"Jedes Jahr Wachstum"

Trotz fehlender Lesegeräte hat sich die E-Book-Branche als ernstzunehmender Player im Markt der digitalen Inhalte etabliert. Die Nutzer läsen die Werke einfach am PC, erläutert Christian Guggemos vom E-Book-Händler Ciando im TR-Interview.

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Von
  • Frank Magdans
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Viele Hoffnungen wurden geschürt, als es an der Schwelle zum neuen Jahrtausend mit dem E-Book-Markt losging. Denn mit der Erweiterung der digitalen Angebote wurden auf einmal die Grenzen des traditionellen Buchhandels gesprengt, Titel auch direkt über das Internet vertreibbar. Doch der große Erfolg blieb zunächst aus. Warum? Und wie sieht der Markt heute aus? Werner-Christian Guggemos, Geschäftsführer des in München ansässigen E-Book-Vertreibers Ciando, über den Status quo der Branche.

Technology Review: Herr Guggemos, wie sieht der typische E-Book-User aus?

Werner-Christian Guggemos: Der typische E-Book-User ist jemand, der sich der traditionellen Endgeräte bedient, also PC und Laptop einsetzt. Die mobilen Plattformen werden zwar für etliche Applikationen genutzt, aber nicht notwendigerweise für das Lesen von Büchern.

TR: Dafür sind die Displays auch noch zu klein...

Guggemos: Genau. Deshalb besteht unser Geschäft im Wesentlichen aus dem Download von Inhalten auf den PC. Der Anteil der mobilen Geräte ist deutlich geringer.

TR: Umso mehr verwundert es, dass das österreichische Unternehmen Blackbetty Mobilmedia seit kurzem literarische Werke zum Download auf Java-fähige Handys anbietet. Das wäre dann ja nur heiße Luft, wenn der Anteil der mobilen Plattformen so gering ist. Oder hat diese Entwicklung doch eine reale Chance?

Guggemos: Also, ich denke nicht, dass es bei PC und Laptop bleiben wird, sondern dass wir es hier mit zwei Teilen des Marktes zu tun haben. Es gibt einen Markt, den wir aktuell sehr stark bedienen. Dabei geht es um informierende Inhalte, also Fachbücher oder Ratgeber. Diese werden weiterhin an die Endgeräte gekoppelt sein, die am stärksten verbreitet sind und von beruflicher Relevanz sind.

Daneben wird es sicherlich weitere Endgeräte geben, die genutzt werden. Ich glaube aber nicht, dass es dabei um Organizer oder Smartphones gehen wird. Es werden Geräte sein, die explizit für das Lesen konzipiert sind. In Amerika hat Sony ja vor kurzem sein neues E-Book auf den Markt gebracht. Damit ist die E-Paper-Technologie, die endlich serienreif geworden ist, stark auf den Vormarsch.

Mir ist bekannt, dass in Dresden eine Firma mit etlichen Geldern aus dem Boden gestampft wird, um die dafür nötigen Displays zu produzieren. Und dann werden auch unterhaltende Inhalte eine größere Rolle spielen. Momentan spielt dieser Faktor noch keine bedeutende Rolle, weil eben das adäquate Endgerät fehlt.

TR: Wann wird dieses Endgerät dann auch hierzulande erscheinen?

Guggemos: Eventuell Mitte kommenden Jahres.

TR: Doch besonders erschwinglich wird die Hardware nicht sein, oder? Zumindest war das bei derartigen Produkten bisher der Fall.

Guggemos: Da ist meiner Meinung nach ein falscher Zungenschlag im Spiel. Es wird immer wieder auf die Kosten verwiesen, aber es hat sich beispielsweise kein Mensch dafür interessiert, was der iPod kostet. Das Thema fängt eigentlich nicht mit den Kosten an, sondern ob das Gerät einen Lifestyle-Appeal besitzt.

Es geht darum, dass Sie, wenn Sie im Zug oder im Flugzeug sitzen, einen gewissen Image-Bonus haben, weil Sie jetzt derjenige sind, der dieses neue Gerät schon hat. Es sieht also "sexy" aus – von dieser Richtung her kommt der Markt ins Laufen. Das Geld wird nicht das Thema sein. Außerdem sind die neuen E-Books von Sony durchaus mit den Preisen vergleichbar, wie es sie anfangs beim iPod gab.

TR: Ist Apples iPhone schon ein Schritt in diese Richtung?

Guggemos: In gewisser Weise ja. Sie müssen sich aber vorstellen, dass die Qualität der E-Paper-Technologie mit der einer Druckseite vergleichbar ist. Dieses Displays unterscheiden sich auch dadurch, dass sie durch die Anzeige keinen Strom verbrauchen. Sie sind nicht beleuchtet. Sie verbrauchen nur im Seitenwechsel Strom. Das garantiert eine längere Laufzeit und befreit den Anwender, denn er muss den Akku des Geräts nicht ständig aufladen.

TR: Ist das eine Entwicklung, auf die Sie als Anbieter von Inhalten gewartet haben?

Guggemos: Nicht notwendigerweise. Unsere Zielgruppe besteht aus den Leuten, die auf unsere Angebote vornehmlich aus beruflichen Gründen zugreifen. Der unterhaltende Markt ist nicht unser Schwerpunkt und er wird es auch nicht werden. Dennoch bin ich mir sicher, dass der unterhaltende Markt mit den neuen Endgeräten kommen wird.

TR: Wie sicher kann man sich da wirklich sein?

Guggemos: Also ich bin mir ziemlich sicher. Denn wenn man erst einmal ein solches Gerät in den Händen gehalten hat, dann sieht man, dass das eine ganz andere Nummer ist im Verglich zu dem, was es früher im Bereich der E-Books gegeben hat.

TR: Kommen wir mal zum aktuellen Stand der Dinge. Profitieren Sie zurzeit von dem zweiten Frühling im Internet?

Guggemos: Unsere eigene Entwicklung ist eigentlich die eines schrittweise stattfindenden, sehr kontinuierlichen und zugleich dynamischen Wachstums. Man hat uns zum Zeitpunkt, an dem der erste Internetboom zu Ende ging, gefragt, ob jetzt alles in den Keller geht, und jetzt, ob alles nach oben geht. Die tatsächliche Entwicklung ist jedoch völlig unabhängig von diesen Marktzyklen. Wir haben jedes Jahr Wachstum, egal wie groß momentan das öffentliche Interesse am Internet ist.

TR: Ciando kooperiert ja auch mit immer mehr Verlagen, etwa mit Springer.

Guggemos: Das ganze Fundament ist breiter geworden. Wir arbeiten heute mit Buchhändlern und Bibliotheken zusammen, und wir vertreiben selbst über die Verlagsauftritte im Internet die E-Books des Hauses. Das E-Book hat sich ohne großes Aufsehen zu erregen still, heimlich und leise in alle Bereiche der Buchbranche hineinbegeben. Und dort wächst es. Web 2.0 hat damit rein gar nichts zu tun.