Der tapfere kleine Server

Kann ein Raspberry Pi ein Haustier ersetzen? Ein Selbstversuch.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Lesezeit: 4 Min.

Kann ein Raspberry Pi ein Haustier ersetzen? Ein Selbstversuch.

Nun ist es wieder passiert. Ich leide nicht nur unter der saisonal üblichen Erkältung, sondern auch unter einem Rückfall in irrationale Computer-Begeisterung. Eine Krankheit, die mich zuletzt in den 80er Jahren befallen hatte, und die ich längst überwunden glaubte.

Heutzutage sind Computer alltäglich. Arbeitsgeräte, oder Unterhaltungsmaschinen, die meistens einfach so funktionieren, wie sie sollen. Damals waren Computer ein Abenteuer. Mehr oder weniger rohe Maschinen, die man erst mal dazu bringen musste, etwas nützliches zu tun. Und zwar ohne die Hilfe des Internets - in einer Zeit lange vor Google.

Und genau so etwas tue ich nun wieder. Ich lese in meiner Freizeit stundenlang komplizierte, technische Anleitungen. Und es macht mir Spaß.

Alles hat damit angefangen, dass ich zu Weihnachten einen Raspberry Pi verschenkt habe. Ein scheckkartengroßer Komplettrechner, der als nackte Platine verkauft, bei Bastlern und Makern extrem beliebt ist. Eben Upton, der Entwickler dieses Maschinchens, hatte den Enthusiasmus, den der Pi auslöste, übrigens selbst stark vollkommen unterschätzt.

Nachdem das Geschenk gut angekommen war, habe ich die Sache dann auch mal selbst angesehen. Die Platine in das Gehäuse reinzufummeln ist schon ein bisschen wie früher - nur dass man sich jetzt nicht mehr über zu Boden fallende winzige Schrauben, scharfkantige Bleche und verbogene Steckkontakte ärgern muss. Dann startet der Mini-Computer. Aber erst, wenn man eine Mikro-SD-Karte in den vorgesehenen Slot einsteckt - er bootet, so wie früher der PC von der eingesteckten Diskette. Nur dass die kleine Kiste erheblich leistungsfähiger ist, als die Computer der 80er.

Was fängt man dann an, mit so einem Teil? Surfen, mailen und dergleichen kann ich komfortabler haben. Aber so ein kleiner Rechner, der kaum Strom zieht, und vor allem keinen nervigen Lüfter braucht, eignet sich prima für Daueraufgaben. Zum Beispiel dafür, die eigenen Musiksammlung ins heimische Wlan zu streamen.

Vor mittlerweile sieben Jahren habe ich in einer der ersten Ausgabe der Rubrik „Ausprobiert“ meine ersten Erfahrungen mit einem Internetradio geschildert. Zunächst habe ich mit dem Ding ja ein wenig gefremdelt. Denn ganz so einfach wie „einschalten, Sender wählen, Musik hören“, ist die Kiste nicht zu bedienen. Damit sie läuft, muss sie mit einem Server verbunden werden. Diese Server-Software läuft normalerweise im Internet, kann aber auch auf dem heimischen Rechner installiert werden. Das Problem ist nur, dass der dafür die ganze Zeit laufen muss.

Das soll jetzt der Rasperry Pi übernehmen. Dafür müssen wir „nur“ eine spezielle Linux-Distribution auf einer neuen SD-Karte installieren (Linux-Befehle auf der Kommandozeile), den Pi dann ins Wlan einklinken (die automatische Einbindung des Funknetzes funktioniert nicht auf Anhieb), die Musik-Server-Software installieren (klappt ausnahmsweise problemlos - nachdem wir den Punkt im Konfigurationsmenü endlich gefunden haben), eine USB-Platte zum Laufen bringen (zu wenig Strom am USB-Port) und die Musiksammlung einlesen. Vier Stunden später ist alles geschafft.

Das ist vollkommen gaga sagen Sie? Kann sein, aber wenn das Ding läuft, ist man stolz wie jemand, der seinem jungen Hund beigebracht hat, Pfötchen zu geben.Nun liegt er im Regal, blinkt ab und an mit LEDs und springt artig auf Kommando - der tapfere kleine Server. Demnächst, das weiß ich genau, werde ich ihm neue Kunststücke beibringen.

(wst)