"Es gibt noch genĂĽgend Forschungsbedarf bei der Endlagerung"
An der TU Clausthal ging in dieser Woche das erste deutsche Institut an den Start, das sich allein mit der Endlagerung chemotoxischer und nuklearer Abfälle beschäftigt. Technology Review sprach mit dem Leiter, Professor Kurt Mengel.
Professor Kurt Mengel ist geschäftsführender Leiter des frisch gegründeten Instituts für Endlagerforschung an der TU Clausthal. Das bundesweit erste und einzige Institut für Endlagerforschung ging am Montag im Rahmen einer Feierstunde offiziell an den Start.
Neben der Forschungstätigkeit bietet die Einrichtung ab dem Wintersemester 2007/08 auch den weltweit einzigartigen Studiengang "Management radioaktiver und umweltgefährdender Abfälle" an. Das Institut erhält dazu eine von der Gesellschaft für Nuklearservice (GNS) für sieben Jahre finanzierte Stiftungsprofessur für Endlagersysteme. Technology Review sprach mit Mengel über seine Arbeit und den Ansatz des neuen Instituts.
Technology Review: Professor Mengel, Sie sind Geschäftsführer des kürzlich gegründeten ersten deutschen Instituts für Endlagerforschung. Ich war ein wenig verblüfft darüber, dass es bislang noch kein Institut dieser Art in Deutschland gab. Können Sie vielleicht zunächst ein wenig zur Vorgeschichte der Einrichtung sagen?
Kurt Mengel: Richtig ist, dass es bislang kein Universitäts-Insitut gab – nicht in der Bundesrepublik und meines Wissens auch nicht in der EU –, welches sich in Forschung und Lehre den Fragen der Endlagerung gefährlicher Abfälle besonders widmet. Selbstverständlich gibt es eine Reihe von Organisationen, die alle von Dritten bezahlt werden, sei es von Landes-, Bundes- oder EU-Seite, die sich mit Endlagerung beschäftigen. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass wir nach Artikel fünf des Grundgesetzes an einer Universität völlig frei sind in Lehre und Forschung.
TR: Dass heißt, Sie beschäftigen sich an ihrem Institut nicht nur mit radioaktiven Abfällen, sondern auch mit der Endlagerung von weiteren gefährlichen Stoffen?
Mengel: Von chemotoxischen Abfällen, ja. Insbesondere in unserem Studiengang "Radioactive and hazardous waste management" steht "hazardous" für chemotoxische Abfälle – ein Problem, das übrigens viel größer ist als das der radioaktiven Abfälle.
TR: Im Moment wird ja auch gerade viel über die Speicherung von CO2 in tiefen Gesteinsschichten diskutiert. Damit beschäftigen Sie sich nicht?
Mengel: Nein. Das könnte man zwar durchaus auch als gefährlichen Abfall definieren. Aber die Forschungen zu diesem Thema laufen an der TU Clausthal im Institut für Erdöl- und Erdgastechnik. Das ist nicht Gegenstand unserer Arbeiten.
TR: Nun gibt es ja hier in Deutschland schon relativ lange Pläne, hochradioaktiven Abfall in Salzstöcken zu lagern. Wo ist also der noch offene Forschungsbedarf?
Mengel: Jeder Salzstock, und auch jede andere Gesteinsformation, muss so untersucht werden, dass nach eingehenden Betrachtungen der naturwissenschaftlichen und auch der technischen Seite sämtliche Fakten über die Langzeitsicherheit des Standortes nachprüfbar auf den Tisch gelegt werden können.
Dazu bedarf es natĂĽrlich eines Konzeptes, wie man dabei ĂĽberhaupt vorgehen muss. Und wenn man ein solches Konzept hat, dann arbeitet man die Fragen, die man beantworten muss, nach und nach ab. Im Erkundungsbergwerk Gorleben hat man so ein Konzept nicht unmittelbar und stringent verfolgt.
TR: Wenn man das im internationalen Vergleich betrachtet – die Skandinavier setzen auf Lagerung in Granitformationen, die Amerikaner auf Tuffstein, in Deutschland werden Salzformationen betrachtet – ist die Frage nach dem besten Speichermedium wissenschaftlich eigentlich beantwortet?
Mengel: Die Forschung ist keineswegs zu einem solchen Schluss gekommen. Der Umstand, dass sich Finnland und Schweden für eine Endlagerung in Granit entschieden haben, liegt schlicht und einfach an der Geologie dieser Länder. Dort gibt es keine Salzvorkommen und nur mindere Tonvorkommen. In den USA gibt es sehr wohl ein Lager im Steinsalz - die WIPP-Site im Süden des Landes. Dass die USA auf ein Endlagergestein Tuff gekommen sind, liegt wohl zunächst einmal daran, dass es sich anbot, einen Standort zu finden, der ohnehin schon einschlägig genutzt war – nämlich Yucca Mountain – wo man nicht erst Eigentumsrechte klären musste.
Deutschland hat als einziges europäisches Land eine große Variation von Salzstöcken, die man in Betracht ziehen kann. Wir haben gleichwohl auch Granit, wie in Schweden und Finnland, aber auch ausgedehnte Tongesteinsformationen wie sie in der Schweiz und Frankreich für die Endlagerung diskutiert werden. Es ist also mithin auch ein Ergebnis der regionalen Geologie, in welcher Formationen verschiedene Staaten ihre gefährlichen Abfälle unterbringen müssen.
TR: Dass heiĂźt, auch fĂĽr Deutschland ist die wissenschaftliche Frage, welche Formationen am besten geeignet sind, nach wie vor offen?
Mengel: Da Tongesteine in Deutschland bei weitem nicht so intensiv untersucht worden sind wie Salzstöcke, kann man hier keine abschließende Betrachtung anführen. Bis heute sind große Anstrengungen unternommen worden, den Salzstock in Gorleben zu untersuchen. Für Granit und Ton ist in Deutschland vergleichsweise wenig passiert.
Wir können also nicht einen gut erkundeten Salzstock mit kaum erkundeten Gesteinsformationen vergleichen, in dem wir sagen, die eine Formation ist besser geeignet als die andere. Wenn man eine solche Entscheidung treffen wollte, wäre ein gleich hohes Niveau an Informationen für die betreffenden Formationen bzw. Standorte erforderlich.