Pixelpark: Von der Drei-Mann-Firma über den Börsenliebling zum Sanierungsfall

Pixelpark zählte sich lange zu den führenden europäischen Internetdienstleistern; nachdem dem Abgang des New-Economy-Stars Paulus Neef soll der Dot.com-Skeptiker Jürgen Richter die Firma sanieren.

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Von
  • Jürgen Kuri

Die mehrheitlich zum Gütersloher Medienriesen Bertelsmann gehörende Pixelpark AG zählte sich lange zu den führenden europäischen Internetdienstleistern. Das 1991 in Berlin vom bisherigen Alleinvorstand Paulus Neef gegründete Unternehmen gehörte in den Boomjahren des Neuen Marktes auch zu den Top-Börsenlieblingen. Neben dem Pixel für den kleinsten auf dem PC-Monitor darstellbaren Bildpunkt sollte die Silbe "Park" nach Firmenangaben für "eine angenehme, gewachsene Struktur" stehen sowie "Offenheit und Interdisziplinarität" ausdrücken.

Begonnen hatte alles im März 1991 in einem Gartenhaus in Berlin. Paulus Neef und zwei Freunde entwickelten CD-ROMs für Unternehmen. Später kamen Multimedianwendungen sowie Dienstleistungen rund um das Internet und den elektronischen Handel hinzu. 1996 beteiligte sich Bertelsmann als Mehrheitseigentümer an dem aufstrebenden Unternehmen, Neef besaß damals 25 Prozent. Anfang Oktober 1999 ging die Pixelpark AG mit einem Emissionskurs von 15 Euro an die Börse. Im Frühjahr 2000 kletterte die Pixelpark- Aktie auf ihren Höchststand von 185 Euro. Das Unternehmen war damit fast vier Milliarden Euro wert. Mittlerweile kostet die Aktie weniger als 1 Euro. Im Boomjahr 2000 waren bei dem Konzern 967 Mitarbeiter beschäftigt, davon 400 im Ausland. Im ersten Quartal 2001 beschäftigte Pixelpark sogar knapp 1200 Mitarbeiter.

Mit der Börsen- und -Dot.com-Flaute brachen auch bei Pixelpark schwere Zeiten an. 2001 schloss das Unternehmen bei einem Umsatz von 81,3 Millionen Euro mit einem Rekordverlust von 86 Millionen Euro ab. Pixelpark verpasste sich ein straffes Sanierungskonzept. Die Zahl der Mitarbeiter ging zuletzt auf weit weniger als 600 zurück. Inzwischen ist Bertelsmann noch mit 60,3 Prozent beteiligt und Paulus Neef mit 17,7 Prozent. Der Rest befindet sich in Streubesitz.

Nach drastischer Sanierung will Pixelpark nun deutlich kleiner und bescheidener weiter machen. In der Pixelpark-Gruppe sollen künftig nur noch 230 Mitarbeiter beschäftigt sein, davon 100 in Deutschland. Mit einer "flexiblen Kernmannschaft" wird nun auf standardisierte und niedrigpreisige Internet-Angebote für den Mittelstand gesetzt.

Schlusspunkt

Anfang des Monats gab sich Pixelpark-Chef Paulus Neef allerdings noch geradezu trotzig. "Jetzt erst recht", verkündete der Firmengründer und Alleinvorstand des Internet-Dienstleisters. Da hatte Mehrheitsaktionär Bertelsmann schon längst seinen Rückzug angekündigt, Analysten hatten die Aktie aufgegeben und Mitarbeiter zu Hunderten das Unternehmen verlassen. Selbst Aufsichtsratschef Jürgen Richter war zu diesem Zeitpunkt schon weg. So unerwartet der 61-Jährige Ende November abgetreten war, so überraschend löste er nun Neef an der Pixelpark-Spitze ab.

Über die Aufsichtsratssitzung, auf der dies am Mittwoch beschlossen wurde, wussten nicht einmal die Mitarbeiter Bescheid -- bis die Mitteilung kam, dass Neef "mit sofortiger Wirkung" abberufen worden sei. Gründe für die unehrenhafte Entlassung wurden keine genannt. Umso mehr wird spekuliert: In der Branche wird vermutet, dass letztlich ein Geschäft aus dem Jahr 2000 der Auslöser war. Dabei geht es um Vorwürfe, Neef habe für die Pixelpark-Tochter ZLU viel zu viel an den Vater seiner Ex-Freundin bezahlt.

