China zieht das Netz ums Internet enger
China will die Informationen im Internet noch strenger kontrollieren; die chinesische Regierung macht die Provider zu "Hilfspolizisten" bei der Zensur des Netzes.
China will die Informationen im Internet noch strenger kontrollieren. Mit weit reichenden neuen Vorschriften sind Internet-Dienstleister seit dieser Woche selbst für die Inhalte verantwortlich, die bei ihnen verbreitet werden. Sie müssen auf ihren Websites oder in ihren Chat-Rooms Informationen blockieren, die die Führungsrolle der Kommunistischen Partei ablehnen, "die Staatssicherheit gefährden" oder "die nationale Einheit zerstören".
Das bezieht sich auf jede politische Opposition oder auch alles, was gegen die Wiedervereinigung mit Taiwan gerichtet ist. Ferner dürfen "nationale Ehre und Interessen nicht geschädigt" oder Informationen über "böse Kulte und Aberglaube" verbreitet werden, was unter anderem gegen die verbotene Kultbewegung Falun Gong zielt. Überhaupt sollen keine "Gerüchte" oder Inhalte verbreitet werden, "die die soziale Ordnung stören oder die soziale Stabilität zerstören".
Da die Hüter der kommunistischen Wahrheit völlig überfordert wären, das alles selbst zu überwachen, bürden sie diese Aufgabe als Selbstzensur den Internet-Dienstleistern auf. Sie müssen verbotene Inhalte nicht nur blockieren, sondern auch sofort den Staatsorganen darüber Bericht erstatten. 60 Tage lang müssen sie alle Inhalte sowie Informationen über die Benutzer wie Telefon- und Internetkontonummer aufzeichnen und auf Nachfrage der Polizei aushändigen.
Das in den USA ansässige Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) sprach von den "bislang systematischsten Anstrengungen Chinas, das Internet zu kontrollieren". Die Internet-Firmen seien "einfach zu Hilfspolizisten verpflichtet worden". Der Erlass der Vorschriften zum 1. Oktober ließ prompt die Aktienkurse der Internetunternehmen wie Sina.com oder Sohu.com an der NASDAQ in New York fallen.
Doch kamen die strengen Vorschriften keineswegs überraschend. Schon im Januar wurde der in China nicht näher definierte Begriff der "Staatsgeheimnisse" auf Informationen im Internet ausgeweitet. Mehrere Unternehmen reagierten auch nur mit der Feststellung, dass sie sich längst an diese Vorschriften halten. Andere begrüßten gar, dass jetzt Klarheit über das Rechtsumfeld herrsche.
Doch bewegen sich Internetunternehmen in China auf dünnem Eis. Politische Unwägbarkeiten werden zum wirtschaftlichem Risiko. Bei Verstößen drohen hohe Geldstrafen oder die Schließung. Politischer Willkür stehen alle Tore offen. Denn wer definiert, was die nationale Einheit bedroht oder die Staatssicherheit gefährdet? Dieses politisches Urteil fällen die Behörden und die Kommunistische Partei. Von Gerichten ist keine Unabhängigkeit zu erwarten.
Doch muss sich zeigen, wie die neuen Kontrollen in die Praxis umgesetzt werden. Würden sie streng angewandt, müssten schon heute viele Chatrooms schließen, würde die aufkeimende chinesische Internetindustrie stranguliert. Die Chinesen könnten einfach auf die vielen chinesischsprachigen Anbieter aus dem Ausland ausweichen. Umgehen lassen sich auch die Filter, mit denen der chinesische Provider schon heute viele Informationen blockiert, die über das weltweite Netz nach China dringen: Die Suche nach Seiten von Menschenrechtsgruppen wie Human Rights in China (HRiC) oder von Falun Gong quittiert der Browser, geht man über eine chinesischen Provider ins Internet, in den meisten Fällen nur mit einem "Keine Antwort. Der Server ist u.U. ausgefallen oder reagiert nicht". (Andreas Landwehr, dpa) (jk)