NSA-Ausschuss: Verfassungsschutz nutzt Massendaten – aber nicht zur Massenüberwachung

Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutzes betonten im Bundestag, dass die Behörde das von der NSA überlassene Werkzeug XKeyscore nicht verdachtsunabhängig einsetze. Knapp ein Terabyte an Daten sei aber schon bei ersten Tests eingeflossen.

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NSA-Ausschuss

(Bild: dpa / Daniel Naupold)

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Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) führe generell "keine anlasslose verdachtsunabhängige Massenüberwachung" durch, auch die dem Inlandsgeheimdienst von der NSA angediente Analysesoftware XKeyscore werde nicht zu diesem Zweck eingesetzt, versicherte Ulrich Berzen, Leiter der für die "zentrale Fachunterstützung" zuständigen Abteilung 3 der Behörde, am Donnerstag im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Die Staatsschützer belauschten allein "Individualkommunikation" nach G10-Anordnungen, mit denen das Fernmeldegeheimnis eingeschränkt wird.

Ähnlich hatte sich zuvor André Treuenfels geäußert, der Gruppenleiter unter Berzen ist. Das BfV überwache "rein passiv", lasse sich von Providern Daten über seine Standardanlage Perseus zur Telekommunikationsüberwachung ausleiten und erfasse diese nicht selbst vor Ort etwa an Internetkabeln. Das System sei "angekoppelt" an die verpflichteten Unternehmen. Auch "Begleitumstände" des Telekommunikationsverkehrs gehörten mit zu den ausgeleiteten Informationen. Diese Metadaten bezögen sich ausschließlich auf die überwachten Anschlüsse und Kontaktpersonen.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Für den seit 2013 laufenden XKeyscore-Probebetrieb ließ eine gesonderte Projektgruppe des BfV laut Treuenfels zunächst Daten aus "einer Handvoll" G10-Anordnungen in das System einfließen. Diese seien aus Perseus exportiert und nach Berlin transportiert worden, wo die Software abgeschottet vom Internet im "Stand-alone-Betrieb" in einer Niederlassung der Behörde laufe.

Die einbezogene Informationsmenge sei letztlich aber doch nicht so klein gewesen, wie angesichts der anfänglichen Aussagen zu vermuten gewesen sei, räumte der Zeuge auf Nachfragen von Abgeordneten ein. Es habe sich um knapp ein Terabyte gehandelt. Der Obmann der Grünen, Konstantin von Notz, ließ Treuenfels zudem eine geheime Akte vorlegen über ein "Arbeitsfrühstück" unter anderem mit dem damaligen NSA-Chef Keith Alexander und BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen, in dem auf "Massendaten" abgestellt wird.

Der Begriff ist für Treuenfels aber nur so zu verstehen, dass "im Rahmen der Individualüberwachung die Volumen der erfassten Daten" bei der Behörde angestiegen seien. Daraus sei nicht zu schließen, dass der Inlandsgeheimdienst doch massenhaft mithilfe des "NSA-Geschenks" überwache.

Dass es sich bei XKeyscore um eine Art trojanisches Pferd handeln könnte, mit dem der US-Partner die Staatsschützer ausspähen will, hielt Treuenfels nicht für plausibel. Mit großem Druck habe die NSA, die das komplexe Programm dem BfV über ihren direkten deutschen Kooperationspartner, den Bundesnachrichtendienst (BND), andiente, auch nicht auf dessen Einsatz gedrängt. Den Verweis der US-Seite auf derzeit "positive Rahmenbedingungen", die bald "möglicherweise verwirkt" seien, habe er zumindest nicht so interpretiert.

Ein Rätsel blieb den Volksvertretern, wieso XKeyscore bei dem Inlandsgeheimdienst trotz der andauernden Terrorgefahr zwar nach sechs Monaten für fachlich geeignet eingeschätzt wurde, aber seitdem weiter inzwischen gut zwei Jahre im Probelauf gehalten wird. Das für einen größeren "Wirkbetrieb" mit mehr Arbeitsplätzen und Daten erforderliche IT-Sicherheitskonzept sei eben noch nicht so weit, beteuerten beide Zeugen. "Solche IT-Großvorhaben lassen sich leider nicht immer in der vorgesehenen Zeit realisieren", gab Berzen zu Protokoll. (anw)