NSA-Untersuchungsausschuss: BND-Expertin bestreitet "taktische Informationen" für US-Drohnenkrieg

Getarnt hat der BND bis Mitte 2014 jährlich Hunderte Flüchtlinge und Asylbewerber zusammen mit einem US-Geheimdienst ausgehorcht. "Taktische" Informationen soll dieser aber nicht erhalten haben, Geodaten seien "manipuliert" übermittelt worden.

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US-Kampfdrohne MQ1-Predator

US-Kampddrohne MQ1-Predator: Der Vorwurf steht im Raum, deutsche Stellen hätten taktische Daten, etwa Informationen über Handy-Nutzung, für die Zielerfassung im US-Drohnenkrieg geliefert.

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Inhaltsverzeichnis

Die US-Militärbasis im rheinland-pfälzischen Ramstein soll eine zentrale Rolle beim geheimen Drohnenkrieg der Vereinigten Staaten gespielt haben. Ob auch menschliche Quellen des Bundesnachrichtendiensts (BND) direkt Informationen für Todesmissionen geliefert haben, wollte der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags am Donnerstag ausloten.

Heraus kam zumindest, dass der Auslandsgeheimdienst bis Juni 2014 unter der Legende "Hauptstelle für das Befragungswesen" (HBW) mit 50 eigenen Analysten und etwa zehn Abgesandten eines US-Militärgeheimdienstes rund 300 Flüchtlinge und Asylbewerber pro Jahr aushorchte.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Ziel sei die "Informationsgewinnung zu zentralen Fragen" wie Politik und Wirtschaft nach dem Auftragsprofil der Bundesregierung gewesen, erläuterte "Frau K." vor dem Gremium, die die HBW von 2008 an bis zu deren Auflösung Mitte vergangenen Jahres leitete. Von Interesse sei vor allem die Versorgungslage in den Herkunftsländern aus Krisengebieten wie dem Nahen und Mittleren Osten etwa mit Krankenhäusern, Wasser oder Nahrungsmitteln gewesen.

Man habe sich beispielsweise nach dem Brotpreis vor Ort erkundigt, da dessen Niveau gegebenenfalls zu einem Aufstand führen könnte. Die Handy-Nummer eines Terroristen oder andere Kontaktdaten wie E-Mails hätten dagegen "nicht im Zentrum" gestanden, wären höchstens "Beifang" gewesen.

Regel sei es gewesen, dass die US-Geheimdienstkollegen von der Defense Intelligence Agency (DIA), einem Pentagon-Arm, "im Team mit BND-Mitarbeitern" die Leute befragten. Dieser Ansatz sei aber "aus personeller Hinsicht nicht durchzuhalten" gewesen, sodass die Amerikaner Betroffenen teils auch allein oder zusammen mit "gestandenen Praktikanten" gegenüber gesessen hätten, um die Leistungsvorgaben ihres "Mutterhauses" zu erfüllen. Dies sei grundsätzlich aber die Ausnahme geblieben. Auch die stets deutschsprachigen "Erfüllungsgehilfen" aus den USA hätten zudem dem BND anhand vorgegebener Richtlinien "zugearbeitet".

Stift und Zettel seien das "Regelarbeitsgerät" gewesen, gab die Referatsleiterin an. Es seien aber auch "einige Laptops" im Einsatz gewesen, um Aussagen etwa über Google Earth abzugleichen oder sich Notizen zu machen. Die Befrager beider Seiten hätten dann mitgetippt, die Systeme seien aber getrennt gewesen. Im Nachhinein habe man sich geeinigt, wer das Protokoll erstellte. Sprachkapazitäten der Amerikaner, "die wir nicht hatten", seien den Befragungen zugute gekommen.

Bei einbezogenen Satellitenbildern müsse man unterscheiden, ob aus Auskünften dazu "militärische" oder "militärisch-nutzbare", also taktische Daten hervorgingen, meinte K. auf Nachfragen hin. Letzteres sei selbst dann nicht zwingend, wenn ein Befragter ein Gebäude als "militärisch genutztes" ausmache. Der Grüne Hans-Christian Ströbele bezeichnete diese Einschätzung als "haarsträubend".

