Die Simulation des Dr. Mabuse

Das Blue-Brain-Projekt, bei dem ein komplettes Gehirn im Computer simuliert werden soll, hat erste Ergebnisse vorgelegt. Die Gegner des Projektes besänftigt das jedoch nicht.

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Das Blue-Brain-Projekt, bei dem ein komplettes Gehirn im Computer simuliert werden soll, hat erste Ergebnisse vorgelegt. Die Gegner des Projektes besänftigt das jedoch nicht, berichtet das Fachmagazin Science.

Denn der Hirn-Simulator, in dem nicht nur die üblichen, grob vereinfachten Modelle von Neuronen berechnet werden, ist schon lange umstritten. Projekt-Initiator Henry Markram ist zwar schon lange fest davon überzeugt, dass ein "biologisch richtiges" Computer-Modell nicht nur helfen könnte, die Funktion des Gehirns besser zu verstehen - und damit vielleicht neurologische Krankheiten besser behandeln zu können. Auch die "Entstehung eines Bewusstseins" im simulierten Gehirn schloss er nicht aus. Seine Kritiker halten diesen Plan aber bestenfalls für verfrüht, denn die Forschung wisse überhaupt nicht genug über das Gehirn, um entscheiden zu können, welche Details beim Modellieren wichtig sind, und welche nicht. Hinter vorgehaltener Hand zeichnen manche auch eine düstere Karikatur des Projektes als leicht größenwahnsinnig - sozusagen die Simulation des Dr. Mabuse.

Trotzdem überzeugte Markram mit dem ehrgeizigen Ziel, ein komplettes, menschliches Gehirn zu simulieren,die EU-Kommission. Die geplante Computersimulation eines menschlichen Gehirns wurde als eins von zwei Leuchtturm-Projekten der EU ausgewählt, die in den nächsten zehn Jahren mit bis zu hundert Millionen Euro pro Projekt gefördert werden.

Das Grummeln in der Forschungs-Community wurde deshalb jedoch nicht leiser. Im Sommer 2014 drohten mehr als 300 Wissenschaftler in einem offenen Brief gar, das Projekt zu boykottieren, falls der Einfluss von Henry Markram nicht begrenzt würde - was später tatsächlich geschah.

Nun haben Markram und Kollegen die ersten Ergebnisse geliefert: Sie simulierten einen kleinen Teil eines Rattenhirns mit rund 30.000 Neuronen und 40 Millionen Synapsen, der Sinnesreize der Tasthaare verarbeitet. (Wer es ganz genau nachlesen will, kann das im offen verfügbaren Paper tun). Die Simulation stimmt mit Experimenten überein, bei denen die Hirnaktivität von Ratten gemessen wurde, sagt Markram. Und das würde zeigen, dass die Simulation eines kompletten Gehirns möglich sei.

Ist der Streit damit beigelegt? Nein. Denn die Kritiker sagen, ein komplettes Gehirn - gar ein menschliches - sei eine ganz andere Sache. Das ist Millionen mal komplizierter. Ob sich das Ziel jemals erreichen ließe, sei also noch immer völlig unklar. Genauso wie die Antwort auf die Frage, was wir aus einer solchen Simulation wirklich lernen können. Und in der Zwischenzeit könnte man mit dem ganzen, schönen Geld andere, wichtigere Dinge erforschen.

Wer hat nun Recht? Der Visionär oder die kritischen Rationalisten? Schwer zu sagen. Aber das, was Markram und seine Kollegen jetzt vorgelegt haben, ist einfach mal ein ziemlich cooles Stück Technik. Das verdient durchaus Respekt. Und ich bin ziemlich neugierig, was passiert, wenn die Simulation irgendwann mit Robotern verbunden wird, um diese zu steuern. Vielleicht wird das tatsächlich unheimlich. Aber das ist eine andere Geschichte. (wst)