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Was war. Was wird. Von toten Göttern und Selbstradikalisierern.

Aufklärung, französische Revolution, Weltkriege und Privatsphäe: Was für seltsame Assoziationen so eine österliche Sommerzeit doch erzeugt. Auch eine Rückkehr in vordemokratische Zeiten klingt an - was Hal Faber aber weniger mit der Sommerzeit verbindet.

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Bibel, Bücher, Buch, Bibliothek, Ostern
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

Ein Gott predigt.

*** Hach, immer diese Sommerzeit mit den WWWW-Verspätungen und der Diskussion über die Sommerzeit, mithin doch ein Triumph der Aufklärung und der Veränderungslust über das dumpfe Weiterwursteln. War es nicht der amerikanische Revolutionär Benjamin Franklin, der in seiner Denkschrift an den Pariser Magistrat den eingesparten Kerzenverbrauch berechnete? Etwas billig auch der gern wiederholte Versuch, die Sommerzeit als Produkt des Krieges hinzustellen. Dagegen muss man klar und eindeutig gerade zum Naschfest Ostern festhalten, dass die Sommerzeit 1911 bei uns in Berlin erfunden wurde, um abends im Tageslicht nach getaner Arbeit ein längeres Privatleben im Hellen haben zu können. Die "Sehnsucht nach Sonne", die von der "Sarotti-Zentrale für Einführung einer deutschen Sommerzeit" propagiert wurde, war mehr als ein Werbetrick, zu dem nach dem Krieg der kolonial kodierte Sarotti-Mohr hinzukam, das Schokoessen zu fördern. Was Benjamin Franklin gefreut hätte, der im Bürgerkrieg seine Offiziere mit Schokolade versorgte, damit ihre Truppen härter für die amerikanische Demokratie kämpfen können.

*** "Those who would give up essential Liberty, to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety."

*** Von Tag zu Tag wird Benjamin Franklins Satz etwas wahrer, denn es mehren sich die erschreckten Kleingeister und die verschlissenen Innenminister, die wesentliche Elemente der Demokratie aufgeben wollen, wie es der Datenschutz ist, nur um ein bisschen temporäre Sicherheit zu erkaufen. Hier geschieht Übles, da hat die gern tot gesagte Piratenpartei völlig recht, wenn abgelenkt wird vom Thema, warum der Datenabgleich zwischen den europäischen Polizeibehörden nicht funktioniert hat, warum die Türkei mit den Niederlanden und nicht mit Belgien zusammenarbeitete. Ganz zu schweigen vom Kommunikationsproblem der Polizei im flandrischen Mechelen mit der französischen Antiterrortruppe. Nun soll auch der dritte Terrorist des Bombenattentats auf dem Flughafen Zaventem erkannt und festgenommen sein, wie alle anderen längst in einer polizeilichen Datenbank registriert. Eine hübsche Pointe ist auch die Tatsache, dass Teile der Polizei offenbar über Whatsapp kommunizierten, weil das Sicherheitsnetzwerk mit dem hübschen Namen ASTRID wegen der vielen Rettungseinsätze überlastet war.

*** So war es wieder an der Zeit, dass wir "informiert" wurden von Medien, die selten etwas wichtiges wussten und ihr Gebrabbel in in Panikgewittern vor den Absperrungen zum besten gaben mit der Erkenntnis, dass jetzt "Krieg" ist. Nein, es ist nicht Krieg, es ist Ostern im Rückzugsraum Deutschland und die Christen feiern die Aufersteheung ihres Gottes mit Schoko-Osterhasen und Krokant-Ostereiern. Der eine oder andere wird beim Abpellen der Alufolie vielleicht trübsinnig die Frage stellen, wie tot Gott ist mit den verzweifelten Menschen in Idomeni, dieser konstruktiven Lösung da im Schlamm. Hilft es da schon, wenn ein Papst ein paar Füße wäscht und die Konkurrenz den Terror kurzerhand zur Gotteslästerung erklärt? Ich habe da meine Zweifel, aber halt auch keinen Draht für übernatürliche Wesen, die im Zweifel einen Kopfschuss mit dem Glauben an den richtigen Gott legitmieren.

