Der Mann, der rot sah. Zum Tode von Gene Amdahl

Gene Amdahl konstruierte bei IBM sehr erfolgreiche Computer, ehe er IBM verließ, um von Kalifornien aus mit IBM zu konkurrieren. Damit war er sehr erfolgreich, musste aber auch bittere Niederlagen kassieren.

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Gene Amdahl

(Bild: Wikimedia Commons, CC-BY-SA 4.0)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Im Alter von 92 Jahren ist Gene Amdahl in einem kalifornischen Altersheim an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben. Amdahl hatte bereits im Physikstudium seinen ersten Computer gebaut und ging direkt zu IBM, wo er am Design des Stretch-Computers, des 701 und 704 arbeitete. Er verließ IBM, nur um kurze Zeit später wieder beim System /360 dabei zu sein, als dessen "Vater" er bezeichnet wurde.

Gene Myron Amdahl wurde am 16. November 1922 als Sohn eines Farmers und einer Lehrerin in Flandreau im US-Bundesstaat South Dakota geboren. Wie Amdahl im Interview erzählte, war South Dakota zu dieser Zeit noch nicht elektrifiziert. Die Schule bestand aus einer einzigen Klasse, sodass der mathematisch interessierte Amdahl Klassen überspringen konnte.

Im Zweiten Weltkrieg arbeitete Amdahl als Radartechniker. 1946 heiratete er Marian Quissell von der Nachbarsfarm. Sie gab ihr Studium auf, um sein Physikstudium zu finanzieren. Mit der Konstruktion des Wisconsin Digital Computers promovierte Amdahl 1952 als Physiker – und bekam prompt das Angebot, bei IBM Computer zu bauen.

Bei IBM arbeitete Gene Amdahl zunächst bei der Entwicklung von Spezialrechnern für die Kryptographie mit, gefolgt vom IBM 701. Beim wichtigen Projekt des IBM 704 war Gene Amdahl bereits Chefarchitekt, ein Posten, mit dem er bei der Entwicklung des IBM 7030 mehrfach mit der IBM-Bürokratie kollidierte.

1955 verließ er die IBM und übesiedelte nach Kalifornien, dem "Traum eines jeden Bauernjungen von South Dakota". Als Amdahl für das Projekt, den perfekten Computer zu bauen, von IBM 1960 wieder an die Ostküste gelockt wurde, versprach er seiner Frau, in fünf oder sechs Monaten zurückzukommen. Es wurden fünf Jahre, ehe es ihm nach der Entwicklung des System /360 gelang, als "Research Fellow" in einem Labor in Kalifornien eigene Ideen zu verfolgen. Im Jahre 1970 verließ Amdahl IBM endgültig und gründete mit der Unterstützung von Fujitsu die Amdahl Corporation.

Amdahl baute sehr erfolgreich IBM-kompatible ("plug compatible") Mainframes, die für einen Bruchteil der bei IBM zu zahlenden Preise angeboten wurden. Möglich machte dies die bei Amdahl immer weiter getriebene Entwicklung der integrierten Schaltungen (LSI). Dank der Kompatibilität konnten Kunden einfach wechseln und Amdahl auf die Konstruktion von Peripheriegeräten verzichten.

Zeitweilig kamen 20 Prozent aller "IBM-artigen Rechner" im knallroten Design von Amdahls Firma. IBM beschuldigte Amdahl des geistigen Diebstahls, doch dieser hatte nur zwei Sekretärinnen in seine neue Firma mitgenommen. Der Erfolg der Amdahl Corporation ist auch dem Antitrust-Verfahren gegen IBM durch die US-Regierung geschuldet, das IBM mit einem Vergleich beenden konnte, den man als Niederlage ansah: Kunden konnten IBM-Software kaufen und auf anderen Systemen einsetzen.

Mit seiner nächsten Firma Trilogy versuchte Gene Amdahl ab 1980, das LSI-Prinzip auf die Wafer-Produktion auszudehnen. Er versprach, dass Mainframes mit seiner "Wafer Scale Integration" aus 20 großen Wafern bestehen könnten und weniger als 4 Millionen Dollar kosteten würden. Sein Startup sammelte 230 Millionen Dollar ein, weil viele bekannte Kunden im Vertrauen auf Amdahl vorbestellten.

Die Investitionen zahlten sich nie aus, denn statt dass Wafer größer wurden, wurden die Schaltkreise dank VLSI dichter und dichter gepackt. Trilogy wurde unter Investoren nur "der Krater" genannt und galt als abschreckendes Beispiel, bis die Dotcom-Blase im Internet platzte und ganz andere Summen verschlang. Am Ende kaufte Trilogy den Konkurrenten Elxi auf und versuchte, DEC-kompatible Vax-Systeme zu bauen zu einem Zeitpunkt, als DEC selbst auf Talfahrt war.

Nach Trilogy gründete Amdahl 1987 Andor International und Commercial Data Servers, heute als Xbridge Systems im Geschäft der Datensicherheit unterwegs. Unter Amdahl wurde dort die Enterprise Server Platform /490 plug-kompatible zu den IBM-Großrechnern der S/390-Serie gebaut.

Ungeachtet dieser nicht sonderlich erfolgreichen Unternehmungen genoss Gene Amdahl ein hohes Ansehen. Seine Fähigkeiten in der Hardware-Entwicklung werden mit denen von Steve Wozniak und Seymour Cray verglichen. Er erhielt zahlreiche Preise, Ehrendoktorwürden und Auszeichnungen.

Nach einer heftig geführten Konferenzdebatte über die künftigen Fähigkeiten von Parallelrechnern im Frühjahr 1967 formulierte Gene Amdahl seine Gedanken zu einem jener Computer-"Gesetze", die Informatiker begeistern können. Das Amdahlsche Gesetz erinnert an den Mann, der sich für den roten Weg entschied. (anw)