Cybercrime-Bekämpfung verteuert das Surfen

Die Überwachung des Netzverkehrs wird für Provider nicht billig. Die Kosten dürften wohl an die Endverbraucher weitergegeben werden und sich als Flatrate-Killer erweisen.

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Schaut sich Michael Rotert, Vorsitzender des Verbands der deutschen Internet-Wirtschaft Eco und Mitglied zahlreicher internationaler Providerverbände, die zur Diskussion stehenden Vorgaben aus Berlin, Brüssel oder Straßburg zur Bekämpfung der Netzkriminalität an, beschäftigt ihn vor allem eine Frage: "Was kostet der Spaß?" Denn würden die Pläne zur Cybercrime-Bekämpfung von Gremien wie dem Europarat nicht noch in letzter Minute entschärft, kommen seiner Meinung nach "nicht unerhebliche" Kosten auf die Branche zu. Nach den Vorhaben sollen Internet Service Provider (ISPs) zum Sammeln und Aufzeichnen der durch ihre Leitungen fließenden Daten in Echtzeit zum Zwecke der Strafverfolgung verpflichtet werden.

Selbst wenn im jüngsten und 25. Entwurf einer internationalen Konvention gegen Cybercrime, die der Europarat klammheimlich zwei Tage vor dem Heiligen Abend vorlegte, der Einbau zusätzlicher Überwachungsschnittstellen nicht mehr gefordert wird, müssten Provider zur Erfüllung der nach wie vor verbliebenen Auflagen doch ihre Datenspeicher deutlich ausweiten. Vor allem wird zusätzliches Personal notwendig, das in permanenter Verbindung zur Polizei bleibt. Außerdem ist zu befürchten, dass nationale Regelungen wie die Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV), die sich noch in der Überarbeitungsphase befindet, Internet-Provider doch zur Installation neuer Spitzeltechniken zwingen. Unklar sind auch noch die konkreten Maßnahmen, die sich die Europäische Kommission und die G8-Staaten zur Bekämpfung der Computerkriminalität ausdenken wird. Allgemein wird aber erwartet, dass die Provider deutlich mehr Daten als bisher an die Strafverfolgungsbehörden werden weitergeben müssen.

Rotert ist sich daher sicher, dass die zu erwartenden Bestimmungen einen "deutlichen Einfluss auf die Preisgestaltung" der Netzzugangsanbieter haben werden. Im Klartext: Surfen wird teurer. "Es zeichnet sich ab, dass die ganze Geschichte auf dem Rücken der Privatverbraucher ausgetragen wird", sagt Rotert. Besonders hart dürfte die Entwicklung die Anbieter von Flatrates treffen, die größtenteils bereits jenseits der ökonomischen Vernunft arbeiten und zusätzliche Kosten in ihren Kalkulationen nirgends mehr unterbringen.

Die Preiserhöhungen dürften kaum noch zu vermeiden sein. Den "großen Widerstand" aus der Providerszene selbst, der Initiativen wie der des Europarats jahrelang Hindernisse in den Weg warf, "gibt es nicht mehr", schätzt Rotert, der sowohl bei der Europäischen Providervereinigung EuroISPA wie der weltweiten Dachorganisation WorldISPA vertreten ist, die Lage ein. Es gäbe zwar noch eine Reihe von Providern, die die Auflagen zur Überwachung als "ganz schlimm und technisch nicht machbar" bezeichneten. Im Prinzip gehe es aber nur noch um Detailregelungen – etwa um die Frage, ob sich die Cracker- und Pornojäger mit den Traffic-Daten zufrieden geben oder auch an den Inhalt der Datenpakete wollen.

Die Debatte um die Bekämpfung von Computer- und Netzkriminalität wird daher in Zukunft laut Rotert vor allem auf der "kaufmännischen Ebene" weitergeführt. So manchem Provider dürften die Auflagen von oben sogar willkommen sein, da er die seit Jahren bröckelnden Preise für den Netzzugang endlich mal wieder nach oben anheben könnte. Verfechtern des E-Business und der virtuellen Verwaltung machen höhere Surfkosten dagegen einen Strich durch die Rechnung, da ihre Visionen davon leben, dass möglichst viele Kunden ihre Geschäfte online erledigen. Doch wenn der Blick auf die Taktuhr wieder stärker in den Vordergrund rückt und Flatrates scheitern, wird die Lust der Verbraucher abnehmen, sich im Netz zu tummeln.

Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) kann deswegen wenig Freude an den geplanten Regelungen zur Bekämpfung von Cybercrime finden. Grundsätzlich sei es zwar zu begrüßen, wenn internationale Mindeststandards für die Strafverfolgung durchgesetzt würden, meint Niels Lau, Justiziar bei dem Verband. In der Regel reiche dazu aber die effizientere Anwendung geltenden Strafrechts aus. Vor allem die Tatsache, dass Provider teure Datenbanken anlegen sollen für eine rein präventive Strafverfolgung, geht Lau nicht in den Kopf. Ganz zu schweigen davon, dass gerade die Vorhaben des sonst so auf die Einhaltung der Menschenrechte bedachten Europarats "im Widerspruch zu Datenschutzvorschriften innerhalb der Union" stehen. (Stefan Krempl) / (jk)