NSA-Skandal und Drohnenkrieg: Steinmeier sieht Aufklärungsmöglichkeiten weitgehend erschöpft

Berlin könne zwar nachbohren, wenn es um den Lauschangriff auf Merkel oder die Rolle Ramsteins bei Drohnenangriffen gehe, meinte Außenminister Frank-Walter Steinmeier im NSA-Ausschuss. Belastbare Erkenntnisse seien aber kaum mehr zu erwarten.

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US-Kampddrohne Reaper

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Die Bundesregierung ist an ihre Grenzen gestoßen, Informationen aus den Snowden-Enthüllungen rund um das Ausmaß der NSA-Überwachung und die Rolle hiesiger Einrichtungen im geheimen Drohnenkrieg der USA aufzuklären. Dies verdeutlichte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags.

Was solle Berlin etwa mehr erhalten als die Versicherung von US-Präsident Barack Obama, dass vom US-Stützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz keine Drohnenangriffe "gesteuert" würden, brachte der SPD-Politiker ein Beispiel. Man habe ja auch keine tragfähigen Anhaltspunkte, diese Zusage von ganz oben anzuzweifeln.

Patrick Sensburg (vorne links), Vorsitzender des NSA-Untersuchungsausschusses, und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (vorne rechts)

Der Aussage des früheren US-Drohnenpiloten Brandon Bryant in dem Gremium, dass Ramstein als zentrale Relaisstation für Tötungsmissionen aus der Luft diene, geht die Regierung laut Steinmeier weiter nach. Diese Behauptung sei "Gegenstand der Ermittlungen, die noch nicht abgeschlossen sind". Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe mit Obama darüber gesprochen, er selbst mit dem damaligen US-Verteidigungsminister Chuck Hagel im Frühjahr 2014. Ferner seien "politische Direktoren" verschiedener Ressorts über diesen brisanten Punkt "im Gespräch" mit US-Pendants.

Bisher habe Berlin "keine abschließende Antwort" auf die Frage erhalten, welche technische Rolle Ramstein bei der Signalübermittlung für Drohnen spiele und ob die Basis für die USA derzeit "alternativlos" sei, räumte Steinmeier ein. "Man kann nachfragen, erneut nachfragen oder versuchen, politischen Druck zu entfalten", meinte er. Letztlich wäre es möglich, den Aufenthalt von US-Truppen auf deutschem Staatsgebiet zu untersagen. Er halte dies aber nicht für einen angemessenen Umgang unter Partnern und für unverantwortlich aus Sicherheitssicht. Das Auswärtige Amt werde sich lieber "mit Nachdruck" weiter bemühen, Klarheit zu schaffen.

Von deutscher Seite ist laut Ansicht des Zeugen "kein Material" für den geheimen Krieg Washingtons zugeliefert worden. Dass Bryant sowie die Leiterin der ehemaligen "Hauptstelle für Befragungswesen" auch hier anderes berichtet hatten, erschloss sich ihm nicht: Er könne nicht bestätigen, dass von der Tarnorganisation des Bundesnachrichtendiensts (BND) beim Aushorchen von Flüchtlingen Informationen wie Telefonnummern oder Geodaten "gewonnen wurden, die für Drohnenschläge genutzt werden konnten".

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

An Debatten innerhalb der Bundesregierung zu diesem Thema erinnerte sich Steinmeier nicht. Es sei zudem zumindest "nicht vorgesehen" gewesen, dass Vertreter des militärischen US-Geheimdiensts DIA Asylbewerber ohne BND-Mitarbeiter aushorchten.

Dass das Pentagon das für Afrika zuständige Kommandozentrum Africom Anfang 2007 in Stuttgart ansiedelte, hatte Steinmeier nach eigenen Angaben damals begrüßt. Damit sei die "Präsenz der Amerikaner" hierzulande verfestigt und deutlich geworden, dass sich die Washington "stärker um Afrika kümmern" wolle. Die Problematik bewaffneter Drohnenangriffe habe noch nicht bestanden, auch wenn es bereits Kritik am US-Vorgehen in Somalia gegeben habe. In konkrete Operationen, die von Africom geleitet werden, sei er nicht eingeweiht. Diese müssten prinzipiell aber auch nicht automatisch völkerrechtswidrig sein.

"Wir haben uns bemüht, gemeinsam mit den Amerikanern Konfliktherde in der Welt zu entschärfen", gab der langjährige Chef des Bundeskanzleramts als Losung aus. Diesen Ansatz dürfe man "nicht vermengen mit dem Ärger darüber, dass ich möglicherweise selbst abgehört wurde". Auch dieses heikle Thema habe er gegenüber den USA angesprochen. Die Standardantwort laute, dass sich Washington nicht in der Lage sehe, über Einzelheiten geheimdienstlicher Operationen Auskunft zu geben.

Zugleich werde aber immer wieder versichert, dass die US-Seite "Direktzugriffe auf Telefone deutscher Politiker nicht mehr im Sinn habe", meinte Steinmeier. "Sehr viel weiter werden unsere Aufklärungsmöglichkeiten wohl nicht mehr gehen." So habe die Bundesregierung etwa auch trotz einschlägiger Wikileaks-Dokumente "keine weiteren Hinweise" auf einen Lauschangriff auf das Merkel-Handy mehr bekommen. Es sei denn, man nehme die öffentliche Äußerung Obamas diesbezüglich als Eingeständnis, dass die Abhöraktion stattgefunden habe.

Nicht erhärten konnte die Exekutive dem Zeugen zufolge auch Berichte, dass etwa die Botschaften der USA und Großbritanniens in Berlin hinter architektonischen Besonderheiten Lauschtechnik verbärgen. Politische Reaktionen könne man aber nur auf Basis eigener belastbarer Erkenntnisse einleiten. Der Regierung sei so oder so bewusst, dass "auch andere Nachrichtendienste aktiv in Deutschland und Europa sind". Mit der wachsenden Bedeutung des Internets "haben wir uns auch ein verändertes Kommunikationsverhalten angewöhnt". So suche man etwa "Festnetz- oder Blackberry-Verbindungen" und telefoniere "gegebenenfalls mit Krypto-Handys".

Den BND kritisierte Steinmeier, da dieser neben Ungereimtheiten mit NSA-Selektoren auch die Kooperation mit der CIA unter dem Namen Glotaic nicht dem Kanzleramt bekannt gegeben habe. Selbst wenn die Operation, bei der die Schlapphüte Daten bei einem Netzknoten von MCI Worldcom in Hilden am Rhein abfischten, offenbar "abgeschirmt" gewesen sei, hätte die Fach- und Dienstaufsicht darüber Bescheid wissen müssen.

Insgesamt fassten Vertreter der Koalition den Promi aus dem Kabinett größtenteils mit Samthandschuhen an. "Ich bohr jetzt ungern so nach", bekundete etwa der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg während seiner einleitenden Befragung. An anderer Stelle unterstrich der CDU-Politiker, dass er Steinmeier "nicht zum Spekulieren verleiten" wolle. Von seiner eigenen Partei hatte der Minister eh kein Ungemach zu befürchten. Unwirsch reagierte der Chefdiplomat nur einmal, als der Linke André Hahn von ihm Einzelheiten zum Truppenstatut und zur potenziellen Strafverfolgung rechtsbrüchiger Überwacher hierzulande wissen wollte. Den Oppositionspolitiker herrschte Steinmeier an, als dieser mehrfach eine Antwort einforderte: "Überreizen Sie ihre Möglichkeiten mal nicht gleich so hochmütig." (jk)