Bremen baut am virtuellen Rathaus

In Bremen ist ab sofort die Abwicklung einiger Verwaltungsakte per Internet über einen eigens entwickelten Protokollstandard möglich.

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Von
  • Christian Rabanus

Das "virtuelle Rathaus" ist Thema des ersten Media@Komm-Kongresses, der bis zum heutigen Dienstag in Bremen stattfindet. Rund 500 Teilnehmer aus Bund, Ländern und Kommunen diskutierten über Probleme und Möglichkeiten, Multimedia und Internet in die öffentliche Verwaltung zu integrieren. Bremen ist neben Esslingen und Nürnberg ein Gewinner des im Februar 1998 vom damaligen Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie ausgeschriebenen Wettbewerbs Media@Komm, in dem es darum ging, neue Konzepte für den Einsatz von moderner Informationstechnik in der öffentlichen Verwaltung zu erarbeiten. Die Sieger dieses Wettbewerbs, die sich über 50 Millionen Mark Fördergelder vom Ministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWI) und je zehn Millionen Mark Landesgelder zur Umsetzung ihrer Konzepte freuen konnten, wurden Mitte März dieses Jahres ausgezeichnet.

Bremens Finanzsenator und Bürgermeister Hartmut Perschau kündigte gestern auf dem Kongress an, dass Bremen ab sofort einen Online-Service für einige rechtsverbindliche Verwaltungsakte starte. Bis Mitte 2002 sollen nach seinen Angaben 70 "Geschäftsvorfälle" vom Bürger via Internet abgewickelt werden können. Größtes Problem bei solchen Transaktionen ist die Gewährleistungen von Authentizität und Sicherheit der Datenübertragung. In Bremen setzt man dabei auf das HBCI-Verfahren, das speziell für das Home-Banking entwickelt wurde, in Verbindung mit einer kombinierten Signatur-Geldkarte der Sparkasse.

Die technische und organisatorische Umsetzung obliegt der eigens zu diesem Zweck gegründeten Dienstleistungsgesellschaft Bremen Online Services (bos). Sie hat in Absprache mit deutschen Kommunen mit dem Online Services Computer Interface (OSCI) einen Protokollstandard für die deutsche Kommunalwirtschaft entwickelt. Per OSCI können über das Internet private und öffentliche Dienstleister mit ihren Kunden rechtlich anerkannte, elektronisch signierte und chiffrierte Dokumente sicher austauschen. Zu den ersten Angeboten in Bremen gehören die Anforderung von Geburtsurkunden vom Standesamt und das Abgeben eines Nachsendeantrags für die Post.

Wirtschafts-Staatssekretär Alfred Tacke betonte auf dem Kongress, dass Media@Komm das bislang größte Pilotvorhaben des Bundes zur Entwicklung und Nutzung des elektronischen Geschäfts- und Rechtsverkehrs sei. Er bezeichnete es als ein strategisches Leitprojekt, das Deutschland auf dem Weg zu elektronischen Verwaltungs- und Wirtschaftsstrukturen "deutlich voran bringt".

Angesichts der Tatsache, dass der Einzug von moderner Informationstechnik in die öffentliche Verwaltung immer noch recht zögerlich geschieht, ist in diesem Bereich auch ein deutlicher Handlungsbedarf zu erkennen. Und Bremen ist im Bereich des E-Government auch keineswegs absoluter Spitzenreiter in Deutschland: Die fränkische Gemeinde Memmelsdorf bietet ihren Einwohnern beispielsweise schon seit Anfang Mai ein komplettes virtuelles Rathaus an. (chr)