleinen Crew rund acht Wochen, geliefert werden die Heime komplett ausgestattet.

Rund zehn verschiedene Haus-Typen bietet die Tumbleweed Tiny House Company inzwischen an. Die Preise liegen zwischen 20.000 und 40.000 Dollar – Baupläne verkauft Shafer für rund 1000 Dollar, Dutzende hat er bereits abgesetzt. "Interessanterweise habe ich viele Anfragen aus Korea", erklärt er im Gespräch mit Technology Review. Außerhalb der USA kann er seine Heime derzeit allerdings noch nicht liefern – das würde zuviel Frachtgebühren kosten. "Ich überlege aber, mit einem europäischen Partner zusammenzuarbeiten."

Wer möchte, kann von Shafer seit kurzem auch größere Häuser bekommen, die ebenfalls seine Umweltansprüche erfüllen: "Mir ist am wichtigsten, dass der Platz ideal ausgenutzt wird." Doch was heißt schon groß? "B-52", eines der neuesten Shaferschen Meisterstücke, hat auch nur 46 Quadratmeter – inklusive "Live-In"-Kleiderschrank. Der große Traum des Hausentwicklers ist es derweil, eine ganze Siedlung seiner Minihäuser zu schaffen: "Ein Grundstück für ein normales Haus reicht für viele meiner kleinen Häuser." (bsc)