Mit der Kündigung dürfte sich Neef allerdings kaum abfinden. Erwartet wird, dass er vor Gericht zieht. In der Zentrale war "der Paulus" seit Donnerstag jedenfalls nicht mehr zu sprechen. Besucher wurden freundlich abgewiesen. So entstand zumindest an der modernen Rezeption für einen Moment der Eindruck, als sei beim Internetdienstleister alles beim Alten. Aber schon vor Neefs Entlassung erinnerte in dem gestylten Fabrikhaus des ehemaligen Ost-Berliner Lampenherstellers Narva nichts mehr viel an die guten alten Zeiten der New Economy. In dem Klinkerbau mit fünf Etagen stehen etliche Büros leer. Auf den Fluren verlieren sich nicht einmal mehr 100 Mitarbeiter.

Die völlig überdimensionierte Firmenzentrale ist symptomatisch für die Entwicklung des einstigen Vorzeigeunternehmens. Aus einer Drei-Mann-Agentur wurde ein Vorreiter einer Branche. Mehrheitsaktionär Bertelsmann, Banken, Medien und Analysten feierten Pixelpark. Den Wendepunkt markierte dann die gescheiterte Fusion mit den weit größeren schwedischen Internetfirmen Cell Network/Matador im Frühjahr 2000. Da wackelte der Neue Markt bereits, es begann der Absturz der dot.com-Pioniere. Neef setzte dennoch weiter auf Internationalisierung und Expansion. Doch auch andere prominente Projekte wie das mit Ex-Tennisstar Boris Becker gestartete Internet-Portal Sportgate floppten. Schon vor eineinhalb Jahren kam aus der Gütersloher Bertelsmann-Zentrale die Order, auf die Kostenbremse zu treten. Jobabbau und die Schließung von Auslandstöchtern folgten.

Auf der Verkaufsliste von Bertelsmann stand das Unternehmen schon länger. Im Sommer soll das einstige Juwel sogar für einen symbolischen Preis von einem Euro angeboten worden sein. Selbst bis dato völlig unbekannte Firmen nutzten dies zur Werbung in eigener Sache. Art und Weise der Sanierungs- und Verkaufsbemühungen nervten am Ende auch Pixelpark-Aufsichtsratschef Richter, der zudem nicht zu allen Managern in Gütersloh einen guten Draht hatte. Mit dem Abgang Neefs bricht bei Pixelpark endgültig eine neue Ära an. "Pixelpark war sein Baby", sagen Mitarbeiter über die bisherige Schlüsselfigur Neef. Die dürfte Richter, der mit der Dot.com-Glitzerwelt nie etwas anfangen konnte, eher nicht werden. Dafür ist er als Sanierer anerkannt.

Paulus Neef: Vom "Internet-Guru" zum "gefallenen Engel"

Paulus Neef ist einer der letzten einstigen Internet-Stars, die die Bühne verlassen. Dass sich Neef von seinen Aktien trennen will, steht schon länger fest. Es ist gar nicht so lange her, als Neef zusammen mit SAP-Chef Hasso Plattner und Ericsson-Präsident Kurt Hellstrom von einem internationalen Wirtschaftsmagazin zu Europas zehn wichtigsten E-Business-Managern gezählt wurde. Im Februar 2000 war das, als die Börse noch boomte, smarte Internet- und Dot.com-Neumanager der "Old Economy" das Fürchten lehrten und sich mit Siegerlächeln über Wirtschaftsregeln und Warnungen der "alten Garde" hinwegsetzten. Manager wie Pixelpark-Gründer und -Chef Neef, schwärmte damals nicht nur das Magazin, veränderten die Wirtschaft schnell und tiefgreifend.

Schnell ging es in der damals viel gepriesenen "New Economy" in der Tat. Erst hoch hinaus an der Börse mit etlichen Neumillionären- oder gar -Milliardären im Schlepptau. Hohe Verluste waren "in". Mit einer satten "cash-burn-rate" (Geldvernichtung) prahlten manche der CEO, CFO und COO, wie sich die Chefs der hoch gelobten Mini-Firmen weltmännisch gern nannten. Genauso schnell ging es mit den Internet-Gurus aber wieder bergab. Die geplatzte Börsenblase machte aus Buch-Milliardären teils hoch verschuldete Pleitiers, denen zudem die Justiz und enttäuschte Aktionäre auf den Fersen sind. Zu den "gefallenen Engeln" des Neuen Marktes gehört der heute 42-jährige spätestens seit Bekanntgabe des Pixelpark-Rekordverlustes von 86 Millionen Euro im Jahr 2001.

