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Was war. Was wird. Durch dick und dünn, durch Not und Tod.

"'s ist Krieg! 's ist Krieg! 's ist leider Krieg - und ich begehre nicht schuld daran zu sein!", zitiert Hal Faber, der die IT-Krieger schon losziehen sieht, aller Hacker-Ethik entledigt.

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Was war. Was wird. Durch dick und dünn, durch Not und Tod.
Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Hurra, wir fliegen in den Krieg! In Syrien verteidigen wir unsere Sicherheit, schreibt CDU-Mann Norbert Röttgen als "fremde Feder" in der Zeitung für kluge Köpfe. Seine christliche Parteigenossin Ursula von der Leyen übernimmt als deutsche Verteidigungsministerin im Interview die Daesh-Terminologie von der "Kreuzfahrernation". Auf die muntere Kreuzfahrt gehen ein paar Aufklärungsflugzeuge mit digitaler Bildtechnik aus Israel und eine Fregatte zum Geleitschutz eines Flugzeugträgers und ein paar Kampfretter für unsere Piloten nach einem Aufflugunfall. Hurra, hurra, wir fliegen, auch wenn niemand weiß, was man sich morgen in London, Paris oder Berlin überlegt. Wie war das nochmal in Afghanistan: "Das ist ein Scheißkrieg, für den wir uns opfern und niemand weiß, was eigentlich hier los ist."

*** Das Ganze ist ja "nur" ein kleiner Einsatz, nur als Geste der Solidarität gedacht, da darf man schon nach der Symbolik hinter dieser Geste fragen. Denn da sind wir flugs in unserem Element, der IT mit all ihren Schattenseiten, düsteren Ecken und 0Days. Alle großen Tageszeitungen haben in dieser Woche so etwas wie Vorberichte vom großen Cyberkampf gegen den Deash gebracht, vom Löschen, Sperren und Hacken, hübsch ausgemalt mit Anonymous-Masken mächtiger Hacker. Besonders apart die Idee der Süddeutschen Zeitung, einen schwerst bewaffneten Trupp Cyberkrieger mit diesen Masken abzubilden und den digitalen Raum zum "Kriegsgebiet" zu erklären, in dem ein "gnadenloses Wettrüsten" stattfindet. Die Kriegswaffen "Handy, Computer und Server" ziehen in der "Allianz zwischen Staat und Hackern" aufs Schlachtfeld, wo es der kriegerischen Logik nach bald Tote geben wird beim gegenseitigen Cyberschießen auf die "Infrastruktur".

*** Wir schreiten Seit an Seit mit unserem europäischen Digitalkommissar, wenn er erklärt, dass nun nicht mehr mit Bombengürteln angegriffen wird, sondern es mit Perl und PHP gegen sensible Bereiche der Infrastruktur geht, gegen Wasserversorgung, Stromnetz und Flugsicherung. Dabei kennt Günther Oettinger keine Informatiker und Hacker und Datenschützer mehr, keine Parteien, sondern nur noch Deutsche! Ja, jetzt ist es an der Zeit, geschlossen da zu stehen und das Grundmisstrauen gegenüber Geheimdiensten schnellstens in Vertrauen umzutauschen. Sind sie nicht ungemein effektiv, diese Heuhaufen-Anhäufer. Alle! Deutsche! Vertrauen! Schön soll er werden, unser Cyberburgfrieden. Im nächsten Schritt, wenn dieses Ur-Vertrauen in BND, MAD und Verfassungsschutz da ist, wenn wir die Schnüffler mielkisch lieben, können wir ihnen natürlich erlauben, die Gesetze zu ignorieren. Und als Medaille gibt es das Eiserne Schweigen am Bande, selbst für diejenigen, die für Netzneutralität kämpfen und damit laut Oettinger ja eine taliban-ähnliche Orientierung besitzen.

*** Vor allem aber muss Schluss sein mit dem verschlüsselten Informationsaustausch der Terroristen Ja, mit solchen Worten kann man fein kämpfen und mordsmäßig Karma sammeln und die Sicherheitslage von Brüssel mit der von Bayreuth vergleichen. Fakten stören da nur. Mehrere Wochen sind ins Land gegangen, seitdem der belgische Innenminister Johan Jambon noch vor den Anschlägen in Paris erklärte, dass es für Geheimdienste schwierig sei, die Terroristen-Kommunikation mit Playstations 4 im Playstation Network zu entschlüsseln. Doch noch immer geistert das Gerede des Informatikers und ehemaligen IBM-Managers durch den Raum, ordentlich dramatisiert als Terror auf Playstation 4. Kein Wunder, dass selbst redliche Figuren wie Peter Schaar auf den Unsinn reinfallen und fabulieren, dass man Nachrichten mit dem Joystick in Gebäudewände schießmeißeln kann.

