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Was war. Was wird. Vom Ankern im Schlamm und Verrücktwerden vor Langweile

In der taz stehen Statements zum Krieg gegen den Terror von heute und von gestern, von Regierung und Opposition einander gegenüber. Hal Faber hingegen ringt darum, das K-Wort erst gar nicht zu bemühen, und gerät so in illustre Gesellschaft.

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Was war. Was wird. Vom Ankern im Schlamm und dem Verrücktwerden vor Langweile
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war

*** Ja, da hat der Säzzer der taz zugeschlagen und die Nachricht über den deutschen Aufklärungsbeitrag gekonnt mit Passagen aus alten Zeiten kombiniert, als Bundeskanzler Gerhard Schröder erklärte, dass man nicht allein auf militärische Maßnahmen im Krieg gegen den Terror setze. Hoppsa, sagte ich Krieg? Ganz falsch. Was da um Syrien herum passiert, ist ein militärischer Prozess mit einem deutschen Beitrag oder eine gemeinsame, abgestimmte Aktion. Vorbildlich ist da die aktuelle Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in ihrem aktuellen Video-Podcast mit einem migrantischen Bundeswehr-Teilnehmer (Soldat wäre zu hart) spricht, ohne ein einziges Mal vom Krieg zu reden. In der kommenden Woche besucht Merkel die Teilnehmer vom Kommando Schnelle Einsatzkräfte Sanitätsdienst, die in Aktion treten, bevor es in den Wald der Erinnerung geht.

*** Die Bundeswehr ist an vielen Fronten und auf vielen Wassern aktiv. Richtig spannend wird es an der Heimatfront, wenn Mitte Dezember die Wundertüten-Software SASPF heruntergefahren wird und für drei Wochen stillsteht. Grund ist ein anstehendes Update, von dem niemand weiß, ob es erfolgreich aufgespielt werden kann. Das ist insofern misslich, da die Teilnehmer der Bundeswehr das Zustandsmanagement ihrer Flugzeuge, Panzer und Schiffe über SASPF abwickeln. So können die Aufklärungstornados erst im Januar nach der "mörderischen Terrorbande" gucken, wie Verteidigungsministerin von der Leyen den Daesh genannt hat. Geschickt eingefädelt, dieses Software-Intermezzo über Weihnachten, wenn alles unter dem Baume feiert. Immerhin: Das heftige Blitzlichtgewitter haben die Flugzeuge bravourös überstanden, und Fotos von Windows im Tarnfleck gab es auch noch.

*** Auch in dieser Woche hat der NSA-Untersuchungsausschuss für erfrischende Schlagzeilen gesorgt, besonders mit der Erkenntnis, dass Mathematiker das Gras wachsen hören können. Wobei mit Gras die Selektorenlisten vom BND und der NSA gemeint sind, um die seit Wochen gestritten wird. Jetzt will sogar die G10-Kommission des Bundestages mit ihrer Klage auf Einsicht in die Spezialität des BND vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Unterdessen sind Details aus dem Inneren der Superbehörde bekannt geworden, in der sich Mitarbeiter dermaßen langweilten, dass sie für andere Dienste spionieren. Drei mal täglich kontrollierte Markus R. die eingehende E-Mail beim BND, ein Vorgang der 10 Minuten dauerte. Er speicherte interessante Fundstücke für seine amerikanischen Freunde auf einem USB-Stick ab und drehte ansonsten Däumchen und wurde "verrückt vor Langweile". Auf seinem Computer fand man sein Abschiedsschreiben, adressiert an Gerhard Schindler.

"Sehr geehrter Herr Präsident, nach einigen verschwendeten Jahren im Dienst ist es endlich geschafft. Ich habe meine Zeit überstanden und werde demnächst wieder in das echte Arbeitsleben integriert. Würde ich all die negativen Dinge aufzählen, die es in dieser Anstalt gibt, ich würde nicht fertig werden. Jedem, der mich fragt und sich in dieser Behörde bewerben will, werde ich abraten. Hier verlernt man das Arbeiten. Sie haben echt ein schweres Los, von so etwas Präsident zu sein."

