Office im Netz

Die Web 2.0-Firma Zoho versucht, mit einer vollständigen Online-Bürosuite dem Softwareriesen Microsoft Konkurrenz zu machen. Chuzpe oder Chance?

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Von
  • Richard Brandt

Wenn es nach dem Start-up Zoho geht, erledigen wir unsere wichtigsten PC-Aufgaben künftig im Browser – und nicht mehr in Microsoft Office. Die Tochter des Telekommunikationssoftware-Spezialisten AdvantNet hat ein ganzes Bündel an Anwendungen ins Netz gestellt, die das ermöglichen sollen.

Die neueste nennt sich "Zoho Notebook" und ist ein Werkzeug, mit dem man sich beliebige Elemente aus dem Web ziehen kann, um sie dann in ein persönliches Notizbuch zu stecken. Das Notizbuch lässt sich ganz privat führen oder auch öffentlich – und wer möchte, kann außerdem nur bestimmten Personen den Zugang erlauben.

Zoho ist ein besonders fleißiger Anbieter solcher Web-2.0-Tools – seit mehr als einem Jahr wird Monat für Monat ein neuer Dienst gestartet. 15 Produkte sind inzwischen online, darunter eine Textverarbeitung, eine Tabellenkalkulation, eine Präsentationslösung, ein Wiki-Werkzeug, ein Projektmanager, eine CRM-Lösung, eine Datenbank und ein Planungstool für Aufgaben.

Die Reaktionen auf Zohos Angebot sind bislang positiv: So meinen einige Blogger gar, die Internet-Anwendungen seien robuster als vergleichbare Dienste von Google. Auch die kollaborativen Elemente zur Zusammenarbeit mehrerer Nutzer werden gelobt – so kann man sich Dokumente aufteilen oder eine Tabelle mit Daten aus dem Web füttern. Echte Zoho-Fans gehen gar soweit, die Firma als Vorreiter einer ganzen Generation neuer Web-basierter Anwendungen zu bezeichnen, die den Softwareriesen aus Redmond irgendwann überflüssig machen könnten.

Eine aktuelle Studie des IT-Marktforschungsinstituts Gartner platzierte Zoho auf Platz 1 in einer Topliste aus fünf besonders "coolen" Web-2.0-Firmen, die einen "Blick in die Zukunft der Enterprise-Software" lieferten. "Zoho liegt sowohl in Sachen Nutzung als auch bei der Technologie vorne", kommentiert Gartner-Analyst Nick Gall.

"Zoho Office", wie Zoho sein gesamtes Paket aus 15 Web-Anwendungen nennt, darf sich außerdem mit dem "100 Best Products of 2007 Award" schmücken, den die amerikanische "PC World" in ihrer Juli-Ausgabe vergab. Und John Wilson vom Risikokapitalgeber Folio Partners aus London hält Qualität und Umfang der Suite für "ziemlich unerreicht".

Aber lässt sich damit auch Geld verdienen? Die meisten Zoho-Produkte sind aktuell noch kostenlos oder zumindest wesentlich billiger als Microsoft-Software. Nur einige Dienste für den Small-Business-Bereich muss man bezahlen – so kann man die CRM-Lösung nur mit drei Nutzern kostenlos verwenden, ab Nutzer 4 werden 12 Dollar pro Monat pro Nutzer fällig. Privatleute sollen die Web-Suite laut Zoho jedoch langfristig kostenlos nutzen können.

Der Name Zoho ist eine Abwandlung von "SOHO" – sprich "Small Office / Home Office". Genau hier steckt auch die Hauptzielgruppe: "Wir wollen die IT-Abteilung des Kleinunternehmers sein", erklärt Raju Vegesna, der Zohos Technologie als "Evangelist" verbreiten hilft. "Die ganze Industrie für Web-basierte Produktivitätsanwendungen entwickelt sich gerade erst. Es wird noch vier bis fünf Jahre dauern, bis das Mainstream ist, aber es wird passieren."

Aktuell hat Zoho nach eigenen Angaben 250.000 Nutzer für seine Bezahlprodukte Zoho Project und Zoho CRM. 30.000 weitere setzen die freien Produkte ein – 10.000 Neumitglieder erhielt man allein in den ersten drei Tagen nach dem Start von Zoho Notebook im Mai.

Gartner-Analyst Gall glaubt, dass sich solche Online-Programme am besten für Menschen eignen, die selbst im Web-Inhalte-Bereich arbeiten oder auf Kollaboration angewiesen sind. Er selbst nutzt die Textverarbeitung Zoho Writer für seine Blog-Einträge und exportiert sie dann in den Weblog-Dienst "Typepad". Das gemeinsame Arbeiten an Tabellen, die sich mehrere Nutzer teilen, sei "unendlich einfacher" als bei vergleichbaren Microsoft-Werkzeugen. "Ich bin Intensivnutzer von Office und habe noch nicht herausgefunden, wie man die Kollaborations-Werkzeuge überhaupt verwendet oder verschiedene Objekte in Word platziert."

Zoho wird aber weder Microsoft noch Google aus dem Feld räumen können. "Office ist das Kronjuwel von Microsoft", meint Gall. Er sei gegenüber jeder Firma zunächst skeptisch, die versuche, sich gegen dieses Monopol aufzulehnen. Und: Auch viel positive Kritik in bekannten Weblogs ist ein schlechter Indikator für kommerziellen Erfolg – Blogger "leben" schließlich im Internet, während Normalnutzer eher an traditionelle Anwendungen gewöhnt sind.

Zoho-Mann Vegesna sieht dennoch ein großes Kundenpotenzial auf der ganzen Welt: "In Indien gibt es jeden Monat acht Millionen neue PC-Benutzer und eine ähnlich Zahl von Internet-Einsteigern. Von Microsoft Office haben die noch nie gehört." (bsc)