Zahlen, bitte! 1,5 Millionen km entfernt – Lagrange-Punkt zwischen Erde und Sonne

Der innere Lagrange-Punkt L1 liegt auf der Verbindungslinie zwischen Sonne und Erde rund 1,5 Millionen Kilometer in Richtung Sonne. Dort startet die Sonde LISA Pathfinder gerade mit Experimenten zum Messen von Gravitationswellen.

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1,5 Mio. km
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Von
  • Volker Zota
Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

An Lagrange-Punkten (auch Librationspunkte genannt) heben sich die Gravitationskräfte zweier Körper und die Zentripetalkraft der Bewegung um den gemeinsamen Schwerpunkt gegenseitig auf. An diesen Stellen herrscht somit dauerhaft vollständige Schwerelosigkeit. Das macht die Lagrange-Punkte zu optimalen Umgebungen für Experimente, bei denen man äußere Krafteinwirkung vermeiden möchte. Dort befindliche Objekte verharren in Relation zu Erde und Sonne immer am gleichen Ort.

Am inneren Lagrange-Punkt L1 in 1,5 Millionen Kilometer Entfernung von der Erde parkt man typischerweise Sonden zur Sonnenbeobachtung. Genau dort befindet sich inzwischen auch die im Dezember gestartete Sonde LISA Pathfinder, mit der die ESA derzeit Vorexperimente zum Messen von Gravitationswellen im All unternimmt; die von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie postulierten Gravitationswellen wurden gerade erst durch Messungen nachgewiesen.

In LISA (Laser Interferometer Space Antenna) befinden sich zwei jeweils zwei Kilogramm schwere Würfel (Testmassen) aus einer Gold-Platin-Legierung in einem Abstand von 38 Zentimeter zueinander. Gerade erst wurden die beiden Testmassen erfolgreich freigesetzt. Die Würfel werden dann an ihren jeweiligen Positionen im freien Fall mit bislang unerreichter Genauigkeit überwacht. LISA ist die Vorstufe für das geplante Projekt eLISA Gravitational Wave Observatory, das im Weltraum ein riesiges Laser-Interferometer aufspannen soll, um Gravitationswellen im Frequenzbereich von 0,1 mHz bis 1 Hz zu messen. Auf der Erde ist das aufgrund der überlagernden Gravitation und den logischerweise limitierten Armlängen des Interferometers unmöglich.

LISA Pathfinders Weg ins All (10 Bilder)

LISA Pathfinder in dem Stauraum der Vega-Rakete
(Bild: ESA–Manuel Pedoussaut, 2015)

Für astronomische Verhältnisse ist die Entfernung von 1,5 Millionen Kilometer ein Katzensprung von gerade einmal 5 Lichtsekunden; die Lichtlaufzeit bis zur Sonne beträgt hingegen circa 8:20 min. LISA Pathfinder brauchte fast zwei Monate, um an diesen besonderen Platz zu gelangen. Der Millennium Falcon wäre dank seines Class 0.5 Hyperdrive hingegen in einem Wimpernschlag dort (eigentlich sogar noch viel schneller ;-).

Wie die Bezeichnung L1 vermuten lässt, gibt es in dem System Sonne/Erde nicht nur einen Lagrange-Punkt. Tatsächlich sind es derer 5. L2 liegt auf derselben Achse circa 1,5 Millionen Kilometer hinter der Erde und damit immer im Erdschatten. Von dort beobachtete beispielsweise das Weltraumteleskop Herschel; auch das James Webb Telescope soll dort platziert werden. L3 liegt hinter der Sonne und ist der in der Science-Fiction-Literatur gerne strapazierte Ort für eine "Gegenerde", die wir tatsächlich nie zu Gesicht bekommen würden, ohne hinter die Sonne zu gucken.

L4 läuft der Erde voraus, L5 hinterher. Sie liegen im System Sonne/Erde nur deshalb annähernd auf der Umlaufbahn der Erde, weil die Sonne eine so viel größere Masse besitzt.

An den Lagrange-Punkten zwischen Sonne und Erde kann man beispielsweise Sonden "parken", um frei von äußeren Kräften Messungen vorzunehmen.

Leonard Euler und Joseph-Louis Lagrange fanden für das eingeschränkte Dreikörperproblem analytische Lösungen, bei dem die Masse des dritten Körpers (in diesem Fall die Sonde) vernachlässigbar ist. Die Lagrange-Punkte sind die Nullstellen L1 bis L5 des Gravitationsfeldes im mitrotierenden Bezugssystem der beiden schweren Körper. Nur beim eingeschränkten Dreikörperproblem ergibt sich der schöne 60°-Winkel, bei dem Sonne, Erde und L4 respektive L5 in einem gleichseitigen Dreieck zueinander stehen. Das allgemeine Dreikörperproblem lässt sich nur numerisch lösen. (vza)