Störerhaftung: EuGH mischt in Freifunker-Verfahren mit

Ein Münchner Freifunker wehrt sich dagegen, für eine über sein offenes WLAN begangene Rechtsverletzung verantwortlich gemacht zu werden. Der Fall mit Tragweite beschäftigt auch den Europäischen Gerichtshof.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 318 Kommentare lesen
Kostenloses WLAN

(Bild: dpa, Martin Schutt)

Lesezeit: 3 Min.
Inhaltsverzeichnis

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg beschäftigt sich mit der Haftungsfrage für Betreiber öffentlicher Funknetze (Az. C-484/14). Anlass ist ein Verfahren vor dem Münchner Landgericht, in dem sich Freifunker und Pirat Tobias McFadden gegen Ansprüche von Sony Music wehrt. Die Musikfirma fordert 800 Euro von dem Veranstaltungstechniker, weil jemand über dessen offenes WLAN illegal ein Musikstück heruntergeladen haben soll. McFadden hat gegen diese Forderung von Sony Music geklagt.

Die Richter in dem Münchner Verfahren haben den EuGH eingeschaltet, um den europäischen Rechtsrahmen zu klären. Das Landgericht geht davon aus, dass Dritte die Urheberrechtsverletzung begangen haben und will wissen, ob EU-Gesetze eine Verantwortlichkeit des WLAN-Betreibers ausschließen. Dem Verfahren wird grundsätzliche Bedeutung beigemessen, weshalb die Piratenpartei den Kläger finanziell unterstützt. Das Urteil des EuGH wird daher mit Spannung erwartet. Allerdings ist mit der Entscheidung erst in einigen Monaten zu rechnen.

In der mündlichen Verhandlung am Mittwoch sprachen sich McFaddens Anwälte entschieden gegen die sogenannte Störerhaftung aus. Wenn WLAN-Hotspots generell zwangsweise verschlüsselt werden müssten, hätte dies zur Folge, “dass sich jegliches öffentliches WLAN in öffentlichen Einrichtungen, Geschäftszentren, Beherbergungsbetrieben, Gaststätten, Museen in ein privates WLAN verwandeln würde”.

Es sei auch nicht angemessen, Anbieter eines Hotspots zur Verhinderung von Urheberrechtsverletzungen zu verurteilen und ihnen die Wahl der Mittel zu überlassen. Im Zweifelsfall würde der WLAN-Diensteanbieter übertriebene Maßnahmen ergreifen, um eine Haftung auszuschließen, was sich auf die Grundrechte des Nutzers im Hinblick auf den Datenschutz und die Informationsfreiheit negativ auswirke.

Unterdessen versucht die Bundesregierung, die für WLAN-Betreiber unsichere Rechtslage zu ändern. Der Entwurf sieht vor, dass Betreiber öffentlicher WLANs nicht näher definierte “zumutbare Maßnahmen” gegen Missbrauch ergreifen sollen, um unter Umständen in den Genuss des im Telemediengesetz (TMG) verankerten Haftungsprivilegs für Provider zu kommen. Laut Bundesregierung komme dafür etwa "die Verschlüsselung des Routers" oder "eine freiwillige Registrierung der Nutzer" in Betracht.

Der Entwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium von Sigmar Gabriel (SPD) stößt allerdings vielerseits auf heftige Kritik, weil er aus Rücksichtnahme auf die Copyright-Lobby einen Spagat versuche, der zu weiteren Unsicherheiten führe. Kritiker fordern, Betreibern öffentlicher Funknetze ohne Wenn und Aber das Haftungsprivileg eines Providers zuzubilligen.

"Der Kabinettsentwurf zur WLAN-Störerhaftung verspielt digitale Chancen zugunsten einer kruden Sicherheitsesoterik", meint etwa Volker Tripp von der Digitalen Gesellschaft. Auch die Opposition, der Bundesrat und die EU-Kommission drängen auf Änderungen des Gesetzesentwurfs. Zuletzt hatten Netzpolitiker der Koalition signalisiert, dass man über Änderungen reden könnte. Ein klares Urteil des EuGH dürfte die Meinungsbildung der Politiker beeinflussen. (vbr)