Nadel im 3D-Heuhaufen

Die Online-Welt Second Life bringt eine neue Suchmaschine an den Start, die den Nutzern helfen soll, gewünschte virtuelle Objekte besser aufzufinden.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Erica Naone

Googles Marktwert zeigt es: Gute Suchmaschinen sorgen dafür, dass das Internet nützlich und auch unterhaltsam bleibt. In virtuellen Welten, die nicht aus Text sondern aus 3D-Figuren bestehen, die Menschen, Plätze und Objekte repräsentieren, ist das Suchproblem jedoch deutlich härter. Bewohner der populären Second Life-Umgebung des US-Anbieters Linden Lab können zwar schon lange nach generellen Begriffen suchen – etwa nach einer Veranstaltung in Spanisch oder dem Aufenthaltsort bestimmter Gruppen. Doch während es beispielsweise möglich war, einen virtuellen Schuhladen zu finden, gab es keine Möglichkeit, nach einem bestimmten Paar zu suchen. Da viel vom Zauber virtueller Welten in der Gestaltung von Objekten und dem Handel mit ihnen liegt, war das eine frustrierende Einschränkung. Doch Linden Lab bringt derzeit ein neues Suchwerkzeug an den Start, das damit beginnen soll, dieses Problem zu lösen.

Aufbauend auf einer kommerziell erhältlichen Suchplattform von Google soll die neue Technik Ergebnisse nach Relevanz sortieren – und nicht nur alphabetisch oder nach Besucherandrang. Jeska Dzwigalski, die bei Linden Lab für Community- und Produktentwicklung zuständig ist, glaubt, dass mit dem Werkzeug deutlich genauerer Suchergebnisse möglich werden. Neben der Suche nach Objekten können die Bewohner auch nach Informationen in den Profilen anderer Nutzer recherchieren – nach Hobbys, beispielsweise. Dzwigalski erwartet, dass die Profilsuche auch die soziale Funktion von Second Life verbessern wird.

Der Algorithmus hinter dem neuen Suchtool wird ebenfalls dem von Google ähneln: Gefundene Objekte werden danach sortiert, wie genau die Daten, die sie umschreiben, den eingegebenen Suchbegriffen entsprechen, wie nah mehrere Worte beieinanderstehen und wie populär die Objekte zu sein scheinen – Letzteres wird nach Anzahl der Referenzierungen ihres Ortes ermittelt. Wie bei der bestehenden Suche auch lassen sich nicht-jugendfreie Ergebnisse ausblenden. Abonnenten können laut Dzwigalski außerdem entscheiden, welche Elemente ihres eigenen Avatars in den Index aufgenommen werden sollen – so lässt sich gegebenenfalls die eigene Privatsphäre schützen: "Die neue Suche erlaubt es den Leuten, nach mehr Dingen zu suchen und erstellte Objekte besser zu beschreiben."

Vor der Ankündigung des neuen Werkzeuges arbeiteten Drittanbieter wie Electric Sheep zudem bereits an eigenen Ansätzen, die Suche in Second Life und anderen virtuellen Welten zu verbessern. "Die Suchmöglichkeit in den 3D-Welten war traditionell sehr einfach", meint Giff Constable, der die Software-Abteilung von Electric Sheep leitet. Seine Firma schickt Suchroboter durch Second Life, um virtuelle Objekte aufzunehmen und Daten aus diesen zu extrahieren. Dies funktioniere analog zu Alta Vista in den frühen Tagen des Webs, "bevor Google daherkam und die Fähigkeit mitbrachte, Dinge nach ihrer Popularität zu ordnen". Seine Firma hoffe, auch die neue Suchtechnik von Linden Lab einsetzen zu können. Der Fokus der Firma werde künftig auf Zusatzwerkzeugen für Social-Networking-Funktionen und den E-Commerce-Bereich liegen.

Aber sowohl das neue Linden-Lab-Werkzeug als auch die "Bots" von Electric Sheep benötigen zunächst Beschreibungen (Tags) von Objekten und Orten – es gibt keine Suchtechnologie für virtuelle Welten, die Objekte ohne diese Hinweise erkennen könnte. Gibt es keine Tags, können die Suchroboter ein Objekt schlicht nur als "Objekt" umschreiben, sagt Constable. "Wir können Dinge auffinden, sie sehen, aber uns ihre Bedeutung ohne Beschreibung nicht zusammenreimen." Auch das neue Linden Lab-Suchwerkzeug kann das nicht – wobei es laut Dzwigalski zumindest die nutzlose Liste von einfachen Objekten ohne Beschreibung herausfiltern kann. Die Bewohner der virtuellen Welt sind also dafür verantwortlich, 3D-Gegenstände zu beschriften, wenn sie in den Index sollen. Electric Sheep will Werkzeuge bereitstellen, die dies vereinfachen und dadurch bessere Beschreibungen liefern. "Die Leute suchen nach den unterschiedlichsten Erfahrungen und Dingen in Second Life, was das Suchproblem komplexer macht", meint Constable. So müsse man beispielsweise angeben, ob man eine virtuelle Nachbildung des Eiffelturms sucht oder einen virtuellen Nachbau besuchen möchte.

Das Suchproblem hat aber noch mehr Konsequenzen als die simple Schwierigkeit, die die Benutzer dadurch beim virtuellen Shopping haben. Entwickler arbeiten derzeit daran, die Grenzen zwischen einzelnen Welten aufzuheben und nahtlose Übergänge zu schaffen. Dann wird eine gut funktionierende Suche noch wichtiger. "Das ist ein ähnliches Problem wie in den frühen Tagen des Web", meint Corey Bridges, Mitbegründer von Multiverse, einer Plattform für virtuelle Welten. "Wenn man ein ganzes Netzwerk virtueller Welten schaffen will, muss der Nutzer auch die Welt finden, die er oder sie erreichen will. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass es so ähnlich wie im Web sein wird, wo es eine Reihe interessanter Dinge gibt, von denen man 98 Prozent eigentlich nicht braucht."

Obwohl das Linden Lab-Suchwerkzeug eine Verbesserung darstellt, löst es das Problem also bei weitem nicht. "Die Suche ist wichtig, aber ich selbst kenne bislang keine echte Antwort in diesem Bereich", meint auch Michael Rowe, Manager für den Bereich 3D-Internet bei IBM. Suchmaschinen für virtuelle Welten würden mit zunehmender Komplexität immer spannender. "Man sucht nicht mehr nur einen Link – man sucht ein Objekt innerhalb eines Kontextes aus Raum und Zeit." (bsc)