Microsoft-Prozess zieht sich in die Länge
Der Kartellprozess gegen Microsoft scheint sich wie erwartet in die Länge zu ziehen. Am gestrigen Montag legte Microsoft seine Vorstellungen für den weiteren Ablauf vor.
Der Kartellprozess gegen Microsoft, in dem der Konzern in der ersten Instanz wegen wettbewerbswidrigem Verhaltens zur Aufteilung in zwei unabhängige Firmen verurteilt wurde, scheint sich wie erwartet in die Länge zu ziehen, nachdem das oberste US-Bundesgericht die Berufung nicht angenommen und sie an das eigentlich zuständige Berufungsgericht verwiesen hat. Das Verfahren vor dem Berufungsgericht (Appeals Court) des US-Justizbezirks Columbia kann noch über 6 Monaten dauern, geht es nach Microsoft. Im Kartellprozess, den das US-Justizministerium und 19 US-Bundesstaaten gegen den Konzern führen, strebte die Regierung durch eine Verhandlung vor dem Supreme Court eine schnelle endgültige Entscheidung an; Microsoft dagegen wollte von vornherein angesichts der Bedeutung des Prozesses und der nach Ansicht des Konzerns notwendigen umfangreichen weiteren Beweiswürdigung das normale Berufungsverfahren einhalten. Der Software-Gigant konnte sich mit diesem Antrag auch durchsetzen – nun hat Microsoft dem Berufungsgericht einen Vorschlag für das weitere Vorgehen unterbreitet.
Danach hätten beide Seiten 60 Tage Zeit, grundsätzliche Stellungnahmen einzureichen. Nach weiteren 30 Tagen müssten die jeweiligen Reaktionen auf die Schriftstücke der Gegenseite dann beim Gericht vorliegen. Microsoft möchte zudem erreichen, dass die Dokumente weitaus umfangreicher sein können als eigentlich im normalen Verfahren vorgesehen: 56.000 Wörter statt 14.000 für die ersten Schriftstücke und 28.000 statt 7.000 Wörter für die Reaktionen auf die Dokumente der Gegenseite.
In einer mündlichen Anhörung sollen nach Vorlage der Dokumente beide Kontrahenten einen Vortrag von 90 Minuten halten dürfen, um auf die Argumente der Gegenseite einzugehen. Anschließend solle eine weitere Frist möglich sein, um zusätzliche Dokumente für die Stützung der eigenen Position einzureichen. Erst danach wäre das Gericht nach Microsofts Vorschlag in der Lage, eine Entscheidung über die Berufung zu treffen.
Selbst dann wäre der Prozess aber nicht zu Ende: Es ist nicht davon auszugehen, dass Microsoft oder das Justizministerium, sollten sie in der Berufungsinstanz unterliegen, sich damit zufrieden geben würden. Der nächste Schritt, wird das Verfahren nicht einfach an die erste Instanz zurück verwiesen, ist dann der Supreme Court, vor dem Berufung oder Revision gegen die Entscheidung des Appeal Courts eingelegt werden kann – ein Verfahren, das nach den bisherigen Zeitvorstellungen von Microsoft wohl kaum im Jahr 2001 abgeschlossen wäre.
Bis es überhaupt so weit kommt, gibt es aber noch andere Fristen: Ob der Zeitplan, den Microsoft vorschlägt, angenommen wird, kann der Appeals Court frühstens am 10. Oktober entscheiden. Bis Donnerstag dieser Woche hat die Regierung Zeit, auf Microsofts Vorschlag zu reagieren; Microsoft kann dann noch einmal bis zum Nachmittag des 10. Oktober darauf antworten. Erst dann starten die Firsten, die das Gericht festlegt – egal, ob es nun dem Zeitplan aus Redmond folgt, den ausstehenden Vorschlag des US-Justizministeriums annimmt oder einen eigenen Plan aufstellt.
Wie auch immer der weitere Ablauf sich gestaltet: Eine schnelle Entscheidung über das endgültige Urteil im Kartellprozess wird es offensichtlich nicht geben. Für das Justizministerium eine schwierige Situation – eine schnelle Entscheidung wäre angesichts des Aufsehens, das der Prozess und das Urteil der ersten Instanz in den letzten Monaten erregte, wohl eher im Sinn der Kläger ausgefallen. Je länger sich das Verfahren hinzieht, desto wahrscheinlicher wird es, dass die Berufungsinstanz das Verfahren einfach an Richter Thomas Penfield Jackson zurück verweist zur erneuten Überprüfung und unter Umständen mit gewissen Auflagen, was das Strafmaß angeht. US-Rechtsexperten gehen inzwischen davon aus, dass Microsoft zwar letztlich doch wegen wettbewerbswidrigem Verhalten verurteilt wird – aber mit einer weitaus geringeren Strafe und mit weit weniger Aplomb, als dies in der ersten Instanz geschah. Nicht zuletzt sprechen dafür auch frühere Entscheidungen des Berufungsgerichts: Es hob beispielsweise eine einstweilige Verfügung von Richter Jackson im Verlauf des Prozesses auf, nach der Microsoft verpflichtet gewesen wäre, den Web-Browser strikt von Windows zu trennen. (jk)