*** Diese Zeilen entstehen vor dem großen Eiersuchen an einem historischen Tag: Vor 40 Jahren schickte Queen Elizabeth II anlässlich eines Truppenbesuches unter dem praktischen Userinnennamen HME2 ihre erste E-Mail ins Arpanet. Damals wurde ein Computer in Malvern angeschlossen, nachdem das Rutherford-Atomlabor wegen der Messdaten russischer Atombombentests schon früher dran war. Besonders persönlich war die E-Mail nicht gehalten, doch die Geschichte ist dennoch interessant, wie bei Peter Kirstein zu lesen ist: Unter den 5Eyes gab es keine Angst vor amerikanischer bzw. britischer Dominanz der Technik. So wurden die Grabenkämpfe vermieden, die in Deutschland und Frankreich geführt wurden. Militär und Wissenschaft profitierten davon.

*** Edward Snowden hat die moderne Zusammenarbeit der 5Eyes aufgedeckt und würde es wieder tun, nur mit der Tat nicht so lange warten, wie er es getan hat. Wie lange er die Tat vorbereitet und geplant hat, diese eminent wichtige Frage wurde auch beim Gespräch zwischen Greenwald, Chomsky und Snowden nicht aufgeworfen. Auch Glenn Greenwald würde wieder so handeln, wie er gehandelt hat und Snowdens Dokumente weiterhin in homöopathische Dosen verabreichen, von denen er und die angeschlossenen Publikationen noch jahrzehntelang zehren können. So bleiben die Snowden-Archive bis auf Weiteres zu großen Teilen verschlossen, wie übrigens auch die Einschätzung der US-amerikanischen Geheimdienstaufsicht Verschlusssache ist, ob Snowdens Dokumente überhaupt einen Schaden angerichtet haben. Jede Schadenseinschätzung wäre geeignet, die Arbeit der Dienste zu enthüllen, eine Formulierung, die auch in Deutschland wohl bekannt ist: Ist der Bundestag wirklich von Tophackern russischer Geheimdienste gehackt worden? "Aus der Kenntnis der von Ihnen begehrten Informationen könnten sich unter Umständen Rückschlüsse ziehen lassen ..." Aus Schaden wird man klug ist ein alte, nutzlose Volksweisheit.

*** Edward Snowden ist über Umwege zu den Geheimdiensten gekommen. Er hat in Genf gearbeitet und schließlich als Mitarbeiter von Booz Allen Hamilton IT-Systeme der NSA betreut, bis er sich im Dienst selbstradikalisierte. Seine ursprüngliche Entscheidung für diese Karriere entstammt einem Informatikstudium, nachdem er als Armeeanwärter nach einem rätselhaften doppelten Beinbruch ausgemustert wurde. Bis heute sind die Militärdokumente nicht einsehbar, denn sie würden – (erraten?) – geeignet sein, die Verteidigungsbereitschaft der USA zu unterhöhlen. Während in Dresden die Frühgeschichte des BND mit vielen Waffen und Dokumenten gezeigt wird, wurde in Hamburg eine Fotoausstellung zur Geschichte des Dienstes eröffnet, der nächste Woche Geburtstag feiert. Zur Eröffnung sprach BND-Chef Gerhard Schindler Klartext über ITler und ihren Traum von toller Arbeit: "Bei den ITlern ist es oft so, dass sie deshalb gerne zu uns kommen, weil sie das machen dürfen, was sonst gesetzlich verboten ist." Es ist ein trauriges Statement über eine Branche, sie sich mit seltsamen Theorie über ihren gesetzlichen Rahmen hinwegsetzt, das höchstens deshalb positiv gedreht werden kann, weil auch in Deutschland Selbstradikalisierungen denkbar sind, drei Jahre nach Snowden.

Was wird.

Na, dann Prost.

Obama war als Vorgruppe der Rolling Stones auf Kuba, bald kommt er ohne sie zur Hannover-Messe nach Deutschland, schließlich haben wir die fast genauso rüstigen Scorpions. Obama kommt als Botschafter des guten TTIPs. Die Sicherheitsmaßnahmen sind angelaufen. Unbewachte Parkplätze zur Übergabe unbedachter Kolumnen stehen ab sofort unter verschärfter Beobachtung, deutsche Chlorhühnchen haben Flugverbot und im benachbarten Wolfsburg werden sogar die Pedale von Volkswagen demontiert, damit sie den Präsidenten nicht vergiften können. Alles Lüge? Aber nicht doch, es ist einfach konstruktiver Journalismus, der den Leser nicht apathisch zurück lässt, sondern Handlungsalternativen zeigt. Her mit der Flagge und den Jubelklängen! Flagge raus, wenn gleich nach der Verleihung der Big Brother Awards gleich nebenan in Bielefeld die 1. europäische Bürgerinitiative zur Demonstration in Hannover aufruft, das reinheitsgebotene Bier zu schützen. Das mächtige Bayern steht hinter uns. Wer solche Freunde hat ... (jk)