Netzagentur erlaubt Telekom umstrittenen Vectoring-Ausbau

Nach monatelangem Streit wird die Telekom ihre Kupfernetze in großem Stil mit der sogenannten Vectoring-Technik ausbauen dürfen. Die Wettbewerber des Bonner Konzerns erneuern ihre Kritik. Brüssel hat das letzte Wort.

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Breitbandversorgung

(Bild: dpa, Peter Kneffel)

Lesezeit: 3 Min.
Vectoring: der VDSL-Beschleuniger

Kaum ein Netzthema wird so kontrovers diskutiert wie das Vectoring: Mit der neuen Technik lassen sich bis zu 100 Mbit/s aus einem VDSL-Anschluss kitzeln - kein Wunder, dass die Telekom das anbieten möchte. Die Konkurrenz befürchtet aber eine Re-Monopolisierung des Markts, da Vectoring einen exklusiven Zugriff auf die letzte Meile erfordert. Kritiker befürchten zudem weitere Verzögerungen beim zukunftsträchtigen Glasfaserausbau.

Die Deutsche Telekom bekommt in Deutschland grünes Licht für den Ausbau schneller Internet-Anschlüsse mit Hilfe der umstrittenen Vectoring-Technologie. Die Bundesnetzagentur legt ihre Entscheidung nun der EU-Kommission zur Freigabe vor. Der Plan der Telekom, für rund sechs Millionen Haushalte schnelleres Internet auf Basis der herkömmlichen Kupferleitungen anzubieten, hatte in den vergangenen Monaten heftige Diskussionen ausgelöst.

Konkurrenten sprachen von einer "Remonopolisierung" und kritisierten unter anderem, dass damit dem Glasfaser-Ausbau in den Gegenden die wirtschaftliche Grundlage entzogen werde. Aus technischen Gründen müssen beim Vectoring über 100.000 Anschlüsse von Wettbewerbern abgeklemmt werden.

Netzagentur-Chef Jochen Homann erklärte am Donnerstag, der überarbeitete Entwurf greife konstruktive Vorschläge auf. Unter anderem soll die Telekom auf ihren Vorschlag hin mit Sanktionen belegt werden, wenn sie Ausbauversprechen nicht einhalte. Im Vergleich zum ersten Entscheidungsvorschlag könnten Wettbewerber der Telekom auch mehr Nahbereiche selbst mit VDSL2-Vectoring erschließen. Zudem sollen sie einen Vectoringausbau der Nahbereiche auch vornehmen können, wenn die Telekom dieses Gebiet vollständig mit Glasfaseranschlüssen bis ins Haus versorgt.

Zugleich sprach sich Homann grundsätzlich für den Plan aus: "Wir kommen auch nach nochmaliger intensiver Analyse zu dem Schluss, dass ein Vectoring-Ausbau der Nahbereiche hilft, den Breitbandausbau zu fördern. Es werden weder der Wettbewerb außer Kraft gesetzt noch werden andere Technologien ausgebremst."

Plan der Telekom ist es, in den Nahbereichen ihrer rund 8000 Hauptverteiler (Hvt) den VDSL-Beschleuniger Vectoring einzusetzen – verbunden mit dem Versprechen an die Politik, den von der Bundesregierung gewünschten Breitbandausbau mit hohen Investitionen voranzubringen. Bei Vectoring kann technisch bedingt immer nur ein Anbieter einen Kabelstrang mit mehreren Anschlüssen versorgen. Telekom-Wettbewerber müssten ihre Technik dann abbauen und ein noch näher zu definierendes Vorleistungsprodukt der Telekom einkaufen.

[UPDATE, 7.04.2016, 16:00]

Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), in dem sich Konkurrenten der Telekom sammeln, hat die Entscheidung wenig begeistert aufgenommen. Verbands-Chef Jürgen Grützner erneuerte die Kritik, dass die Netzagentur die Auswirkungen auf den Glasfaserausbau ignoriere und einer Remonopolisierung Vorschub leiste. Zu entscheidenden Punkten fehlten zudem noch konkrete Angaben, etwa wie sich die Investitionsmöglichkeiten der Telekom-Wettbewerber verbessert haben sollen.

Die Deutsche Telekom hingegen begrüßte, dass sich die Bundesnetzagentur um eine "Versachlichung der Debatte" bemüht habe. Die von der Behörde in Aussicht gestellten Verbesserungen für die Konkurrenz bewertete der Konzern aber kritisch – ein vollständiger Ausbau der Nahbereiche könne nur gelingen, wenn ein Ausgleich zwischen wirtschaftlichen und unwirtschaftlichen Gebieten erfolge. Zur abschließenden Bewertung müsse man aber erstmal den Entwurf der Agentur auswerten.

Auch der Bundesverband Glasfaseranschluss verwies darauf, dass erst der Text der Entscheidung abgewartet werden müsse. Unter anderem sei wichtig, mit welchen Mitteln die Netzagentur dafür sorgen wolle, dass Wettbewerber mehr Nahbereiche erschließen könnten. Der Chef des Oldenburger Telekommunikations- und Energieanbieters EWE, Matthias Brückmann, schloss einen Gang zum Gericht nicht aus. "Wir müssen die umfassende Begründung abwarten, aber wir sind auf Basis der Informationen, die bislang vorliegen, enttäuscht von der Entscheidung", betonte er. (Mit Material der dpa) / (axk)