Kommentar: Die Schlacht um die finanzielle Privatsphäre ist eröffnet

Im Namen der Terrorbekämpfung nehmen Bundesregierung und EU-Kommission alle halbwegs anonymen Zahlungsmittel aufs Korn. Redakteur Axel Kannenberg fürchtet sich bei soviel Aktionismus langsam weniger vor Terroristen als eher vor ihren Bekämpfern.

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Euro-Scheine
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Das Gespenst der Terrorfinanzierung geht um in Europa. Und um diese ominösen Geldströme auszutrocknen, will die Bundesregierung eine Grenze für den Bargeldverkehr von 5000 Euro einführen. Andere Staaten Europas haben das ja schließlich auch schon umgesetzt, Frankreich hat seine Bürger etwa auf 1000 Euro runter entmündigt, Griechenland gar auf 500. Die SPD flankiert das mit Forderungen, die 500-Euro-Scheine abzuschaffen.

Natürlich dürfen im Gruselkabinett der auszumerzenden Topterror-Sparschweine auch Prepaidkarten und die Kryptowährungen wie der Bitcoin nicht fehlen. Hier war es an der EU-Kommission – nach freundlichem Insistieren des deutschen Finanzministeriums – auf die Pauke zu hauen. Der vermeintlichen Anonymität solcher Zahlungsmittel müsse ein Ende gesetzt werden, weil Terror und Geldwäsche und überhaupt.

Ein Kommentar von Axel Kannenberg

Axel Kannenberg durchforstet seit 2012 für heise online die unendlichen Weiten des Internets nach News, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Beherrscht die edle Kunst des Beleidigungsfechtens. Hat 2013 einen Döner für umgerechnet mehrere Tausend Euro genossen (nach heutigem Bitcoinkurs).

"Bargeld ist gelebter Datenschutz“ hält der Verbraucherzentrale Bundesverband solchen Bestrebungen sehr richtig entgegen. Auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann stellt sich als Bollwerk der Vernunft dagegen, mit Verweis auf die gesunde Liebe der Deutschen zum Bargeld. Und bei den Kryptowährungen möchte man hinzufügen: Es gibt keine Belege für die Nutzung durch islamistische Unholde. Das haben nacheinander das US-Finanzministerium, das britische Finanzministerium und Europol festgestellt – Berichte, deren Lektüre man der EU-Kommission doch sehr ans Herz legen möchte.

Aber in Zeiten nackter Sicherheitspanik gilt immer: Es gibt das Potenzial, dass eine Sache irgendwie missbraucht werden könnte, also brauchen wir harte Regulierung, Verbote und Hubschraubereinsatz. Dass damit alle Bürger, die diese Sache legal im Alltag nutzen, gegängelt und letztlich unter impliziten Terrorverdacht gestellt werden – geschenkt. Und dass man Sicherheit eher erreicht, indem man die unterbesetzte Polizei anständig aufstockt und gut ausstattet – ebenso geschenkt.

Was wird wohl als nächstes an der Reihe sein? Ich tippe auf die für einen einigermaßen sicheren Internetgebrauch unabdingbare Verschlüsselung. Und wo wird dann die Grenze sein? Autos, Kleidung, Mathematik, Erdbeereis – kann man ja nicht ausschließen, dass der internationale Terrorismus auch davon profitiert. Besser schnell mit Obergrenze belegen oder gleich verbieten.

Eigentlich ist es zum Schreien trivial, aber man muss es wohl wieder und wieder sagen: Wer Freiheit und Rechte durch stetig zunehmende Einschränkungen schützen will, der drückt ihnen das Kissen aufs Gesicht, bis sie nicht mehr zucken. Wenn Sie angesichts dessen auch künftig Wert auf Ihre finanzielle Privatsphäre legen, sollten Sie sich mental wohl schon mal auf Goldmünzen und Zigaretten einstellen – Zahlungsmittel, die schon so manche wildgewordene Regierung überlebt haben. (axk)