*** Dabei muss irgendjemand beim BND aus seinem Büroschlaf aufgewacht sein und im allwissenden Heise-Forum gelesen haben. Die Warnung vor Saudi-Arabien wurde vom "BND-Kunden" des Auswärtigen Amtes prompt dementiert. So eine Kritik an einem Verbündeten ist unpassend, wo dieser bekanntlich ein Stabilitätsanker ist. Doch im Schlamm Ankern geht selten gut. Bleibt nur noch die Frage übrig, ob die Warnung vor Saudi-Arabien auch in Comic Sans ausgedruckt wurde.

*** Nach einer mir nicht bekannten Logik kann das Terror-Risiko nicht mehr wachsen. Schließlich haben die Geheimdienste alles im Griff, außerdem ist das Schengen Informationssystem SIS gut gefüllt. Dennoch kann es ganz hilfreich sein, wenn sich Europol und Internetfirmen zusammensetzen und über den Kampf gegen den Terror beraten. Mit von der Partie beim ersten "Dialog-Forum" unter Ausschluss der Öffentlichkeit waren Vertreter von Ask.fm, Facebook, Google, Microsoft und Twitter. Was beraten wurde, ist geheim, doch sprach man auch über Hintertüren in Software-Programmen, um verschlüsselte Kommunikation mitlesen zu können. Die Hartnäckigkeit dieses Themas zeigt, dass es neben dem Krieg gegen den Terror weiterhin den Krieg gegen die Mathematik gibt.

Roboter im geteilten Deutschland: im Westen pfui, im Osten hui.

*** Wenn diese Wochenschau online geht, ist der 125. Geburtstag von Fritz Lang vorüber. Mit den 1000 Augen des Dr. Mabuse drehte Lang einer der ersten Filme vom Leben unter einem allgegenwärtigen Überwachungsapparat, der von Nazis gesteuert wird. Die Idee des Überwachungsapparates hatte Jan Fethke 1931 in einem futuristischen Kriminalroman ausgearbeitet, der vor den Nationalsozialisten warnen sollte. Fethke war vor dem Zweiten Weltkrieg ein Regieassistent bei Fritz Lang gewesen und hatte die Drehbücher zu Mutter Krausens Fahrt ins Glück, Jenseits der Straße und später zur Lem-Verfilmung Der schweigende Stern mit verfasst. Im Drehbuchteil von Fethke findet sich die Geschichte von einem Roboter namens "Omega", dem eine Seele eingebaut wird — für einen Propaganda-Film der DDR gegen den Atomkrieg ein ungewöhnliches Thema. Das führt uns wieder in die Gegenwart: in den USA ist Joseph Engelberger gestorben, der "Vater der Roboter" im Automobilbau. Engelbergers Erfindungen wurden stark von den Robotergesetzen geprägt, die Isaac Asimov in einer Kurzgeschichte niederschrieb. Zeit seines Lebens weigerte er sich, Robotern menschliche Eigenschaften zuzuschreiben.

Was wird

Glückliches Saarland, glückliches Hamburg! In diesen Bundesländern ist der Besuch des 32C3-Kongresses als Bildungsurlaub anerkannt worden, wie dies seit vielen Jahren bereits für deutsche Geheimdienstmitarbeiter gilt. Mit der Veröffentlichung des Halfnarps wird klar, was Bildung heute ist. Neben der obligaten Sicherheitsschulung und ein bisserl Robotik dürfte die Failosophy über das "G'scheitern" und Wiederaufstehen von Projekten der wichtigste Fortschritt beim CCC sein, der sich selbst sehr gerne unfehlbar gibt. Hat man nicht alles korrekt erkannt, vom krebsenden, immer noch sehr "neuen" Personalausweis bis zum Sicherheits-Irrtum der elektronischen Gesundheitskarte? "Aber das wichtigste wäre die offene Rede gewesen, gegen das Schweigen", heißt es im Buch vom "Scheitern der Arbeiterbewegung" des Ruhrgebiets-Historikers Erhard Lucas. Gescheiterte Projekte gibt es zur Genüge, die der Debatte bedürfen. Snowden sitzt in Russland fest, Wikileaks hat abgewirtschaftet und wer die Liste der Düsternis zum dunklen Jahresende verlängern will, kann das ja in den Kommentaren tun. (ps)