*** Bevor das Grauen uns überspült, ein Restfunken Hoffnung. Inmitten all der hektischen Kriegsvorbereitungen und der moralischen Aufrüstungsappelle an Hacker und Informatiker klingt die Forderung nach Cyberpeace wie ein Märchen vom anderen Stern. Ein Internet, das dem Frieden dient, wer hat sich so etwas Komisches ausgedacht? War es nicht von Anfang an eine Kriegswaffe mit dieser Ausfallsicherheit im Fall eines Atomkrieges? Soll all das schöne Herumhacken fürs Vaterland in den kritisischen Infrastrukturen des Gegners tatsächlich mit einer Genfer Konvention für den Cyberspace untersagt werden? Müssen Informatiker und Programmierer nicht vielmehr das machen, was wirklich zaehlt und in den virtuellen Tarnfleck steigen? Viele Fragen, schwere Fragen, auch wenn es coole Antworten gibt. Vielleicht sollte man mit der ganz einfachen Frage beginnen, ob es deutsche Familien gibt, in denen nicht das Leiden am Krieg präsent ist bis zum heutigen Tag. Angefangen bei den Fluchterlebnissen der Eltern bis zu den merkwürdig erscheindenden Ritualen wie dem Verstellen der Sender vor dem Ausschalten von TV und Radio kommt da sicher viel zu Tage.

*** Da bleibt nicht mehr viel, als Gedichte zu zitieren.

's ist Krieg! 's ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
Und rede du darein!
's ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!

Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blaß,
Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
Und vor mir weinten, was?

Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten, und mir fluchten
In ihrer Todesnot?

Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich?

Wenn Hunger, böse Seuch' und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammelten, und mir zu Ehren krähten
Von einer Leich herab?

Was hülf mir Kron' und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
's ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!

Ja. Wenn dann der Krieg in vollem Gange ist, da wälzen sich auch Demokratie und Rechtsstaat halbt tot im Staub, und da ist von Hackerethik und dem offenen Netz, das heute noch wir alle sind, nicht mehr die Rede. Nur das Grauen, das Grauen, das bleibt.

*** Wenn diese kleine Wochenschau in den unendlichen Weiten des friedliebenden Internets erscheint, bricht in den USA ein Tag an, an dem gejubelt werden kann. Es ist der Tag von Edward Snowden, denn morgen endet erst einmal die anlasslose Telefonüberwachung durch die NSA, die dank Snowden an das Tageslicht kam. Zwar kann die NSA weiterhin schnorcheln und besitzt nach wie vor weit reichende Möglichkeiten, braucht aber für jeden inneramerikanischen Einzelfall einen richterlichen Beschluss, ehe sie die Telefone von Terrorverdächtigen überwachen kann. Außerdem werden die bislang auf Vorrat gespeicherten Daten ein wenig länger erhalten bleiben, zur Sicherheit. Bis Snowdens Veröffentlichung war die Sache 14 Jahre lang geheim. Was lernen wir daraus? Die USA schafft es, ihre Gesetze zu verändern. In Deutschland werden Snowdens Dokumente zur Kenntnis genommen, doch Konsequenzen bleiben aus.

Was wird.

Nach 20 Gipfeln soll es diesmal richtig krachen und ein rechtlich bindender Vertrag zustande kommen. Wenn am Montag in Paris das Pokern und Feilschen um diesen Weltklimavertrag beginnt, herrscht dort der Ausnahmezustand, was eine praktische Sache ist. Bekannte französische Klimaktivisten haben Hausarrest bekommen und sind damit so etwas wie Klimaterroristen. Auch der Zugterrorismus dürfte schnell und entschlossen geräumt werden. Mit dabei bei der Sicherung des 2-Grad-Ziels ist Bill Gates, der zwei Milliarden Dollar in Clean Energy stecken will. Sinnvoller wäre eine Steuer auf jede Ressource, die das Klima schädigt, angefangen bei den Plastiktüten und den vielen Disketten und CD-ROMs mit Microsoft-Software.

Wie praktisch ist es doch, dass es da dieses friedliebende Internet gibt, in dem Daten aus klimaneutralen Rechenzentren abgerufen werden, etwa in Island. Es ist unser Internet und es ist wieder einmal an der Zeit, so pathetisch zu werden wie damals, als der aus der Zukunft zurückkehrende Perry Barlow die Regierungen der alten, abgewrackten Welt ermahnte, die Pfoten vom Internet zu lassen. "Wer sich zugehörig zu einem offenen, dezentralen, von Selbstbestimmung geprägten Netz fühlt, ist Teil dieses Wir." Wir sollten uns gegen den Krieg im Cyberspace und für das nachhaltige Vernetzen entscheiden, gegen Terror-Hysterie und gegen Dienste, die in sich geschlossen sind als Gated Communities. Ein Vorhaben, das sinnigerweise im Internet nicht mit Kurzzitaten der Hacker-Ethik enden muss, sondern mit dem "Original". Wie war das noch mit dem Transparenz schaffen ohne Waffen? Ihr Internet oder unser Netz, überall. (jk)