Die Elektroflieger kommen

Forscher und Start-ups stürzen sich auf die neuen Möglichkeiten, die elektrische Antriebe bieten. Mit Airbus steigt nun auch der erste große Hersteller in die Produktion von Elektroflugzeugen ein.

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Von
  • Karsten Schäfer
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Forscher und Start-ups stürzen sich auf die neuen Möglichkeiten, die elektrische Antriebe bieten. Mit Airbus steigt nun auch der erste große Hersteller in die Produktion von Elektroflugzeugen ein.

Der Geölte Blitz (englisch: Greased Lightning) steht auf dem Rasen und erinnert entfernt an eine Drohne. An den Tragflächen hat der GL-10 insgesamt acht Propeller, hinten am Höhenleitwerk noch einmal zwei. Flügel und Höhenleitwerk sind um die Querachse nach oben gedreht, die Rotoren stehen nach oben wie bei einem Hubschrauber. Mit einem leisen Surren fangen die zehn Elektromotoren an zu drehen. Kurz darauf hebt das ferngesteuerte Versuchsflugzeug ab und lässt Fort A.P. Hill, ein Trainingscenter der US Army in Virginia, unter sich.

Jetzt schwenkt der GL-10 langsam Tragflügel und Höhenflosse samt der zehn Propeller nach vorn. Dieser Moment ist kritisch. Denn sobald die Propeller das Flugzeug nicht mehr tragen, muss die Strömung an den Flügeln groß genug sein, um Auftrieb zu erzeugen. "Während unserer Flugversuche konnten wir mehrfach erfolgreich zwischen tragflächengestütztem Vorwärtsflug und propellergestütztem Schwebeflug wechseln", sagt Bill Fredericks, Raumfahrtingenieur der Nasa. "Jetzt arbeiten wir an unserem zweiten Ziel – zu zeigen, dass dieses Konzept im Reiseflug viermal effizienter ist als ein Hubschrauber."

Der GL-10 zeigt, wohin die Entwicklung in der Luftfahrtbranche geht. Elektrifizierung, verteilte Antriebe mit vielen kleinen Propellern und ganz neue Flugzeugkonzepte wie etwa Senkrechtstarter. Gerade mit Senkrechtstartern sehen viele Forscher das Zeitalter der personalisierten Luftfahrt anbrechen, in dem Fliegen so alltäglich werden soll wie Autofahren. Aber auch wenn solch kühne Visionen nicht Realität werden, hebt die Elektrifizierung das Fliegen auf eine neue Stufe: Sie wird leiser, sicherer und vor allem energiesparender. Die Europäische Union hat mit dem Papier "Flightpath 2050" die Ziele klar formuliert: Reduktion der CO2-Emissionen von Flugzeugen um 75 Prozent, der Stickoxide um 90 Prozent und des Geräuschpegels um 65 Prozent, verglichen mit den Werten des Jahres 2000.

Deshalb forschen auch die Hersteller von großen Verkehrsflugzeugen wie Airbus an elektrischen Antrieben – wenn zunächst auch in kleinerem Maßstab. Schon im vergangenen Jahr hat das Unternehmen den komplett neu entwickelten und rein elektrisch angetriebenen Einsitzer E-Fan vorgestellt. "Wir haben schon recht früh identifiziert, dass in Zukunft immer mehr elektrische Komponenten in der Luftfahrt eine Rolle spielen werden", sagt Detlef Müller-Wiesner, Leiter des E-Aircraft- Programms bei Airbus. Um besonders effizient unterwegs zu sein, wird der E-Fan über zwei Mantelpropeller mit zusammen 60 Kilowatt Leistung angetrieben.

Mantelpropeller erzeugen mehr Schub, weil sie die Luft einsaugen und bündeln und keine verlustreichen Wirbel an der Propellerspitze bilden. Die Batteriezellen von Panasonic reichen für eine Stunde Flugzeit plus Reserve. Im Juli glückte ein 74 Kilometer langer Flug über den Ärmelkanal von Lydd in England nach Calais in Frankreich.

Dass es Airbus mit dem elektrischen Fliegen ernst meint, zeigt die Entscheidung, den E-Fan 2.0 in Serie zu bauen. Der zweisitzige Nachfolger des E-Fan 1.0 soll ab Dezember 2017 an die ersten Kunden ausgeliefert werden. Viele Flugschulen haben den E-Fan geordert, weil ihre Flugprofile mit vielen Starts und Landungen am gleichen Flugplatz sich gut mit einem batterieelektrischen Flugzeug abdecken lassen.

Aber das dürfte erst der Anfang sein: Müller-Wiesner verweist auf Untersuchungen der Nasa, nach denen 67 Prozent aller Flüge der "allgemeinen Luftfahrt" (zivile Luftfahrt ohne Linien- und Charterflüge) in den USA unter einer Stunde dauern. Wer länger und mit mehr Passagieren fliegen möchte, wird schon in wenigen Jahren den E-Fan 4.0 kaufen können. Er soll vier Sitze und eine Flugdauer von zwei bis drei Stunden haben.

Gleichzeitig zeigt das Modell aber auch die Grenze der derzeitigen Technologie. Denn die Batterieleistung allein reicht für ein Flugzeug dieser Größe und Reichweite nicht mehr. Airbus setzt daher bei dem E-Fan 4.0 auf einen Hybridantrieb. Unklar ist noch, ob der Akku mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle oder einem fossil angetriebenen Generator kombiniert wird. Einen Hybridantrieb aus Batterie und Wasserstoff-Brennstoffzellen testet derzeit das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit dem neuen Forschungsflugzeug Hy4. Passend zu seiner Aufgabe hat es ein äußerst futuristisches Design. Zwei Flugzeugrümpfe sind über einem dritten Flügel verbunden, auf dem der Antrieb und die Versuchsaufbauten angebracht sind.