Als Neef vor elf Jahren seine Multimediaagentur Pixelpark in einem Berliner Hinterhof gründete, betrat er Neuland. Weder der Begriff Internet noch das Medium selbst waren bekannt. Bald fiel seine Firma durch flott gestaltete Internetseiten auf, der Aufstieg von Pixelpark und Neef waren rasant. Konzerne der "Old Economy" nutzten Pixelpark bei ersten zaghaften Schritten ins Internet. In den Boomjahren, als der Internet-Gury dann auf jede Party der "New Economy" eingeladen wurde und im Rampenlicht stand, soll Neef einmal Thomas Haffa sein Vorbild genannt und von dem "charismatischen Unternehmer" geschwärmt haben.

Anders als den inzwischen gescheiterten Showleuten des Neuen Marktes wie Haffa oder Peter Kabel lagen dem studierten Medienberater Neef öffentliche Auftritte und PR-Rummel weniger. Er war allerdings eher ein Mann der Visionen und weniger der Betriebswirtschaft. Er träumte von "offenen, harmonischen" Strukturen. Gute Webseiten wollte er gestalten und das weltweit für namhafte Kunden. Mit Mitarbeitern, die sich "Pixel" nannten und "Paulus" duzten im lockeren Start-up-Flair. Eine Dependance nach der anderen wurde eröffnet, das Geschäft breiter und internationaler. Als die Zeiten rauer, Pixelpark-Aktien wertloser und der Spaßfaktor geringer wurden, musste sich Neef als einer der ersten "New-Economy"-Jünger sogar mit bisher verpönten Betriebsräten auseinandersetzen. Nach den Pannen gestand Neef später: "Wir haben Fehler gemacht." Innovative Ideen allein, das habe er gelernt, seien keine Basis für stabile Wirtschaftlichkeit.

Jürgen Richter: ein Skeptiker der New Economy übernimmt Pixelpark

Aus seiner kritischen Haltung gegenüber der New Economy hat der erfahrene Medienmanager Jürgen Richter, der künftig Pixelpark leiten soll, nie einen Hehl gemacht: Als die Internet-Blase platzte und unzählige Dot.coms in den Abgrund gerissen wurden, fühlte er sich mit seinen frühen Warnungen vor zu viel Online-Euphorie bestätigt. Mit seiner Berufung hat Richter seinen Ruf als "Feuerwehrmann" für heikle Aufgaben wieder bestätigt. Anfang Juli war er als Chef der Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer zurückgetreten. Damals zog er die Konsequenzen aus der Entscheidung des mittlerweile abgelösten Bertelsmann-Vorstandschefs Thomas Middelhoff, die profitable Tochter mit etwa 70 Einzelverlagen aus den Bereichen Wissenschaft, Verkehr und Bau zu verkaufen. Richter hatte von der Entscheidung aus der Zeitung erfahren.

Dabei hatte Middelhoff den früheren Vorstandschef des Axel Springer Verlags zu einer Schlüsselfigur für den möglichen Börsengang des Medien-Multis auserkoren. Zusammen mit vier weiteren "Top- Bertelsmännern" sollte Richter den Konzern für den im Haus umstrittenen Börsengang fit machen. Doch Richter gab fast alle seine Ämter bei Bertelsmann auf. Der studierte Betriebswirt gilt als ausgezeichneter Kenner der deutschen Medienlandschaft. Als Geschäftsführer der Konzernholding Medien-Union Ludwigshafen hatte er 1985 den vom Konkurs bedrohten Westermann Verlag gerettet. Als besonderer Fang galt Richters Erwerb der "Freien Presse" in Chemnitz, Ostdeutschlands größter Zeitung. Erstmals kaufte damals ein westdeutscher Verlag ein Blatt aus den neuen Ländern. 1994 wechselte Richter in den Vorstand der Axel Springer Verlags AG, nur zwei Monate später wurde er dessen Vorsitzender.

Ende 1997 verließ Richter den Axel Springer Verlag und wurde Vorsitzender Geschäftsführer der Bertelsmann Fachinformation. Nach dem von ihm betriebenen Erwerb des wissenschaftlichen Springer-Verlags im Oktober 1999 übernahm Richter die daraus entstandene Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer Science & Business Media. Unter dem Motto "Expansion nach Augenmaß" förderte er die Verknüpfung von gedrucktem Text und Online-Informationen. "New Economy wird nur mit Old Economy Erfolg haben", hatte er damals verkündet -- ein Credo, das sich als vorausschauend bestätigen sollte. (André Stahl, Esteban Engel, Christoph Sator, dpa) / (jk)