Wahlprogramme unter der Lupe (3): Die Linke.PDS

Die Linke.PDS spricht sich in ihrem Wahlprogramm für eine neue soziale Idee aus, will Deutschland kollektiv den Kriegsdienst verweigern lassen und den Big-Brother-Staat verhindern.

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Von
  • Jürgen Kuri

Die Linke.PDS spricht sich in ihrem erst am gestrigen Samstag offiziell auf dem Parteitag in Berlin verabschiedeten Wahlprogramm für eine neue soziale Idee aus, die gegen das große Kartell der sozialen Kälte aller übrigen Parteien gestellt wird. Öffentliche Investitionen im großen Stil sollen Arbeitsplätze im großen Stil mit sich bringen, besonders dort, wo sie für die Privatwirtschaft nicht rentabel sind. Unsere Checkliste bezieht sich auf den vom Parteivorstand beschlossenen Programmentwurf vom 16. Juli, der sich grundsätzlich nur durch ein anderes Layout von der Endversion abhebt.

Forschung und Spitzentechnologieförderung

Bedingt durch den Strukturwandel zur Informations- und Wissensgesellschaft stellt die Linkspartei Bildung und Forschung in den Mittelpunkt ihres Programms, legt den Schwerpunkt aber auf die Bildung. Sechs Prozent des Bruttoinlandproduktes soll für die hochwertige Bildung für alle aufgewendet werden (S. 15), ein Rechtsanspruch auf lebensbegleitendes Lernen soll die Bildung absichern. Wie die CDU setzt Die Linke.PDS auf eine Clusterpolitik, bei der regionale Wissensnetze zwischen Existenzgründern und Universitäten aufgebaut werden sollen (S. 12). Insbesondere ist eine verstärkte Ostdeutschlandförderung vorgesehen, in deren Rahmen die Forschung und Entwicklung von wissensbasierten Produkten im Vordergrund steht (S. 17). Bei der Forschung wird die Patentierung von Lebewesen und Genen grundsätzlich abgelehnt (S. 13). Die Linkspartei setzt sich klar gegen Studiengebühren ein und will einen "sozial gleichen Zugang zum Hochschulstudium -- unabhängig von der sozialen Herkunft -- gewährleisten" (S. 14). Eine Bildung für alle kann nach Ansicht der Linken "nur in Verantwortung des Staates und bei ausreichender Förderung durch die öffentliche Hand gewährleistet werden." Deshalb wenden sie sich gegen Privatisierungen im Bildungswesen. Bildung und Kultur sehen sie als "wesentliche Voraussetzungen für Schöpfertum und Erneuerungskraft einer modernen, leistungsfähigen Gesellschaft." (S. 15). Zudem sollen die Fördermöglichkeiten für Forschung und Entwicklung in kleinen und mittelständischen Unternehmen verbessert und diesen der Zugang zu Fördermitteln erleichtert" werden (S. 18).

Verbraucherschutz

Eine konkrete Stellungnahme zum Verbraucher- und Datenschutz findet sich nicht im Wahlprogramm der vereinten Linken. Allerdings haben sich Fachpolitiker der PDS wie die Innenexpertin Petra Pau wiederholt insbesondere gegen Tendenzen zur Errichtung eines Big-Brother-Staates ausgesprochen. Pau hat sich etwa gegen die Ausweitung der LKW-Maut auf weitere Hauptverkehrsstraßen neben den Autobahnen mit dem Argument ausgesprochen, dass "damit zugleich auch das technische Überwachungspotenzial des deutschen Mautsystems ausgebaut" würde. Zunehmend könnten flächendeckend Bewegungsprofile erstellt werden, fürchtet die PDS-Politikerin. Und was zunächst nur auf LKW zutreffe, "kann morgen schon für alle gelten." Auch gegen das "Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit", das Finanzämtern Zugriff auf die Kontostammdaten der Bürger gestattet, machte Pau mobil. Es handle sich dabei um ein nicht mit der Verfassung zu vereinbarendes "weiteres Modul" zum "Gläsernen Bürger". Zu dem System würden zudem auch Überwachungen "der Telekommunikation, des Wohnraums, der Finanzbewegungen, der Sozialbeziehungen, der Verkehrsströme und vieles andere mehr" gehören. Pau hat sich ferner wiederholt von präventiven Befugnisse für die Polizei distanziert. Rot-Grün wirft sie vor, den "Datenschutz abgebaut und die Befugnisse der Geheimdienste ausgebaut" zu haben. Handelsbedarf sieht die PDS seit über einem Jahr zudem bei RFID-Chips, die nicht "flächendeckend" zum Einsatz kommen dürften. Sollte dies nicht zu verhindern sein, müsste zumindest der Datenschutz bei den Funkchips gesetzlich verankert werden.

