Das Ende des Buchs ist seine Zukunft

Elektronische Medien und neues Konsumverhalten drohen das gedruckte Wort zum antiquierten Ladenhüter werden zu lassen. Auf einer Tagung in San Jose dachten Verleger und Technologen über Rettungsansätze nach.

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Von
  • Steffan Heuer
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Selbst für Verleger der papiernen Spielart gibt es noch Aha-Momente, die sie an die Zukunft ihrer Industrie glauben lassen. Als der britische Designer und Ingenieur Manolis Kelaidis auf der “Tools of Change for Publishing”-Konferenz von O´Reilly Media ein Buch mit eingebauten Schaltkreisen präsentierte, das Textpassagen wie im Browser zum lebendigen Link macht, belohnten ihn die Besucher der Tagung im kalifornischen San Jose mit einer stehenden Ovation.

Auch wenn der Prototyp mit leitender Tinte eigentlich ein von hinten aufgezäumtes Laptop ist -- das blueBook des Akademikers vom Royal College of Art vermittelte den Besuchern der Tagung zur Zukunft im Verlagswesen einen Hauch Hoffnung, wie analog und digital zueinander finden können. Die Botschaft lautete, dass neue elektronische Vertriebskanäle, Software und Hardware keine reine Bedrohung, sondern auch eine Chance darstellen, um neue Einkommensströme zu erschließen und eine neue Art von ungeduldigem Leser an sich zu binden.

Dabei überwog auch in San Jose auf den ersten Blick die Untergangsstimmung. So verkündete Adobe-CEO Bruce Chizen, dass gedruckte Informationen in 15 Jahren ein Fossil sein würden. Allen Noren vom O´Reilly Verlag präsentierte Anekdoten, bei denen es Zeitungs- wie Buchverlegern eiskalt den Rücken herunter laufen dürfte. So erzählten ihm preisgekrönte Studenten, dass „Bücher etwas für alte Leute“ seien. Eine Führungskraft absolvierte ihren MBA-Studiengang an Yale, ohne ein einziges Buch zu kaufen.

„Wenn etwas nicht bei Google zu finden war, dann gab es den Text auch nicht“, erklärte der Manager. Eine Mutter schließlich half ihrer Tochter bei den Hausaufgaben, indem sie alles online nachschlug. „Bücher sind unbequem“, so ihr Fazit. Alle drei Beispiele treffen ins Schwarze, da sie enorm wichtige Zielgruppen für Verlage darstellen.

Solche Horrorszenarien lassen sich mit Umfrageergebnissen der Nachrichtenagentur Associated Press für den Alltag belegen. Danach gab kein einziger der befragten US-Bürger unter 50 an, Zeitungen große Beachtung zu schenken. Selbst wenn man qualitativ hoch stehende Titel wie die New York Times einrechnet, schenkt der durchschnittliche Webnutzer den Online-Auftritten von Tageszeitungen insgesamt eine halbe Stunde im Monat.

Was zählt, sind die Empfehlungen, Vermutungen und Hinweise von Freunden, Bekannten oder Altersgenossen, die in stetem Strom aus allen Kanälen einlaufen – in Instant Messaging-Fenstern, Anrufen, SMS oder kurzen Audio- und Videoschnipseln. „Wir Verlage konkurrieren mit Angeboten, die kostenlos sind, gerade gut genug statt perfekt sind, und sofort und bequem im Netz abzurufen sind“, sagte Noren.

Selbst wer ein Buch online findet und am nächsten Tag geliefert bekommen kann, gibt die Order rasch auf, wenn er beim zweiten oder dritten Suchergebnis augenblicklich Informationen geliefert bekommt. Dass Texte online oft aus weniger reputierlicher Quelle stammen, schreckt nur noch wenige Menschen ab. Veranstalter Tim O´Reilly warf gleich zu Beginn der Tagung die verbale Handgranate in die Menge, dass sich Irrtümer seit Gutenbergs Zeiten in Druckerzeugnissen finden und nicht erst seit dem Siegeszug der Wikipedia um sich greifen.

Herkömmliche Verleger kontrollieren nach Ansicht von Noren und O´Reilly nicht mehr den Markt, da sie mit Suchdiensten wie Google Books und Microsoft Live Search, eBuch-Anbietern wie Sony und Zwitter-Onlinehändlern wie Amazon im Wettbewerb stehen. Wer zu viele Barrieren beim Zugang zu seinen Inhalten aufstellt, werde diesen Konkurrenzkampf verlieren, argumentierte nicht nur Noren.