NSA-Ausschuss: Schweigsamer Chef der BND-Außenstelle Gablingen bringt Abgeordnete zur Weißglut

Die parlamentarischen Prüfer des Spionageskandals bissen sich an Alois Nöbauer, dem Chef der BND-Außenstelle in Gablingen, schier die Zähne aus. Gablingen gilt als große Nummer beim Austausch von Metadaten mit der NSA.

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NSA-Ausschuss: Schweigsamer Chef der BND-Außenstelle Gablingen bringt Abgeordnete zur Weißglut

Antennen der vom BND betriebenen Abhöranlage in Gablingen

(Bild: Chaddy, Lizenz Creative Commons CC BY-SA 3.0)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Alois Nöbauer, Leiter der Außenstelle des Bundesnachrichtendiensts (BND) in Gablingen, hat die Mitglieder des NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags am Mittwoch in Rage gebracht. Da der Techniker sich so gut wie keine Informationen aus der Nase ziehen ließ, kam es während seiner mehrstündigen Zeugenvernehmung immer wieder zu heftigen verbalen Schlagabtauschen zwischen ihm und den Abgeordneten.

Der SPD-Obmann Christian Flisek beklagte: "Wir haben viele schwierige Zeugen gehabt, aber so etwas haben wir noch nicht erlebt." Mit einem "Lächeln auf den Lippen" sage Nöbauer nichts: "Da reagieren wir drauf."

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Der Grüne Konstantin von Notz bezeichnete Gablingen als "größte Datenmühle, die der BND hat". Über den Standort würden sehr viele Informationen ausgetauscht. Bei den Massen an Metadaten, die dort verarbeitet würden, müsse es um das Anzapfen von Internetkabeln gehen. Das Bild, das Nöbauer abgebe, sei "desaströs". Mit ihm schlage die "amateurhafte Organisation" beim BND "brutal hier auf".

Schon bei seiner ersten Befragung im September war der Dienststellenchef mit Parlamentariern aneinandergeraten und verwarnt worden. Dieses Mal ließ ihn der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg (CDU) nach einer eigenmächtig verlängerten Pause sogar mit der Bundestagspolizei zurück in den Saal führen. Nöbauer fühlte sich ungerecht behandelt und beantragte mehrfach, an ihn gestellte Fragen zurückzuweisen. Sensburg gab dem aber nicht statt.

Die von der US-Armee aufgebaute Niederlassung bei Augsburg verfügt über eine große Antenne zur Kurzwellenerfassung. Dies sei ein Medium, über den keine Individualkommunikation wie Telefonie oder E-Mail durchgeführt oder abgehört werden könnte, erläuterte der Zeuge nach längerem Hin und Her.

Kurzwelle sei dagegen etwa gut dafür geeignet, dass ein militärischer Führer auf einfache Weise seine untergegebenen Truppenteile befehlige. Auch in der Schifffahrtskommunikation etwa werde noch heute diese Übertragungstechnik genutzt. Radiosender könne man beispielsweise in Afrika auf etwa hundert Meter genau orten.

Nicht möglich sei es, mit der Antenne Richt- oder Mobilfunk zu erfassen, führte Nöbauer weiter aus. Die im Ausland gewonnenen, nicht näher bezeichneten Informationen einschließlich Metadaten gebe man bearbeitet an die BND-Zentrale nach Pullach weiter. Mit 5-Eyes-Staaten, zu denen Australien, Großbritannien, Neuseeland, Kanada und die USA gehören, arbeite man dabei nicht direkt zusammen.

Ob in Gablingen auch eine "Kabelerfassung" erfolge oder Richtfunk abgehört werde, wollte Nöbauer nur in geheimer Sitzung preisgeben. Von einer großen Backbone-Trasse fürs Internet, die in unmittelbarer Nähe des Standorts verlaufe, sei ihm nichts bekannt.

Nöbauer konnte allerdings nicht ausschließen, dass in Gablingen NSA-Selektoren eingesetzt würden. Es sei möglich, dass die über den BND-Datenverbund aus Pullach gelieferten Suchmerkmale auch US-Vorgaben enthalten könnten. Die "Steuerung" der Selektoren sei auf jeden Fall nach den Snowden-Veröffentlichungen auch an dem Standort geändert worden.

Der zweite vernommene Zeuge J. S., der beim BND von 2006 bis 2010 das Referat T2d leitete und so für die Nachrichtenbearbeitung und teils auch für den Austausch mit auswärtigen Diensten zuständig war, hatte zuvor betont, dass "kein Rohmaterial" von seiner Stelle an die NSA geflossen sei. Dies beziehe sich auch auf Metadaten wie Telefonnummern oder E-Mail-Adressen.

In dem einschlägigen Referat in der BND-Zentrale in Pullach kamen dem Oberst zufolge in vierstelliger Größe "meist Inhaltsdaten" an bis auf einen Bereich, bei dem es sich um ein in Gablingen stehendes Aufklärungsmedium handle. Erkenntnisse daraus seien in formalisierte Meldungen gefasst und in rund dreistelliger Größe an Pullach in ein gesondertes Datenportal übermittelt worden.

Auf dieser Ebene hat laut J. S. ein Austausch mit einigen Diensten der 5-Eyes-Staaten stattgefunden. Es habe dazu auch spezielle Arbeitsplätze gegeben, "wo wir die bilaterale Möglichkeit hatten", über ein getrenntes System speziell zu einem Zielgebiet Informationen einzustellen.

Zudem habe es einen "Überleitungspunkt" am European Technical Center (ETC) der NSA in Wiesbaden gegeben. Dorthin hätten die Nachrichtenbearbeiter Informationen aber nicht automatisch in einem allgemeinem Push-Pull-Verfahren, sondern "aktiv" weitergegeben.

Darüber hinaus seien "Fachgespräche mit nachrichtenbearbeitenden Teilen des Partners" geführt worden. In diesem Rahmen seien einzelne Telekommunikationsmerkmale wie Telefonnummern oder E-Mail-Adressen genannt oder übergeben worden, ein direkter "Selektionsabgleich" sei aber nicht erfolgt.

Die umstrittene "Funktionsträgertheorie", wonach der BND ohne spezielle Anordnung Deutsche abhören darf, die bei internationalen Institutionen oder Firmen tätig sind, kannte der Zeuge. Er konnte sich aber an keinen Fall erinnern, "wo wir entsprechendes Rohmaterial zur Bearbeitung hatten". (jk)