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Was war. Was wird.

Straftaten? Straftaten! Auch Hal Faber muss sich dem stellen, und meint nicht die Benutzung von Comic Sans. Auch nicht die Musik, die manche Leute in vergangenen Tagen zu Gehör brachten, selbst wenn manches davon wie ein Verbrechen erscheint.

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Was war. Was wird.
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Gutes tun, Gutes tun
Gutes tun ist gar nicht schwer
Man kann soviel Gutes tun
Zuhause und im Kreisverkehr:

Bewusster atmen
Gesunde Sachen essen
Mit Nazis diskutieren
Die Mutter nicht vergessen
Auch einmal fremden Hundekot entfernen
Den Islam näher kennenlernen

Gutes tun, Gutes tun
Gutes tun ist gar nicht schwer
Man kann soviel Gutes tun

Zuhause und im Kreisverkehr. (Funny van Dannen)

Der "Firnis der Zivilisation" ...

*** Aahhh, tut das gut, diese vollständige Offenlegung in bester okzidentaler Tradition: Diese von keiner Hard- oder Softwarefirma gesponsorte Wochenschau wird von einem männlichen mehrheimischen Deutschen ohne Migrationshintergrund mit Gedit unter Ubuntu geschrieben. Dabei werden die Richtlinien des Presserates beachtet, ehe diese Wochenschau vom Rande der norddeutschen Tiefebene epizoisch wird. Da heißt es über unsere ausländischen Bürger (Mitbürger ist ja schlimmstes Othering):
"In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht."

*** Nun geht es in dieser Wochenschau selten um die Berichterstattung über Straftaten, sieht man einmal von der Benutzung von Comic Sans ab. Aber in Köln agierten rund um den Bahnhof Banden junger Männer wie auf dem Tahrir-Platz in Kairo zur Hochzeit des arabischen Frühlings. Dazu gibt es eine Statistik, die die Bundespolizei veröffentlicht hat über 32 Straftaten mit 31 namentlich bekannten Verdächtigen, aufgeschlüsselt nach Herkunftsländern:
"Unter den 31 bekannten Verdächtigen der übrigen Delikte seien neun algerische, acht marokkanische, fünf iranische, vier syrische, ein irakischer, ein serbischer, ein US-amerikanischer und zwei deutsche Staatsangehörige. 18 von ihnen seien Asylbewerber."

*** Huiwusch, da ist sie hin, die Freundlichkeit gegenüber den Allothigen und anstelle einer Debatte über die Gewalt gegen Frauen oder den allgegenwärtigen Alkoholkonsum bekommen wir dummes Zeug zu hören wie die Forderung nach einer Ausweitung der Videoüberwachung, die in Köln mit 350 Stunden Videomaterial zu Buche schlug oder dem Einsatz von intelligenter Videotechnik und Bodycams bei der Polizei. Auch die Geschichten vom dauernotgeilen Orientalen mit seiner Allogamie dürfen nicht fehlen, denn die Sehnsucht nach einfachen Erklärungen ist groß, egal wie groß der Unsinn ist. Ich weiß zwar nichts, aber das habe ich schon immer gesagt und wenn etwas wiederholt wird, dann ist es der Unsinn vom Schweigekartell der Medien. Worauf selbige reagieren und ihre Leser per E-Mail anschreiben, um gleich einmal die Kanzlerin (Regierungskrise? Umsturz?) ins Spiel zu bringen, wie das die Süddeutsche Zeitung in ihrer Entschuldigung schafft:
"Nein, es hat damit zu tun, dass bislang nicht feststeht, wer diese Straftaten begangen hat (Asylbewerber? Kriminelle, schon länger in Deutschland agierende Banden? Andere Ausländer? Ausländisch aussehende Deutsche?) und dass es bis jetzt keine Beweise dafür gibt, dass wirklich Flüchtlinge die Täter waren. Deshalb steht auch nicht fest, dass die Kanzlerin an der Gewalt von Köln auf jeden Fall mit schuld ist."

*** Ob diese Mitschuld der Kanzlerin auf jeden Fall einmal fest stehen wird oder ob hier nur jemand mit der Sprache drechselnd umgegangen ist wie die Deutschen mit den Polen, wird sich zeigen müssen. Viel wäre schon geholfen, wenn man zwischen Polizeiberichten und persönlichen Berichten von Polizisten a.k.a. "Einsatzerfahrungsberichten" unterscheiden kann, in dem schon mal der elektronische Aufenthaltstitel (eAT), das Pendant zu unserem Ausweis-Plastikkärtchen so zerrissen wird, wie das Felix Graf von Luckner mit den Telefonbüchern machte.

