MP3-Tauschbörse Napster im Umbruch

Die Partnerschaft Napsters mit der Bertelsmann E-Commerce Group markiert den Neuanfang als ein an Wertsteigerung orientiertes Unternehmen der New Economy.

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Von
  • Christian Rabanus

Gut drei Wochen nach der spektakulären Ankündigung der Partnerschaft zwischen der Bertelsmann E-Commerce Group (BeCG) und der Internet-Tauschbörse Napster sind die ersten Wellen der Empörung in der Napster-Community wieder abgeebbt. Bislang hat sich Napster auch in keiner Weise geändert, man kann den Dienst weiterhin so nutzen wie vor dem Abschluss des Bündnisses mit der BeCG. Aber die Verunsicherung der Benutzer ist groß, immer wieder kursieren Gerüchte, dass die Nutzung des Dienstes schon in wenigen Tagen kostenpflichtig sein werde.

Dass die Einfühung einer Grundgebühr zur Nutzung des Tausch-Dienstes eine Möglichkeit ist, wie Napster in Zukunft Umsatz erzeugen könnte, ist kein Geheimnis. Allerdings ist zumindest dem großen Partner BeCG momentan nicht bekannt, dass eine solche Gebühr in nächster Zeit eingeführt werden sollte. Man suche derzeit zusammen mit Napster nach einem möglichen Geschäftsmodell, sagte Alexander Adler, Sprecher der BeCG, im Gespräch mit heise online. Es seien aber noch keine Entscheidungen getroffen.

Adler wies darauf hin, dass die strategische Partnerschaft dem Tausch-Dienst völlige Eigenständigkeit im operativen Geschäft gelassen habe. Auf die Art und Weise, wie Napster momentan seinen Betrieb gestalte, habe man keinen Einfluss. Die Rolle der BeCG als Partner des Internet-Unternehmens bestehe vielmehr beispielsweise darin, zusammen mit Napster Gespräche mit Musik-Labels über die laufenden Rechtsstreitigkeiten und mögliche Lizenzvereinbarungen zu führen.

Auch Napster ist bemüht seine Unabhängigkeit von Bertelsmann klarzustellen. Auf einer speziellen, der Vereinbarung zwischen Bertelsmann und Napster gewidmeten Internetseite stellt das Unternehmen klar, dass es weiterhin ein unabhängiges, privates Unternehmen sei. Man habe von Bertelsmann einen Kredit bekommen und dem Konzern die Option eingeräumt, irgendwann ein "paar Anteile" an Napster zu übernehmen. In der nächsten Zeit seien keine Veränderungen zu erwarten. Außerdem werde man seine Benutzer über alle Neuigkeiten auf dem Laufenden halten. Speziell beim Thema Gebühren werde man umfassend informieren und die User zu ihrer Meinung zu möglichen Gebührenmodellen befragen.

Gewisse Veränderungen haben sich in der letzten Zeit allerdings auch schon schleichend ergeben: Noch vor einigen Monaten wäre es undenkbar gewesen, dass sich Napster selbst als normales Unternehmen bezeichnet, das nach Wegen sucht, "Zusatznutzen für die Benutzer" zu erzeugen. Auch eine Kooperation mit Bertelsmann wäre bis vor kurzem noch schwer vorstellbar gewesen.

Dass es nun doch dazu gekommen ist, hat sicherlich viel mit den Rechtsstreitigkeiten zu tun, mit denen die großen Plattenlabels Napster konfrontiert haben. Hohe Prozesskosten und die schwindende Aussicht, vor Gericht gegen die Labels zu gewinnen, dazu eine generell gestiegene Zurückhaltung von Investoren, sich bei Internet-Unternehmen zu engagieren, ließen der Tausch-Börse praktisch keine andere Wahl, als einen Neuanfang in ruhigerem Fahrwasser zu versuchen.

Nach wie vor sei man aber davon überzeugt, nicht gegen geltendes Recht verstoßen zu haben – ob Napster aber diese Auffassung jetzt noch bis zum letzten vor Gericht vertreten wird, scheint fraglich. Vielmehr dürfte Napster schnellstmöglich eine gütliche Einigung à la MP3.com mit den großen Plattenkonzernen suchen. Der Nimbus des Revolutionärs wäre dann freilich gänzlich verflogen – und als eines von vielen kostenpflichtigen Inhaltsangeboten im Internet würde Napster vermutlich schnell wieder aus den Schlagzeilen verschwinden. (chr)