Koalition einigt sich auf neues Anti-Terror-Paket

CDU/CSU und SPD wollen nach den Brüsseler Anschlägen Terrorismus besser bekämpfen. Die Zusammenarbeit mit Geheimdiensten von Partnerstaaten bis hin zu Israel soll ausgebaut, die Identifikationspflicht von Handy-Prepaid-Nutzern verschärft werden.

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Bundeskanzleramt

Bundeskanzleramt in Berlin

(Bild: dpa, Robert Schlesinger/Archiv)

Lesezeit: 3 Min.
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Die Spitzen der Regierungskoalition haben sich in der Nacht zum Donnerstag auf einen weiteren "Maßnahmenkatalog zur Terrorismusbekämpfung" verständigt. Während der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags noch in jeder Sitzungswoche die Snowden-Enthüllungen aufzuarbeiten versucht und ein Entwurf zur Reform des Gesetzes für den Bundesnachrichtendienst (BND) auf Eis liegt, wollen CDU/CSU und SPD die Befugnisse der Überwacher weiter ausbauen.

So sollen Sicherheitsbehörden künftig in Bestandsdaten der Telekommunikationsunternehmen automatisiert auch "mit unvollständigen Namensbestandteilen" sowie "mit abweichenden Schreibweisen" suchen dürfen. Mit einer Höchstgrenze der gemeldeten Treffer will Schwarz-Rot verhindern, dass dabei der Datenschutz völlig unter die Räder kommt. Die betroffenen Provider beklagen seit Jahren, dass Polizeien und Geheimdienste sehr umfangreich von ihren bestehenden Suchmöglichkeiten Gebrauch machen.

Die seit dem NSA-Skandal heftig kritisierte Kooperation mit "wichtigen Partnerdiensten" muss nach Ansicht der Koalition nach ausgebaut werden. Dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem BND soll es ermöglicht werden, mit Pendants etwa in der EU, in Nato-Mitgliedsstaaten wie der USA oder aus Israel "gemeinsame Dateien mit sachlich begrenztem Anwendungsbereich, klar definiertem Zweck, eindeutigen Teilnahme- und Zugriffsberechtigungen sowie rechtsstaatlichen Voraussetzungen für Dateneingabe und -zugriff" zu führen. Die deutschen Spionagebehörden sollen mehr Information und Analysekompetenz bekommen.

Hierzulande sollen die Verbunddateien von Geheimdiensten und Polizeien wie die Anti-Terror- oder die Neonazi-Datei "erweitert als Analyseinstrument nutzbar" werden. Weiter heißt es, dass die Frist für projektbezogene Datenbanken maximal um fünf Jahre verlängert werde. Die Vorschläge der EU-Kommission für einen stärkeren Datenaustausch zwischen übergreifenden Informationssystemen, die Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) maßgeblich mit vorangetrieben hat, wollen die Regierungsfraktionen wohlwollend prüfen.

Provider und Händler sollen angehalten werden, "auch bei Prepaid-Nutzern von Mobilfunkgeräten stets ein gültiges Identitätsdokument mit vollständigen Adressangaben zu verlangen". Eine Identifikationspflicht beim Kauf der SIM-Karten besteht zwar bereits, bislang reicht dafür aber etwa ein Reisepass aus, in dem die Anschrift des Inhabers nicht vermerkt ist.

Schwarz-Rot drängt zudem auf eine "freiwillige Selbstverpflichtung" der Internetwirtschaft. Anbieter sollen "selbständig und aktiv gegen terroristische Propaganda auf ihren Netzwerken" vorgehen. Prüfen will die Koalition zudem, ob die Haftungsprivilegien für Host-Provider europarechtlich verschärft und die Betroffenen für Inhalte stärker verantwortlich gemacht werden können. Dieser Wunsch kommt sonst vor allem aus dem Lager der Rechteinhaber. Hier geht es aber offenbar darum, dass Plattformen wie YouTube besser verhindern, dass Propaganda- und Gräuelvideos terroristischer Organisationen rasch wieder hochgeladen werden.

Der Verband der Internetwirtschaft eco lehnt verschärfte Haftungsregeln ab. Diese seien überflüssig und schadeten dem europäischen digitalen Binnenmarkt, warnte eco-Vorstandsmitglied Oliver Süme. Das in der E-Commerce-Richtlinie festgeschriebene Verantwortlichkeitsregime sei ausgewogen und ein Garant für den Erfolg der Internetwirtschaft in Europa. Als "rechtswidrig und sicheres Todesurteil für europäische Provider" kritisierte Süme die Idee, dass die Anbieter eine Filterinfrastruktur aufbauen sollten, "die sämtliche gehosteten Inhalte standardmäßig auf verdächtige Tendenzen scannt". Online-Beschwerdestellen gingen Nutzerhinweisen bereits erfolgreich nach und sorgten dafür, dass rechtswidrige Inhalte gelöscht würden.

Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 hat der Gesetzgeber immer wieder "Otto"-Kataloge und Schäuble-Pakete im Kampf gegen den Terror verabschiedet. Zunächst befristete Überwachungskompetenzen haben die Volksvertreter bereits mehrfach verlängert und stückweise erweitert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wertete den neuen Katalog als "großen Fortschritt". (anw)