Songs aus der Grauzone
Das Herunterladen von Musik ist mit Hilfe von MP3-Suchmaschinen so einfach wie nie. Dass die Musikindustrie bisher noch nichts dagegen unternommen hat, sollte man jedoch nicht als Persilschein zum AuffĂĽllen der heimischen MP3-Sammlung werten.
- Dr. Volker Zota
- Joerg Heidrich
Suchmaschinen für kostenlose MP3-Dateien erleben momentan einen Boom. Im vergangenen Jahr gestartete Angebote wie SkreemR.com, beemp3.com oder MP3Realm.org lassen sich ebenso einfach wie Google & Co. bedienen: Der Nutzer tippt den Künstlernamen oder Songtitel in die Suchmaske ein, schon liefert die Webseite eine Trefferliste. Die Songs kann man in einem in die Suchmaschinen-Webseite eingebetteten Flash-Player online anhören, mitunter zu Playlisten zusammenklicken oder direkt herunterladen. Die Musiksuchmaschinen arbeiten alle nach demselben Prinzip: Sie durchforsten tausende von MP3-Blogs und andere online verfügbare Quellen und fügen die Resultate ihrem Suchindex hinzu. Die überwiegende Zahl der MP3-Dateien wurden unrechtmäßig veröffentlicht, verstoßen also gegen das Urheberrecht.
Dennoch gehört für den britischen Daily Telegraph beispielsweise SkreemR.com zu den zehn unverzichtbaren Webseiten in der Bookmark-Liste jedes Browsers. Das US-Magazin Wired stilisierte den russischen MP3-Suchdienst Tagoo.ru gar zum „neuen russischen Napster“ hoch. Tatsächlich hebt sich der in der Betaphase befindliche Dienst von anderen Angeboten durch eine inkrementelle Suchfunktion ab, die nach wenigen getippten Buchstaben bereits alle passenden Künstler und Titel anzeigt.
SeeqPod.com und The Hype Machine (www.hypem.com) gibt es bereits seit 2005. Wie bei Songza.com und bei dem deutschen Musikspeicherdienst Simfy.de kann man die zu Tage geförderten Songs dort „nur“ über einen eingebetteten Flash-Audioplayer abspielen und nicht herunterladen. Den Betreibern ist durchaus bewusst, dass sie sich damit in einer Grauzone bewegen, wie etwa Steffen Wicker von Simfy eingesteht.
Verlockend einfach
Auch Software-Produzenten machen sich die MP3-Crawler zunutze: Das in der Basic-Version kostenlose (werbefinanzierte) Programm Songbeat nutzt etwa über eine von SeeqPod bereitgestellte Schnittstelle dessen Suchfunktion, erlaubt es im Unterschied zu SeeqPod selbst jedoch, die gefundenen Dateien auch zu speichern. Hier könnte man die Argumentationskette also um eine weitere Biegung erweitern: Songbeat greift lediglich auf SeeqPod zu, das seinerseits auf MP3-Blogs verlinkt. Bei jedem Start von Songbeat muss der Nutzer abnicken, dass er den Nutzungsbestimmungen zustimmt und er nur die Songs aufnimmt, anhört oder herunterlädt, für die er das nötige Patent, Copyright, eine Erlaubnis oder die entsprechende Lizenz besitzt.
Das Produkt Audials One von RapidSolution Software wirbt für den „MP3 Finder“ der integrierten Videoraptor-Metasuchmaschine, der Songs zum Herunterladen in über 30 angeschlossenen „Social Music Web 2.0 Internetportalen“ finden soll.
Freilich weisen die Betreiber der Suchmaschinen explizit darauf hin, dass sie selbst keine MP3-Dateien hosten, sondern lediglich auf Songs verlinken. Das Angebot von Tagoo.ru diene zum Beispiel lediglich dazu, sich schnell über neue Musik zu informieren; heruntergeladene Dateien müsse man nach der Wiedergabe löschen, andernfalls verstoße man gegen das Urheberrecht – bei anderen lesen sich die Haftungsausschlussklauseln ähnlich. Ein wenig fühlt man sich an frühere Warez-Seiten erinnert, die sich mit dem Hinweis, dass man die heruntergeladene Software lediglich 24 Stunden testen dürfe und anschließend löschen müsse, rechtlich auf der sicheren Seite wähnten.
Doch wenn selbst eine renommierte Zeitung wie der Daily Telegraph Musiksuchmaschinen wie SkreemR toll findet, verwundert es wenig, dass unbedarfte Nutzer der nur wenige Klicks entfernten kostenlosen Wunschmusik nicht widerstehen können. Manche dürften die Untätigkeit der sonst so abmahn- und klagefreudigen Musikindustrie als Indiz dafür nehmen, dass das Anhören und Herunterladen keinerlei Konsequenzen für sie haben kann. Lediglich gegen das von MP3.com-Gründer Michael Robertson betriebene sideload.com leitete die US-amerkanische Musikindustrie bisher juristische Schritte ein, weil Kunden von Robertsons Musikspeicherdienst MP3tunes.com die gefundenen Songs ohne Umwege in einem Online-Schließfach deponieren können.
Unabhängig davon, ob die Betreiber für die angebotenen Suchergebnisse haften, steht für die etwaigen Nutzer von MP3-Suchmaschinen freilich die Frage nach möglichen rechtlichen Konsequenzen. Die technische Grundvoraussetzung für eine Rechtsverfolgung wäre die Herausgabe der von dem Nutzer verwendeten IP-Adresse durch den Betreiber der Suchmaschine oder der genutzten Download-Angebote. Soweit diese im Ausland liegen, ist dieses Szenario wenig wahrscheinlich. Um nach deutschem Recht überhaupt an solche Daten zu kommen, müsste zudem eine strafbare Handlung vorliegen. Ob allein der Download von rechtswidrig angebotenen Liedern tatsächlich strafbar ist, ist jedoch umstritten und wohl eher zu verneinen.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Download rechtmäßig wäre. Bei der Beurteilung, ob er einen Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz (UrhG) darstellt, dürfte es in erster Linie auf die Gestaltung der Suchmaschine ankommen. Denn nach § 53 UrhG ist eine für die private Nutzung hergestellte Kopie nur dann nicht rechtmäßig, wenn „zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird“.
Um nicht gegen das Urheberrecht zu verstoßen, müsste der Nutzer beim Betrachten der Webseite davon ausgehen können, dass die dort gefundenen Musikdateien rechtmäßig hergestellt und auch mit der Zustimmung der Rechteinhaber angeboten werden. Meist erhält der Suchmaschinennutzer darauf jedoch überhaupt keinen Hinweis. Wenn doch, erwecken die Links zu den MP3-Blogs selten einen rechtmäßigen Eindruck. Lädt sich ein Musikfan die Lieder herunter, begeht er somit in aller Regel eine Urheberrechtsverletzung und könnte theoretisch dafür abgemahnt werden – sofern seine Daten ermittelt werden können.
Aus Nutzersicht rechtlich unproblematisch dĂĽrften Angebote wie SeeqPod und Songza sein, die Daten lediglich als Audio-Stream anbieten. (vza) (vza)