Geistiges Eigentum

Das Wahlprogramm der Linkspartei geht nicht auf Themen rund um Urheber-, Patent- oder Markenrecht ein. Auch allgemein hat die Partei diesen in der digitalen Welt besonders umstrittenen Bereich noch kaum für die eigene Profilierung entdeckt. Der Zwickauer Jugendverband der Partei beklagte anlässlich der umstrittenen Rats-Verabschiedung der EU-Richtlinie zur "Durchsetzung" geistiger Eigentumsrechte einen "Frontalangriff auf Grund- und Freiheitsrechte". Er forderte zugleich auch im digitalen Bereich "das Recht auf Privatkopie zu bewahren". In einem Fragebogen von attac zur Europawahl 2004 sprachen sich Vertreter der PDS ferner gegen einen flächendeckenden Einsicht von Systemen zum Digital Rights Management (DRM) aus, da "sonst digitaler Content nur noch unter der Preisgabe personenbezogener Daten zu erhalten" sei und "nur noch auf die einmalige Nutzung von Dateien ohne die Möglichkeit einer privaten Kopie" abgestellt werde. Die PDS machte sich damals auch gegen einen "Auskunftsanspruch zur Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche" stark. Softwarepatente lehnte sie ab, da diese vor allem kleinen und mittleren Unternehmen Hindernisse in den Weg legen würden. Open Access als alternatives elektronisches Modell für Wissenschaftspublikationen begrüßte die PDS genauso wie den stärkeren Einsatz freier Software.

Innere Sicherheit

Die Linke.PDS spricht sich gegen die Aufhebung des Trennungsverbotes von Polizei und Geheimdiensten aus, wie sie mit gemeinsam genutzten Indexverzeichnissen oder umfassenderen Datenbanken eingeleitet würde. Ähnlich wie die Grünen und die FDP hat sie die Bürgerrechte für sich entdeckt. Konkret soll etwa der Große Lauschangriff ersatzlos gestrichen werden. Allgemein wenden sich die Linken gegen eine Politik, die öffentliche Sicherheit durch immer neue, spektakuläre Gesetze herstellen will, nicht aber für die effektive Anwendung bestehender Gesetze sorgt." Die so genannten Anti-Terror-Gesetze lehnt sie ab, weil sie "Freiheitsrechte beschnitten" haben. Statt zu mehr Sicherheit zu führen, haben sie nach Ansicht der Linkspartei "Ressentiments gegen ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger geschürt" (S. 21). Die PDS-Bundestagsabgeordnete Pau hat sich zudem klar gegen die Brüsseler Pläne zur Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten ausgesprochen: Sie hält das Vorhaben zur pauschalen Beschattung der 450 Millionen EU-Bürger für "gesetzeswidrig". Eine Überwachungshysterie sei abzulehnen.

Medien und Internet

Die Telekommunikation wird als zentraler Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge definiert (S. 13). Konkretere Vorgaben zur Medien- und Netzpolitik finden sich nicht im Wahlprogramm und auch sonst haben PDS-Politiker dazu bislang kaum Stellung genommen. Die PDS-Jugend Zwickau forderte zumindest 2004 schon einmal, dass "die Möglichkeiten des Internet, einen breiten und offenen Zugang zu Informationen zu gewährleisten und technischen Fortschritt zu forcieren, ausgenutzt werden müssen". Generell betrachtet man bei der Linkspartei Zensurbestrebungen im Internetbereich zudem mit Skepsis.

Sonstiges

Die Linke.PDS "will weg von der Zuschauerdemokratie hin zu einer Kultur der Beteiligung und des Dialogs" und setzt sich daher für mehr direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung etwa in Form von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden auf Bundesebene ein. "Über die Änderung der Verträge zur Europäischen Union und insbesondere über den Verfassungsvertrag für die Europäische Union soll auch in Deutschland das Volk direkt entscheiden", heißt es im Wahlprogramm. Eine Umstellung fordert die Linkspartei zudem im Berliner Lobbybetrieb: Sie wendet sich "gegen den Bedeutungsverlust der Parlamente gegenüber Regierungen und ihren Apparaten. Der Bundestag muss nicht nur frühzeitiger über die Entscheidungsvorbereitung informiert, sondern auch in sie einbezogen werden. Die parlamentarische Öffentlichkeitsarbeit ist zu qualifizieren, Positionen von Gewerkschaften, Sozial-, Umwelt-, Verbraucher-, Mieterverbänden und demokratischen Bewegungen müssen frühzeitig gehört werden" (S. 20). Die PDS-Innenexpertin Pau machte sich in den Beratungen zum Informationsfreiheitsgesetz zudem für eine Trendwende in der Verwaltung stark und forderte "gläserne Rathäuser" statt dem gläsernen Bürger. Es dürfe nicht sein, dass sich der Staat weiterhin bedeckt halte, während er seine Mitglieder immer nackter mache. Sie beklagte, dass Rot-Grün dem Gesetz zur Akteneinsicht einen weiten Ausnahmekatalog anfügte.

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(Detlef Borchers) / (Stefan Krempl) / (jk)