BKA-Herbsttagung: Islamistischer Terrorismus als Jugendbewegung?

Auf der Herbsttagung des Bundeskrimnalamtes hat Terrorismusforscher Olivier Roy seine Theorie präsentiert, dass der Terrorismus in Europa eine Bewegung von Jugendlichen ist, die sich nach einer kleinkrimnellen Karriere plötzlich radikalisieren.

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Olivier Roy

Olivier Roy

(Bild: heise online/Detlef Borchers)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Aus wissenschaftlicher Perspektive präsentierte Olivier Roy vom European University Institute im italienischen Fiesole auf der Herbsttagung des BKA Ergebnisse seiner Forschungen in den "gut dokumentierten" Biographien islamistischer Attentäter. Demnach kommen sie aus einer Jugendkultur, die ohne jeden "Reifungsprozess" eine Hinwendung zur Gewalt vollzieht, um in der kleinen "Bruderschaft von Superhelden" für die muslimische Umma Rache zu nehmen. Dieser Mythos des Superhelden werde von Videospielen wie Call of Duty oder Asassins gefördert.

Nach den von Roy untersuchten Biographien wollen islamistische Terroristen sich nach einem sehr typischen Aufwachsen in einer von den Eltern abgesetzten Jugendkultur und einer kriminellen Karriere als "Ritter" der Umma (Gemeinschaft der Gläubigen) reinwaschen. "Es handelt sich eindeutig um eine Jugendbewegung, geprägt von einem generationstypischen Nihilismus", konstatierte Roy.

Er verwies neben den gefährlichen Videospielen auf die wichtige Rolle von Frauen, die ohne Zustimmung der Eltern geheiratet werden. Diese Heiraten sollen den Kampfgeist stärken und den Heldenmythos desjenigen fördern, der eine Familie zurücklässt.

Auffällig sei, wie wenig die IS-Kämpfer mit der örtlichen arabischen Bevölkerung in Kontakt treten und wie viel Wert sie der medialen Außendarstellung beimäßen. Von theologischen Disputen wie dem der Zustimmung zum Kalifat seien sie weit entfernt, sie folgten vielmehr einem "Islam für Dummies". "Es gibt keine theologische Dimension", schlussfolgerte der Experte für Mittelmeerstudien, "es ergibt überhaupt keinen Sinn, muslimische Gemeinschaften aufzufordern, diese Menschen in der Normaliät zu integrieren."

Roy setzte drei Zielvorgaben: Erstens müsse ein umfassendes, ausgefeiltes Informationssystem aller Staaten aufgebaut werden, nicht im Sinne einer polizeilichen Überwachungsdatenbank, sondern um alle kursierenden "Heldenmythen" zu dokumentieren und zu entlarven. Zweitens müsse die "Erfolgsgeschichte" des vermeintlich unbesiegbaren Islamischen Staates "am Boden" beendet werden. Drittens müssten der Islam in Europa endlich als normale, zu Europa gehörende Religion anerkannt werden und die Rede von seiner "Andersartigkeit" aufhören, ebenso Forderungen an Imane, ihre Gemeinschaft auszuspionieren. (anw)