"Recht auf Vergessen": DIVSI schlägt Regeln für Löschungen vor

Suchmaschinen müssen unter bestimmten Umständen Links auf Online-Inhalte entfernen. Der EuGH macht aber keine Vorgaben, wie das vonstatten gehen soll. Ein "Digitaler Kodex" des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet soll helfen.

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"Recht auf Vergessen": DIVSI schlägt Regeln für Löschungen vor

(Bild: DIVSI)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
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Das von der Post AG gegründete Deutsche Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) hat einen "Digitalen Kodex zum Recht auf Vergessen" vorgelegt, den das Berliner Think Tank iRights.Lab in dessen Auftrag erarbeitet hat. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshof in Sachen Google u.a. gegen Gonzáles u.a. müssen Suchmaschinen unter bestimmten Umständen Links auf Online-Inhalte entfernen. In Deutschland wurden bereits Hunderttausende Links gelöscht. Wie gelöscht werden soll, hat der Gerichtshof allerdings nicht vorgegeben.

Hier greift der Kodex des DIVSI. Es enthält Verfahrensregeln für Suchmaschinen und beachtet dabei Mindeststandards für Löschverfahren und Abwägungskriterien. Dazu gehört die Frage, ob der Antragsteller eine natürliche oder juristische Person ist. Eine Löschpflicht bestehe nur bei natürlichen Personen. Außerdem müsse die Rolle des Antragstellers in der Öffentlichkeit berücksichtigt werden. So müsse Anträgen von Privatpersonen generell stattgegeben werden. Außerdem müsse der Suchmaschinen-Betreiber berücksichtigen, wie sensibel die Information für den Antragsteller ist.

"Recht auf Vergessen": Das EuGH-Urteil gegen Google

Der Europäische Gerichthshof hat im Mai 2014 entschieden, dass Suchmaschinenbetreiber Verweise auf Webseiten mit sensiblen persönlichen Daten auf Verlangen aus ihren Ergebnislisten streichen müssen. Allerdings müssen die Artikel, Dokumente oder Seiten mit den inkriminierten Informationen keineswegs aus dem Netz verschwinden, die Informationen bleiben im Netz erhalten. Die Meinungen über das Urtell sind gespalten.

Überdies ergeben sich nach Auffassung des DIVSI aus der Art der Quelle und Rückverweise der Umfang des öffentlichen Interesses. Presseerzeugnisse oder viele Backlinks etwa sprächen für ein öffentliches Interesse und damit gegen die Löschung. Je älter eine Information ist, desto mehr spricht dafür, dass sie nicht mehr relevant ist. Schließlich sollten gesetzliche Veröffentlichungspflichten für bestimmte Informationen berücksichtigt werden. Ein Beispiel dafür ist, dass Abgeordnete zur Offenlegung ihrer Einkommensverhältnisse verpflichtet sein können.

Außerdem enthält der Lösch-Kodex Empfehlungen für außergerichtliche Streitbeilegungsstellen, an die sich Betroffene wenden können. Derzeit übernehmen diese Rolle die Landesdatenschutzbeauftragten, die jeweils für die Suchmaschinen-Anbieter zuständig sind. Für Google ist dies der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar. Der Münsteraner Jura-Professor Thomas Hoeren kritisiert allerdings, dass die Kontrolle der Informationsfreiheit in Deutschland "überhaupt nicht funktioniert", da sie in der Hand der Datenschutzbeauftragten liegt, was "verfassungsrechtlich hochproblematisch" sei. Hoeren ist überzeugt: "Gleichzeitig Datenschutz und Informationsfreiheit kann niemand."

DIVSI schlägt deshalb vor, in den EU-Mitgliedstaaten außergerichtliche, staatlich finanzierte sowie gesetzlich abgesicherte Schiedsstelle einzurichten, deren Kodex aber von privaten Akteuren ausgehandelt wurde. Besetzt werden sollten die Schiedsstellen mit den wichtigsten Akteuren, insbesondere Vertretern von Verlagen und Journalisten, Datenschutzbehörden sowie der Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Außerdem sollen die Schiedsstellen jährlich über die Anzahl und Art der Fälle und Entscheidungen sowie Dauer der Verfahren berichten. Für die Verfahren sollen keine oder nur geringe Gebühren erhoben werden.

An dem "Lösch-Kodex" haben sich unter anderem die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar beteiligt. Caspar wurde vom DIVSI nicht involviert. Seine Behörde bearbeitet mit einer Personalstärke von 1,2 Vollzeitäquivalenten die Bürgereingaben, die sich wegen abgelehnter Löschanträge bei der Google-Suche an ihn wenden. Ihm liegen mittlerweile 400 Anträge vor, wobei er 150 mangels Kapazitäten noch nicht abarbeiten konnte. Andere Datenschutzbehörden sind, was die Bearbeitung von Informationsfreiheits-Beschwerden anbelangt, nicht besser aufgestellt. (anw)