Roboter-Insekten im Anflug

Forscher an der Harvard University haben eine künstliche Fliege entwickelt, die als militärischer Spion eingesetzt werden könnte.

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Von
  • Rachel Ross

Sie wiegt nur 60 Milligramm, ähnelt ihren Brüdern in freier Natur und könnte eine Revolution in der Überwachungstechnologie auslösen: Wissenschaftler um Robert Wood vom Harvard MicroRobotics-Team haben eine Roboter-Fliege entwickelt, die tatsächlich abheben kann. Das künstliche Tier mit einer Flügelspannweite von drei Zentimetern orientiert sich dabei in seiner Mechanik am natürlichen Vorbild.

Woods Projekt wird von der Militärforschungsbehörde DARPA finanziert, die sich eines Tages klitzekleine Flugspione erhofft, die auch zur Erkennung von Giftstoffen eingesetzt werden könnten. Noch liegt vor dem MicroRobotics-Team allerdings jede Menge Arbeit; erstmals eingeschränkt abgehoben ist die Roboter-Fliege im Frühling dieses Jahres. "Die Natur stellt die besten Fluggeräte der Welt her", meint Wood, Juniorprofessor am Institut für Maschinenbau und angewandte Wissenschaften. Die geringe Größe und naturnahe Anmutung soll dem künstlichen Insekt bei seinen Missionen helfen: "Eine Fliege im Raum bemerkt niemand, einen Roboterfalken hingegen ganz sicher", meint Wood.

Der Bau des kleinen Flugautomaten war nicht einfach – insbesondere in diesem Maßstab. Bestehende Herstellungsprozesse ließen sich nicht einsetzen, weil sie die geforderten leichten und dennoch robusten Teile nicht ausgeben konnten. Die Motoren, Lager und Verbinder für herkömmliche Roboter konnten nicht verwendet werden. "Es reicht nicht aus, einfach große Bauteile herunterzubrechen. Das brächte nicht die Leistung, die wir brauchen", meint Wood.

Auch kleinere MEMS-Module waren nicht brauchbar – die mikroelektromechanische Bauweise wäre zu kostenintensiv geworden. Deshalb entwickelten Wood und seine Kollegen einen billigeren, schnelleren Fabrikationsprozess, mit dem sie verschiedene Ausführungen ihrer Ideen produzieren konnten.

Kern der Lösung ist die so genannte Laser-Feinstzerspanung. Dabei werden dünne Schichten Kohlefasern in zweidimensionale Muster zerschnitten, die auf wenige Mikrometer genau produzierbar sind. Hochempfindliche Polymer-Schichten lassen sich mit einem ähnlichen Prozess gewinnen. Dann wurden die Schichten vorsichtig kombiniert, um an die gewünschten Bauteile zu gelangen.

Ein Biegegelenk entstand so beispielsweise, indem zwei Stücke Kohlefaser genauestens ausgerichtet wurden, um in der Mitte eine Lücke zu bilden. Dann wurde eine Polymerschicht senkrecht über die Kohlefaser-Stücke gelegt, wie man dies von einer Tischplatte mit zwei kurzen Beinen kennt. Zwei weitere Kohlefaser-Stücke an jedem Ende der Polymerschicht rundete die Sache ab. Zusammengenommen ergab sich ein H-förmiges Gebilde, das in der Mitte flexibel und am Rand sehr stabil ist.

Durch derlei Kombinationsarbeit entstanden diverse verschiedene komplexe Bauteile, die gebogen und rotiert werden konnten, wie dies die Forscher brauchten. Elektroaktive Polymere, die sich mit elektrischem Strom in ihrer Form verändern lassen, dienen zur Steuerung.

Insgesamt sieben Jahre lang arbeitete das Team um Wood am Fabrikationsprozess sowie dem Studium die Flugdynamik von Fluginsekten. "Als uns dann vor wenigen Monaten gelang, die Fliege in die Luft zu holen, sprang ich vor Freude wortwörtlich in die Luft", erinnert sich der Forscher.

Auch andere Wissenschaftler arbeiten an Robotern, die an Insekten erinnern, doch dies ist der erste Roboter mit zwei Flügeln, der derart klein geraten ist. Das künstliche Insekt kann außerdem mit den gleichen Bewegungen abheben wie echte Fliegen. Die dahinterliegenden Prozesse sind enorm komplex und werden seit Jahren von Forschern wie Ron Fearing von der University of California in Berkeley untersucht, der Woods Doktorvater war. Fearing arbeitet selbst an Roboter-Insekten und äußert sich beeindruckt, dass Woods Automat tatsächlich abhebt: "Das ist ein großer Durchbruch." Bis zu einer voll funktionierenden Roboter-Fliege sei es aber dennoch ein recht weiter Weg.

In der Tat funktioniert Woods Erfindung nur mit einer Haltevorrichtung, die dafür sorgt, dass sich das Insekt nach vorne und nach oben bewegt. Aktuell arbeitet das Team daher an einem Flugcontroller, der den Roboter in verschiedene Richtungen lenken kann.

Ebenfalls sehr wichtig ist die Entwicklung einer funktionierenden Stromquelle – derzeit ist noch ein Kabel notwendig. Eine abgespeckte Lithium-Polymer-Batterie würde nur etwas weniger als fünf Minuten Flugzeit bieten.

Integriert werden müssen außerdem noch passende, leichtgewichtige Sensoren. Angedacht sind Detektoren für Giftstoffe – dann könnte man die Roboterfliege in eine Gefahrenzone schicken, bevor Menschen dort hingelangen. Dazu wird auch noch eine intelligente Steuerung benötigt, die Hindernisse umgeht.

Trotz der zu meisternden Probleme betrachtet Wood seine bisherigen Erfolge als wichtigen Schritt. "Dass unser künstliches Insekt fliegt, ist enorm wichtig. Viele Leute dachten zuvor, dass es niemals abheben würde", meint der Forscher. (bsc)