Brüsseler Anschläge: Belgische Behörden empfehlen soziale Netzwerke zur Kommunikation

Die Brüsseler Mobilfunknetzwerke haben ihre Belastungsgrenze nach den Bombenexplosionen erreicht, die Behörden setzen auf Datenkommunikation via Twitter & Co., über die auch eine Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität rollt.

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Brüsseler Anschläge: Belgische Behörden empfehlen soziale Netzwerke zur Kommunikation

In sozialen Netzwerken ist heute diese virtuelle Verbrüderung zu sehen

(Bild: Twitter)

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Nach den Anschlägen auf den Brüsseler Flughafen und die Metro-Station Maalbek im Zentrum des EU-Viertels der belgischen Hauptstadt am Dienstagvormittag erweisen sich soziale Netzwerke und andere Internetdienste als die wichtigsten Krisen-Kommunikationsmittel. Die belgische Regierung unterstützt dies gezielt: Vizepremier Alexander de Croo twitterte vor wenigen Stunden den als "wichtig" gekennzeichneten Appell, Datendienste wie Facebook, WhatsApp oder Twitter" zu nutzen, um sich auszutauschen. Da die Mobilfunknetzwerke in Brüssel an der Grenze zur Überlastung stünden, sollten Anrufe vermieden werden.

Mehrere belgische Telekommunikationsanbieter wie Telenet, Proximus in Kooperation mit Fon oder Voo haben ihre WLAN-Hotspots inzwischen geöffnet und erlauben einen kostenlosen Zugang ohne Authentifizierung. Damit wollen sie offenbar verhindern, dass die klassischen Mobilverbindungen nun vom Datenverkehr der sozialen Netzwerke überflutet werden. Laut Korrespondentenberichten funktionieren Handy-Netze rund um den mittlerweile komplett abgeriegelten Flughafen Zaventem nicht. Es sei aber unklar, ob sie bewusst unterbrochen worden oder zusammengebrochen seien.

Das belgische Krisenzentrum empfiehlt ebenfalls über Twitter in mehreren Sprachen, es solle versucht werden, "Menschen zuerst via Soziale Medien zu erreichen". Zugleich kommt von dort die Bitte an die Bürger vor Ort, derzeit auf Streaming-Dienste zu verzichten, um mit Bandbreiten schonend umzugehen. Vom Ausland aus kann die Einrichtung nach eigenen Angaben auch über die Telefonnummer +3278151771 erreicht werden.

Parallel bricht sich über die sozialen Netzwerke eine Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität Bahn, während das öffentliche Leben in der belgischen Hauptstadt weitgehend zum Erliegen kommt. Einwohner Brüssels bieten darüber Hilfe für Menschen an, die wegen gestoppter öffentlicher Verkehrsmittel in der Stadt feststecken. Unter dem Hashtag #OpenHouse kündigten zahlreiche Twitter-Nutzer an, dass sie Betroffene bei sich zuhause unterbringen würden. Ähnlich Angebote hatte es im November in der Terror-Nacht von Paris unter #PorteOuverte gegeben.

Ebenfalls auf Twitter zu sehen Pommes Frites, die einen ausgestreckten Mittelfinger darstellen sollen

Der Brüsseler Taxi-Verband hat über Twitter alle Fahrer dazu aufgerufen, Verletzte abzutransportieren und hilfsbedürftige Passagiere kostenlos mitzunehmen. Unter Tags wie #Bruxelles, #JeSuisBruxelles, #BrusseLove, #NousSommesUnie oder #BrusselsAttack bekunden Nutzer ihr persönliches Beileid, veröffentlichen Bilder von Pommes Frites in Form eines ausgestreckten Mittelfingers, virtuelle Verbrüderungsszenen oder Zeichnungen mit dem Brüsseler Wahrzeichen Manneken Pis, wie es gerade eine brennende Lunte löscht oder einem Terroristen ins maskierte Gesicht macht. Auch mit Bildern aus der Comic-Reihe "Tim & Struppi" des belgischen Zeichners Hergé machen viele ihrer Trauer oder ihrem Ärger Luft.

Zudem finden immer mehr Videos und Fotos von Augenzeugen ihren Weg auf soziale Plattformen, die das Ausmaß der Zerstörungen und die Wucht der offenbar koordinierten Detonationen zeigen. Nicht zuletzt nutzen viele Politiker Twitter, um das Geschehen zu kommentieren. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sprach dort von einem "Schwarzen Tag für Europa", Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) bekundete, dass "die Werte Europas stärker als Hass und Gewalt" sind, Regierungssprecher Steffen Seibert geißelte in einem Tweet die "widerwärtigen Anschläge", die "uns alle zusammenstehen lassen".

Twiiter-Tweets zum Anschlag in Brüssel (6 Bilder)

Tweet von @SihameHaddioui
(Bild: https://twitter.com/SihameHaddioui/status/712237539147583488/photo/1)

Anhänger der Miliz "Islamischer Staat" (IS) begrüßten die Attentate dagegen in sozialen Netzwerken. Der umstrittene US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump twitterte, dass das einst so schöne und sichere Brüssel nun "von einer anderen Welt" sei und die USA wachsam seien müssten.

Auch Reaktionen von Sicherheitsbehörden auf die Anschläge mit mindestens 26 Toten wenige Tage nach der Festnahme des Paris-Attentäters Salah Abdeslam in Brüssel ließen nicht lange auf sich warten. Oliver Malchow etwa, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), rief die EU-Staaten dazu auf, sich in der Innen-, Justiz- und Sicherheitspolitik noch stärker aufeinander abzustimmen. Nur ein "uneingeschränkter gemeinsamer Datenaustausch" und eine "barrierefreie polizeiliche Zusammenarbeit" könnten die Menschen in Europa vor dem islamistischen Terror besser schützen. Es spreche viel dafür, den Ansatz des deutschen Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrums auf die EU-Ebene zu bringen. (anw)