Unerhört gut
Ohren auf und los! Die MP3-Nachfolger stehen in den Startlöchern, um dem in die Jahre gekommenen Kompressions-Veteranen den Rang abzulaufen. Wer bietet unverfälschteren Klang bei Bitraten unterhalb der gängigen 128 kBit/s-Marke? Eine Expertenrunde und tausende Online-Tester haben ihr Urteil abgegeben.
MP3 hat Geburtstag: Seit 10 Jahren gibt es das Format zur Kompression von Musikdateien, das den Umgang mit Musik revolutioniert hat. Spätestens seit Napster wurde MP3 zum Synonym für ‘Musik aus dem Internet’ - doch inzwischen stehen zahlreiche Konkurrenten auf dem Plan, die dem Kompressions-Oldie den Rang ablaufen wollen. Wir wollten wissen, was die potenziellen MP3-Nachfolger leisten und ob sich der Umstieg von klassischen MP3s mit 128 kBit/s wirklich lohnt. Zudem haben wir die technischen Fähigkeiten und Besonderheiten der einzelnen Encoder genauer unter die Lupe genommen (siehe auch ‘Klangkompressen’ in c't 19/2002 auf S. 102).
Doch wie kommt man der Qualität der Audiokompressoren auf die Schliche? Schon vor zwei Jahren rief die c't zum Hörtest, bei dem MP3 mit der normalen Audio-CD verglichen wurde (c't 3/00, S. 144). Damals luden wir zunächst eine ausgewählte Expertenrunde ein. Die Resonanz war groß, doch schnell wurde klar, dass auch die Leser mitmischen wollten. In einem nachgeschalteten Hörtest gaben daher auch ausgewählte Leser ihr Urteil ab (c't 6/00, Seite 92). Dieses Mal planten wir die Stimme des Volkes von vornherein in unseren Hörtest ein: Parallel zum Expertentest führten wir vom 22. bis zum 29.08. den großen c't-Hörtest im Internet durch. Über 3500 User folgtem unserem Aufruf und lauschten angestrengt unserem zwanzigsekündigen Testfile in verschiedenen Kodierungen. Die detaillierten Ergebnisse des Online-Tests finden ab Seite 98.
Die Profis
Eines zeichnet all unsere Experten aus: Sie haben ein feines Gehör. Tonmeister Gernot von Schultzendorf ist beruflich für den Wohlklang beim Abmischen von Klassik-CD-Produktionen zuständig. Axel Grell entwickelt Kopfhörer bei Sennheiser. Der geburtsblinde Stefan Weiler arbeitet ehrenamtlich in einem Tonstudio; dort ärgert er sich so manches Mal mit nicht blindentauglicher Editier-Software herum. Die Sopranistin Carmen Fuggiss ist an der Niedersächsischen Staatsoper ständig von klassischen Wohlklängen umgeben. Der musikbegeisterte Schüler Peter Wüppen spielt seit dem siebten Lebensjahr Klavier und hat mit zwölf Jahren schon biologisch bedingt das beste Hörvermögen in der Expertenrunde. Der Codec-Designer Andree Buschmann beschäftigt sich seit Jahren mit der Entwicklung von Audiokompressionsverfahren. Chefredakteur Detlef Grell vertritt das c't-Team und spitzte für uns die bewährten Ohren. Zu guter Letzt schenkte uns Produzent Mousse T. Gehör, der für den Test das Studio im Peppermint-Pavillon auf dem ehemaligen Expo-Gelände in Hannover zur Verfügung stellte.
Der Aufbau
Unsere Expertenrunde durchlief einen zweigeteilten Test: In der ‘Pflicht’ bekamen Sie die Aufgabe, innerhalb von zwanzig Minuten drei Test-CDs mit 64, 128 und 160 kBit/s einzustufen. Dabei enthielt jede CD acht Tracks, wobei der letzte Track jeweils als Referenz diente - also unkomprimiert war. In den ersten sieben Track befanden sich - neben einem weiteren unkomprimierten WAV, was die Tester aber nicht wussten - Audiospuren, die mit Ogg Vorbis, MP3, MP3pro, WMA9, Real Media und AAC komprimiert waren. Die Aufgabe der Experten bestand darin, die Testdateien bei den einzelnen Bitraten in einen qualitative Reihenfolge bringen, wobei der Track, der der Referenzdatei am ähnlichsten ist (idealerweise natürlich das unkomprimierte WAV), auf Platz eins landen sollte. Diesen Test führten sie unter gleichen Bedingungen im akustisch eingemessenen Regieraum der Peppermint-Studios durch. Als Abhöreinrichtung dienten hier zwei Yamaha CD-Spieler CDX-596, die über einen A/B-Umschalter mit Hilfe zweier Lundahl-Übertrager mit den symmetrischen Eingängen des Solid-State-Logic-Mischpults verbunden waren. Zum Abhören standen uns die fest installierten Hauptmonitore von Quested zur Verfügung. Die Experten konnten so zu jedem Zeitpunkt einen direkten A/B-Vergleich zwischen zwei beliebigen Dateien eines Test-Sets durchführen.
In einem zweiten Test-Teil, der ‘Kür’, durften die Experten ihrer eigenen Musik lauschen. Die persönliche Testmusik hatten sie uns zuvor gegeben, wir wandelten sie in eine Test-CD mit 160 kBit/s variabler Bitrate. Als Abhöreinrichtung stellten uns Saturn und die Hifi-Meile Hannover diverse CD-Spieler zur Verfügung, die unsere Experten zum zeitlich unbegrenzten Studium ihrer privaten Test-CD nutzen konnten - ein willkommener Kontrapunkt zum engen Pflicht-Teil. Eigene Kopfhörer hatten unsere Klang-Profis mit im Gepäck. Der Peppermint-Pavillon auf dem ehemaligen Expo-Gelände in Hannover bot die passende Kulisse für einen langen Tag, an dem sich unsere Experten die Ohren wund hörten. Ein Fernseh-Team des Computermagazins ‘neues.’ begleitete unseren Test, der ausführliche Bericht wird am 30.09. um 21.30 auf 3sat ausgestrahlt. (sha)