Das Kanzleramt habe den BND nach Presseberichten über Ramstein und den Drohnenkrieg generell noch einmal "sensibilisiert", erinnerte sich die BND-Praktikerin. Demnach dürften militärisch-taktische Informationen wie Geodaten nicht an den US-Partner gelangen, bestimmte Quellen etwa aus Palästina und Libyen müssten gesperrt werden. Das HBW habe in Folge unter anderem "manipulierte" Geodaten oder anderweitig "bereinigte" Angaben weitergegeben.

Die Erkenntnisse seien generell in Form kleiner Protokolle an den Geschäftsbereich Analyse des BND mit mehreren Anlaufstationen je nach Thematik und Herkunftsland weitergeleitet worden, führte die Zeugin aus. Ob Informationen auch an Dritte gingen, wisse sie nicht.

Ihr sei zudem nicht bekannt, dass die Amerikaner die erhaltenen Informationen "auch selbst genutzt hätten", gab die Juristin zu Protokoll. Diese "konnten aber einen nachrichtendienstlichen Mehrwert erzielen, sich andere Quellen erschließen, als sie selbst zur Verfügung gehabt hätten". Prinzipiell habe es den "gleichen Erkenntnisgewinn für beide Seiten" gegeben. Wenn eine Befragung aus "nationalem Interesse" erfolgte, seien die Einsichten aber "nicht unbedingt mit Amerikanern geteilt" worden. Darüber habe "die Auswertung" entschieden.

Rüde Verhörmethoden von DIA-Vertretern waren K. nach eigener Angabe nur vom Hörensagen, "aus der Zeitung", bekannt, nicht aus ihrem Dienstbereich. Ende 2013 habe es eine Ansage aus dem Kanzleramt gegeben, dass die Amerikaner die ausgewählten Flüchtlinge nicht mehr allein aushorchen dürften. Auch die US-Agenten seien als "HBW" aufgetreten und mit Tarnpapieren ausgestattet worden.

Generell lautete die Weisungsfrage der Zeugin zufolge, die Betroffenen darüber aufzuklären, dass "Informationen für die Bundesregierung" gesammelt würden und die Teilnahme an der Befragung freiwillig sei. Es habe ihnen auch verständlich gemacht werden sollen, dass die Maßnahme "keinen Einfluss auf das Asylverfahren" habe. Sie gehe davon aus, dass so auch vorgegangen worden sei. Nachprüfen habe sie das nicht können, da sie an keiner Sitzung dabei gewesen sei und nur die Ergebnisse übermittelt bekommen habe.

Die Gespräche seien in der Regel direkt in den anfangs vier Außenstellen der HBW durchgeführt worden, worunter Berlin gewesen sei, sagte K. Weitere Tarnabteilungen der Tarnabteilung hätten nicht existiert. "Wir haben auch Flughafenbefragungen probiert", räumte die Zeugin später ein. Details dazu wollte sie aber nur in geheimer Sitzung preisgeben. An diesen Sachen seien die Amerikaner nicht beteiligt gewesen, es sei auch nicht um Asylanten gegangen.

K. hat nach eigener Aussage das Schicksal der HBW "bis zum bitteren Ende miterlebt". Die einschlägigen Häuser seien "nach und nach zurückgebaut worden, weil der Informationsgewinn immer geringer geworden ist". Im vorigen Jahr habe der Auftrag dann geendet. Als Rechtsgrundlage für die Operation, bei der teils sehr private Daten verdeckt erhoben wurden, konnte die Juristin nur auf das BND-Gesetz allgemein verweisen. Abgeordnete zweifelten an, ob dies ausreichend gewesen sei, um etwa auch Informationen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für "Vorgespräche" zu beziehen. (jk)