Kampf der Oberflächen

Microsoft hat in dieser Woche mit "Surface" ein neuartiges Bedieninterface für Computer vorgestellt, bei dem man mit beiden Händen Objekte auf dem Bildschirm manipulieren kann. Wirklich neu ist das allerdings nicht.

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Steve Ballmer war sichtlich stolz, als er am Dienstag auf der mit US-High-Tech-Granden durchsetzten "D5"-Konferenz des Wall Street Journal im kalifornischen Carlsbad sein neuestes Produkt vorführte: "Surface" werde, so Ballmer, die Bedienung von Rechnern schlicht revolutionieren.

In der Tat macht der in einen Tisch eingelassene Touchscreen einiges her: Das horizontal angeordnete 30 Zoll-Display mit darunter befestigtem Rechner wirkt wie aus einem Science-Fiction-Film, lässt sich offenbar so bedienen, wie dies weiland Tom Cruise im Streifen "Minority Report" mit einem futuristischen Computer tat. Besonders beeindruckend: Die Objekte werden scheinbar "greifbar" - und das System erkennt auch Gadgets, die man einfach auflegt, um beispielsweise Bilder von einer Kamera drahtlos herunterzuladen.

Allerdings ist das, was der Software-Konzern da vorstellte, keineswegs neu: An so genannten "Multi-Touch"-Verfahren, bei denen man berührungsempfindliche Bildschirme gleichzeitig mit beiden Händen (oder mehreren Fingern) bedienen kann, arbeiten Forscher schon seit 1982. Zudem gibt es gleich zwei bedeutende Konkurrenten, die ähnliche Technologien vermarkten. Und so wunderten sich die meisten Beobachter, wie Microsoft die Patent- und Rechtesituation meistern werde, selbst wenn der Konzern betonte, man habe in Sachen geistiges Eigentum alle juristischen Argumente auf seiner Seite.

Aktuell "Erster" in Sachen Multi-Touch ist der Forscher Jeff Han von der New York University, der mit einigen beeindruckenden Videodemonstrationen die Technologie 2006 wieder auf den Radarschirm der IT-Industrie holte. Es hat ja auch reichlich Sex-Appeal: Man steht oder sitzt vor einem großen Bildschirm und kann seinen gesamten Greif- und Zeigeapparat verwenden, um mit dem Rechner zu interagieren. Bilder lassen sich mit einem Fingerzeig aufziehen und verschieben, Dateien zu Haufen gruppieren - der Körpereinsatz ist ein ganz anderer. Durch das direkte Feedback, das einem der berührungsempfindliche Bildschirm liefert, wirkt das Ganze sehr real.

Han hat mit seiner Firma Perceptive Pixel dementsprechend bereits erste Erfolge verbuchen können - deutlich bevor Microsoft Surface der Öffentlichkeit zeigte. Er verkauft das auf hochempfindlichen Infrarotsensoren basierende System etwa an das US-Militär, wo man an neuartigen Informationstechnologien sehr interessiert ist.

Microsoft betonte in Carlsbad jedoch, das erste IT-Großunternehmen zu sein, das echte kommerzielle Produkte liefern könne. Doch ist Surface wirklich kommerziell? Aktuell setzt der Riese aus Redmond einmal mehr auf seine so geliebten Pilotkunden. Für gut 10.000 Dollar und mehr kaufen Harrah's Entertainment, Starwood Hotels & Resorts Worldwide sowie T-Mobile einige der Kästen, um sie in ihren Etablissements aufzustellen. Beim Endkunden wird es hingegen noch eine ganze Weile dauern, bis sie ihren Rechner mit zwei Händen bedienen können.

Wohl am weitesten in Multi-Touch-Dingen für Endkunden ist damit wohl der Computer- und Unterhaltungselektronikkonzern Apple. Mit 30 Zoll großen Riesendisplays mit Berührungsempfindlichkeit kann man dort zwar noch nicht dienen, doch das in diesem Monat in den USA erscheinende iPhone bietet wesentliche Teile der fortgeschrittenen Touchscreen-Bedienung. Nutzer werden mit mehreren Fingern tippen, zoomen und Menüs auswählen können - und das so natürlich wie möglich, wie Apple-Chef Steve Jobs versprach. Die bislang einsehbaren Prototypen machten zumindest Lust auf mehr.

Auch Apple hat übrigens zahlreiche Patente im Multi-Touch-Bereich angemeldet - ob sich Microsoft und der Mac-Hersteller eines Tages erneut vor dem Richter vorfinden werden? Vermutlich nicht, hat man doch einst vor der Jahrhundertwende ein Cross-Lizenzierungsabkommen für Nutzeroberflächen geschlossen. Ob es auch für die Nutzung beider Hände gilt? (bsc)