*** Oohhh, oohhh, ich muss noch mal Disklamieren: In der Regel wird diese Wochenschau auf einem Thinkpad geschrieben, welches ein gar wundervolles Maschinchen ist mit all seinen Sicherheitseinstellungen im BIOS, der brauchbaren Tastatur und dem kleinen roten Rubbelknopf für die Mausbändigung. Umso trauriger ist die verspätet eintreffende Nachricht, dass der deutsche Thinkpad-Designer Richard Sapper verstorben ist, der 1986 mit dem IBM Convertible 5140 auch den ersten Laptop von Big Blue entwarf. Ja, vor 30 Jahren war die Welt noch in Ordnung, ganz besonders die der Hacker, die ihr romantisches Hacker-Manifest veröffentlichten.
"Das ist nun unsere Welt .... die Welt der Elektronen und der Verteiler, die Schönheit des Baud. Wir nutzen einen bestehenden Dienst, ohne zu zahlen, der saubillig sein könnte, wenn er nicht von profitgeilen Nimmersatts angeboten werden würde und ihr nennt uns Kriminelle. Wir erforschen ... und ihr nennt uns Kriminelle. Wir suchen das Wissen ... und ihr nennt uns Kriminelle."

*** Heute sind Hacker am liebsten Nerds, die immun gegen jede Zweifel im Wahr/Falsch-Modus arbeiten und in diesem schon einmal als Stalker auftreten können. Wer ihren Jargon beherrscht, kann ihren Trachtenjanker-Hoodie anziehen und eine wunderbare Zeit auf dem Kongress haben. Die anderen sind eh auf der CES gewesen, die in dieser Woche den Newsticker zudröhnte. Denn dort galt: Die Angst vorm schlauen Trockner ist die Angst vor Manipulationen dieser Geräte durch schlaue Hacker. "Wir erforschen einen Kühlschrank ... und ihr nennt uns Kriminelle."

Was wird.

Alles wird gut, das ist ein Satz, der nach dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik für die Guten und die Bösen gleichermaßen gilt. Nach all den Querelen und Kabalen um die Selektoren ist es doch eine erbauliche Nachricht, dass die NSA und der BND in Bad Aibling wieder zusammenarbeiten bei der Überwachung des "islamischen Krisenbogens". Die Selektoren phagozytieren die Nachrichten, als hätte es nie eine Verstimmung gegeben. 4,5 Millionen Selektoren für unser alle Sicherheit und das Beste daran: "Seit einigen Monaten nun reichen die Amerikaner die geforderten Begründungen für jeden einzelnen Suchbegriff ein." Das ist gelebte transatlantische Transparenz! Man denke nur an die Synergieeffekte bei der Knete, wenn geldgierige Informanten bezahlt werden können und nicht mal eben so ein ganzer Hauptbahnhof dicht gemacht werden muss wegen explosiver Deter-Minierer.

Gut und güter wird es auch beim Bundeskriminalamt mit seinen angeschlossenen Landeskriminalämtern, diesen hoch spezialisierten Service-Dienstleistern und Cybercrime-Literaturwissenschaftlern. Dem Vernehmen nach wird dort die gesamte Mail-Kommunikation mit Julia Mailoffice auf PGP umgestellt, komplett mit eigener PKI. Charlotte Lindholm und ihre KollegInnen sind dank Thunderbird und Enigmail auch im Außendienst verschlüsselt angeschlossen. Das sind ja die Guten. Die Bösen nehmen die PGP-Varianten Asrar al-Mujahedeen oder Amn al-Mujahid. Und der Rest? Der will ja nicht kriminell werden, da sei die neue Mainzer Erklärung der CDU vor.
"Wir haben die Speicherfristen für Verbindungsdaten (sogenannte 'Vorratsdatenspeicherung') eingeführt und sorgen damit für wirkungsvollere Strafverfolgung. Künftig sollen diese Daten auch Verfassungsschutzbehörden nutzen können. Wir setzen uns mit Nachdruck für die wirksame Überwachung auch verschlüsselter Kommunikation (sogenannte 'Quellen-TKÜ') ein und wollen den Verfassungsschutzbehörden die Befugnis zur 'Online-Durchsuchung' zur Vorbeugung vor terroristischen Aktivitäten geben."

... muss entfernt werden.

Ich sagte es doch: Alles wird gut, der Überwachungsstaat wird ausgebaut. Wer von den korpuskulären Sozialdemokraten Protest erwartet, glaubt auch an Kleine-Dosen-Heilverfahren. Oder wahlweise an die neun Ringe der Macht von Privategrity, "den Sterblichen, ewig dem Tode verfallen", gegeben. Neun unkorrumpierbare Admins, die gemeinsam eine Backdoor öffnen können, das gehört mehr in die Welt von Tolkien als in unsere, in der sich die Gewissensfrage stellt: Baez oder Bowie? Aber eigentlich ist das keine Frage. Ich jedenfalls möchte das nie wieder hören, Musik im Stile von Baez' Sacco-und-Vanzetti-Song, des schlimmsten Stücks gutgemeinten und gerade deswegen unerträglichen Pops, das ich je erlebt habe, und das gut als Hintergrundbeschallung in unsägliche grüne Mittelschicht-Restaurants mit Nobel-Ambiente und entsetzlich überschätzter Küche passt. Also: Hoch lebe Bowie! (jk)