Mehr Autonomie wagen
Drohnen inspizieren Industrieanlagen, vermessen schwieriges Gelände und liefern spektakuläre Luftbilder. Noch hängen sie dabei an der langen Leine des Piloten. Aber das wird sich ändern.
Vom Spielzeug zum Lebensretter: Die Moskito-Drohne Romeo soll helfen, das Zikavirus zu bekämpfen. Ein babyblauer Behälter, nicht größer als ein kleiner ovaler Kochtopf, hängt unter dem grellorangen Spinnenkorpus mit den acht glänzenden schwarzen Rotoren. Aus dem Gefäß bläst die Drohne im Flug sterilisierte und gekühlte Mückenmännchen in die Luft. Die Tiere erwachen aus der Winterstarre, schwärmen aus und begatten weibliche Mücken – die sich dann nicht weiter vermehren können. Die Ausbreitung des Virus wird gestoppt.
Das Konzept hat die Jury des internationalen Wettbewerbs „Drones for Good“ im Februar 2016 so überzeugt, dass es der ostwestfälische Drohnenhersteller Height Tech damit bis ins Halbfinale geschafft hat. „Nicht schlecht bei über 800 Einsendungen“, sagt Firmensprecher Marius Schröder. Bis zu 25000 sterile Mückenmännchen könnte die Drohne auf einem Flug aussetzen und so in knapp 45 Minuten tausend Quadratmeter Fläche bearbeiten – egal ob Felder, Dschungel oder eine unwegsame Favela. Danach wird einfach der Behälter ausgetauscht, und der Einsatz geht weiter. Zumindest in der Theorie.
Für die Praxis fehlen Romeo noch ein paar Details. Eine aktive Kühlung für den Behälter muss noch entwickelt werden, genau wie austauschbare Kassetten und eine einfache, transportable Vorrichtung, um die sterilen Mücken vor Ort herzustellen. Rund eine Million Euro würde das kosten, schätzt Schröder, das Geld will man jetzt durch Fundraising auftreiben.
Die Moskito-Drohne befindet sich damit in guter Gesellschaft: Viele hochfliegende Ideen aus der Drohnenbranche erweisen sich bisher in der Praxis als doch nicht so leicht durchfĂĽhrbar. Paketdrohnen beispielsweise, wie sie bereits 2013 von Amazon angekĂĽndigt wurden, ging bislang viel zu frĂĽh die Puste aus: Mehr als 45 Minuten Flugzeit bei 500 Gramm Nutzlast sind bei den meisten Multikoptern nicht drin.
Das soll sich nun ändern. Denn Unternehmen und Forscher experimentieren mit alternativen Energieversorgungen für Drohnen. Das US-Unternehmen Intelligent Energy zeigte im Frühjahr 2016 erstmals einen modifizierten Quadrokopter des chinesischen Herstellers DIJ, der von Brennstoffzellen angetrieben wird und bis zu zwei Stunden in der Luft bleiben kann. Andere Firmen wie das Schweizer Start-up Wingtra entwickeln Geräte, die mit ihren starren Flügeln an Modellflugzeuge erinnern. Deren Flugphysik ist sehr viel günstiger, weil die Tragflächen für mehr Auftrieb sorgen. Der Prototyp der Wingtra-Drohne schafft mit einer Akkuladung bis zu 60 Kilometer Distanz bei einer Geschwindigkeit von bis zu 100 Kilometern pro Stunde und maximal 1,5 Kilogramm Nutzlast.
Die Fokus-Artikel im Einzelnen:
Seite 84 - Entwicklung: Drohnen werden immer eigenständiger bei ihren Manövern
Seite 87 - Interview: Juraexperte Elmar Giemulla ĂĽber die geplante Neuregelung der Drohnennutzung
Seite 88 - Überwachung: Unternehmen und Universitäten tüfteln an Techniken zur Drohnenabwehr
Seite 90 - Fotografie: Fliegende Kamerasysteme eröffnen Filmern ganz neue Perspektiven
Seite 94 - Transplantation: Auf dem Luftweg lassen sich Spenderorgane am schnellsten transportieren
Seite 96 - Wettkampf: Drohnenrennen gelten als neuer Trendsport
Seite 98 - Lebensrettung: Unbemannte Flieger eignen sich als Katastrophenhelfer
(wst)