CHRP ohne Lizenz

Nach der Designstudie `Viper´ vor wenigen Monaten hat Motorola den ersten marktreifen MacOS-Computer nach PowerPC-Plattform-Standard (CHRP) fertig. Trotz Lizenzstreitigkeiten um MacOS 8 und fehlender Konformitätsprüfung durch Apple fand die neue Maschine bereits ihren Weg auf den c't-Prüfstand.

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Um es vorwegzunehmen: Der StarMax 6000 mit PowerPC-750-Prozessor lief stabil unter MacOS 8 und zeigte keine Kompatibilitätsmängel. Das von Apple im Gemenge um Betriebssystemlizenz und Hardware-Abnahme vorgebrachte Argument, es bestehe noch irgendeine Inkompatibilität, ist also anscheinend nur vorgeschoben.

Das CHRP-Design mit 66 MHz Bustakt und PC-kompatiblen Schnittstellen stellt die eine Besonderheit des neuen Rechners dar. Die zweite besteht im erstmaligen Einsatz des PowerPC 750 alias `G3´ alias `Arthur´, den IBM und Motorola seit Anfang August in Serie produzieren. Der neue Chip hat je 32 KByte First-Level-Cache für Daten und Instruktionen, doppelt soviel wie sein weit verbreiteter Vorgänger PPC 603e. Ebenso wie dieser ist er ein Low-Power-Prozessor und eignet sich mit nur 5,7 Watt Stromverbrauch und eingebautem Energiesparmanagement auch für Notebooks.

Ein herausragendes Merkmal des PPC 750 ist der integrierte Cache-Controller: Der Second Level Cache läuft als sogenannter Backside-Cache [1] mit eigenem Takt direkt am Prozessor und nicht mehr am langsamen Systembus. Das bringt deutlich mehr Speicherperformance. Diese Technik, die Intel ähnlich beim PentiumPro verwendet, hebt den 750 auch von der 604e-Weiterentwicklung `Mach5´ ab, die Apple in seinen aktuellen Power Macs 8600 und 9600 verbaut.

CPU und L2-Cache sitzen auf einem eigenen Platinchen, das wie ein Pentium-Prozessor in einem ZIF-Sockel auf der Hauptplatine residiert. Im Starmax 6000 läuft der Prozessor mit 266 MHz, der 512 KByte große Cache mit 133 MHz. Power Computing hatte bereits Systeme angekündigt, deren L2-Cache mit voller Prozessortaktfrequenz - hier bis zu 275 MHz - betrieben werden soll. Übrigens weist der StarMax 6000 außerdem noch den gewohnten Cache-DIMM-Slot auf, in den man bis zu 1 MByte L3-Cache stecken könnte. Ob es sich lohnt, ist aber fraglich - der dritte Cache müßte signifikant größer als der zweite und deutlich schneller als der Hauptspeicher sein.

Unser Testgerät glänzte mit einer stattlichen Ausstattung: Es bietet fünf PCI-Slots, einer davon belegt mit einer schnellen TwinTurbo-Grafikkarte (8 MByte SGRAM), ein weiterer mit einem Wide-SCSI-Adapter. Dieser holte aus der eingebauten IBM-Platte (4,3 GByte) lesend und schreibend stolze 15 MByte/s Transferrate heraus. 64 MByte EDO-RAM waren installiert; das System läßt sich auf bis zu 1 GByte EDO- oder 96 MByte SDRAM aufrüsten. Zur Standardausstattung gehören ein Zip-Drive und ein 24fach-CD-Laufwerk.

An Schnittstellen weist das Board die CHRP-typische Vielfalt auf: Neben den vom Macintosh bekannten (ADB, 2 × seriell, SCSI extern, Grafik und Sound) harren zwei PS/2-Schnittstellen für Tastatur und Maus, eine Centronics-Druckerbuchse sowie zwei RS-232-COM-Ports des Anschlusses von PC-Komponenten. Letztere drei bieten sich im Auswahl-Dialog des MacOS an; die Druckertreiber soll GDT Softworks, Hersteller des bekannten PowerPrint-Pakets, nachliefern; bei unserem Testgerät fehlten sie noch.

Nach dem Einschalten des Rechners ertönt ein verdächtig nach Windows klingender Startklang, und das Open-Firmware-ROM arbeitet den Boot-Code ab. Von Haus aus startet MacOS 7.6, ein von uns frisch installiertes MacOS 8 lief ebenfalls tadellos. Kein Wunder: dafür sorgt schon das immer noch obligatorische Macintosh-ROM auf dem Mainboard. Andere Open-Firmware- respektive CHRP-fähige Betriebssysteme gibt es derweil noch nicht: Der PowerPC-Port von Windows NT wurde ja leider eingestellt; diese Lücke vermögen auch die für Ende des Jahres angekündigten Trostpflaster BeOS und MKLinux kaum zu schließen.

Ersten Messungen zufolge reiht sich die `Cobra´ zwischen den Power Macs 8600 (250 MHz) und 9600 (350 MHz) ein, obwohl diese mit dem 604e den leistungsfähigeren Prozessor und mit jeweils 1 MByte doppelt soviel L2-Cache besitzen. Der Pentium II mit 300 MHz und 512 KByte L2-Cache schlägt im HINT-Benchmark bei Ganzzahl-Berechnungen alle Konkurrenten aus dem PowerPC-Lager noch knapp, liegt aber bei den Gleitkommaberechnungen weit zurück.

In den USA soll der Starmax 6000 3895 Dollar kosten und im Oktober auf den Markt kommen. Ob eine Einigung mit Apple zustande kommt, war aber bei RedaktionsschluĂź noch nicht klar.

[1] Carsten Meyer, Apple im UHF-Bereich, Neue Power Macs mit Mach5 und `Kansas´-Board, c't 9/97, S. 86

[2] Carsten Meyer, Abgelagert, CHRP zum Anfassen: Motorola Viper, c't 7/97, S. 64 (se)