Exklusiv mit Ausnahmen: Bundesnetzagentur will Kompromiss bei DSL-Beschleuniger Vectoring

In einer mit Spannung erwarteten Entscheidung will die Aufsichtsbehörde der Deutschen Telekom prinzipiell Zugriff auf die Hauptverteiler geben. Der Konzern zeigt sich aber enttäuscht und stellt seine Ausbauzusagen in Frage.

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Deutsche Telekom

(Bild: dpa, Rolf Vennenbernd)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Torsten Kleinz

Zehn Monate nach dem umstrittenen Antrag des Bonner Telekommunikationskonzerns zeigt sich die Bundesnetzagentur nun bereit, die Vectoringpläne der Telekom grundsätzlich zu genehmigen. In einem am Montag veröffentlichten Entwurf der Entscheidung strebt die Bundesnetzagentur einen Kompromiss an: Die Telekom soll im Nahbereich der sogenannten Hauptverteiler ihr VDSL-Netz ausbauen und somit Leitungen der Konkurrenz abklemmen können. Die Konkurrenten bekommen aber Gelegenheit, selbst das Nahbereichsnetz auszubauen oder können weiter als Reseller auftreten.

Die Pläne hatten in den vergangenen Monaten zu einem heftigen Schlagabtausch in der deutschen Provider-Branche geführt. Die Telekom-Konkurrenten warnen vor einer Remonopolisierung des Netzes, sollte der ehemalige Staatskonzern exklusiven Zugriff auf die besonders lukrativen Hauptverteiler bekommen. Im Nahbereich der bundesweit 8000 Hauptverteiler befinden sich nämlich 5,9 Millionen Haushalte, die besonders kostengünstig erschlossen werden könnten und gleichzeitig viel Umsatz versprechen. Die Telekom selbst sieht den Antrag als notwendigen Schritt, um – wie von der Bundesregierung gefordert – bis 2018 eine flächendeckende Versorgung mit mindestens 50 MBit/s zu erreichen.

"Unser Vorschlag stellt angesichts der sehr kontroversen Diskussionen über die Einführung der Vectoring-Technik auch in den Nahbereichen einen fairen Kompromiss dar", erklärt Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur. Im wesentlichen entsprächen die vorgeschlagenen Regelungen der ersten Vectoring-Entscheidung aus dem Jahre 2013, als es um den VDSL-Ausbau an Kabelverzweigern ging. So wird den Konkurrenten die Möglichkeit gegeben, die Hauptverteiler an Stelle der Telekom auszubauen. Voraussetzung: Der Konkurrent muss in dem Gebiet bereits flächendeckender VDSL ausgebaut haben als die Telekom. Um den Zuschlag für den VDSL2-Ausbau zu erhalten, muss er sich zudem beeilen: Bis Ende Mai 2016 muss der Provider eine verbindliche Ausbauzusage vorlegen.

Beim VDSL2-Ausbau besteht für Reseller nicht mehr die Möglichkeit, direkt Zugriff auf die so genannte "letzte Meile" zu bekommen. Ihnen soll in Zukunft nur noch ein lokales virtuell entbündeltes Zugangsprodukt (VULA) angeboten werden, über das sie ihre Services anbieten können. Die konkrete Ausgestaltung und der zu zahlende Preis für einen solchen Zugang auf die Telekom-Leitungen ist jedoch auch ein Zankapfel zwischen den Providern. Bei Kupferleitungen müsste sich die Telekom die Tarife nach den vorliegenden Plänen weiterhin von der Bundesnetzagentur genehmigen lassen. Beim Glasfaser-Ausbau hätte sie jedoch freiere Hand: Hier wollen die Regulierer nur bei nachgewiesenem Missbrauch einschreiten.

In einer ersten Reaktion zeigt sich die Deutsche Telekom enttäuscht von der Vorentscheidung: "Der Regulierungsentwurf der Bundesnetzagentur bedeutet, dass die Telekom nicht sämtliche Nahbereiche ausbauen kann", erklärt Konzernsprecher Philipp Blank. "Damit ist nicht mehr sichergestellt, dass die notwendige Mischkalkulation aus rentablen und unwirtschaftlichen Gebieten möglich ist." Zudem seien die Vorschläge zur VULA mit mehr Regulierung und Kostenaufwand verbunden. Damit stellt die Telekom ihre mit dem Antrag verbundenen Investitions- und Ausbauzusagen in Frage.

Die Bundesnetzagentur macht jedoch auch Druck. Die Behörde drängt die Telekom dazu ihre Zusagen für einen beschleunigten Breitbandausbau einseitig verbindlich zu machen, damit sie in der endgültigen Abwägungsentscheidung berücksichtigt werden könne. Sprich: Wenn die Telekom ihre beim Antrag abgegebenen Versprechen zurückzieht, kann die Bundesnetzagentur noch anders entscheiden und der Telekom den Exklusiv-Zugang zu den lukrativen Hauptverzweigern gänzlich verweigern. "Die Bundesnetzagentur wird darauf achten, dass ihre Rolle als unabhängiger Regulierer und neutraler Schiedsrichter nicht in Zweifel gezogen werden kann", erklärt Homann.

[UPDATE, 23.11.2015, 17:35]

Auch die Telekom-Konkurrenten zeigen sich enttäuscht: "Aus unserer Sicht ist der heute vorgestellte Entscheidungsentwurf zu Vectoring im Nahbereich der Hauptverteiler kein fairer Kompromiss", erklärt Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM). Die dort organisierten Telekom-Konkurrenten bemängeln, dass dem ehemaligen Staatskonzern gegen eine unverbindliche Investitionszusage ein unangemessener Vorteil eingeräumt worden sei.

So gälten für die Telekom die Fristen nicht, die nun den Konkurrenten gesetzt werden. "Ganz überwiegend wird mit diesem Entscheidungsentwurf der VDSL-Ausbau im Nahbereich gefördert – entweder durch Telekom oder in wenigen Fällen durch Wettbewerber", sagt Grützner. Da nun die Anträge für die Förderungen durch die Bundesregierung gestellt werden, befürchten die Telekom-Konkurrenten eine für sie schädliche Entwicklung.

Auf diese Weise werde in erster Linie weiter das kupferbasierte Netz und nicht der Glasfaser-Ausbau gefördert, obwohl die Bundesregierung beim IT-Gipfel betont habe, dass der Ausbau von Verbindungen mit 50 MBit pro Sekunde nur ein Zwischenziel sei. Die Bundesnetzagentur wird zu dem nun vorliegenden Entwurf nun bis Mitte Januar 2016 eine Konsultation durchführen und erst dann eine Entscheidung verkünden. (axk)