Hintergrund: Der telekommunikative Aufbruch Asiens

Die Kongressmesse Telecom Asia 2000 steht ganz im Zeichen der enormen Wachstumspotenziale der asiatischen Telekom-Märkte - aber auch der digitalen Spaltung.

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Von
  • Christian Rabanus

Yoshio Utsumi, Generalsekretär der ITU, betonte in seiner Eröffnungsansprache auf der Telecom Asia 2000 die enorme Bedeutung der Telekommunikation für die moderne Gesellschaft. 1984 habe man sich vorgenommen, im nächsten Jahrhundert für die gesamte Menschheit Telekommunikationseinrichtungen in bequemer überbrückbarer Distanz bereit zu stellen. Dieses Ziel sei mithilfe der modernen Techniken nahezu erreicht. Das nächste Ziel sei es, innerhalb der laufenden Dekade in die Nähe aller Menschen moderne Kommunikationsmittel einschließlich des Internet zu bringen. Utsumi zeigte sich zuversichtlich, dass dieses Ziel auf der Grundlage der bestehenden und momentan entstehenden Infrastruktur ebenfalls erreicht werden kann.

Die Kongressmesse Telecom Asia 2000 der International Telecommunication Union (ITU) wurde am gestrigen Sonntag in Hongkong eröffnet. Auf der Messe sind rund 500 Aussteller aus 30 Staaten vertreten, die ihre Produkte und Projekte dem Publikum präsentieren. Begleitend finden Vorträge und Workshops von illustren Refenten über die Zukunft der Telekommunikation im asiatischen und pazifischen Raum statt: Neben den Chefs von NTT DoCoMo, KDD, Japan Telecom, Intel und Fujitsu haben sich der Informations- und Kommunikationsminister aus Korea und der Minister für Informationsindustrie aus China angesagt. Aus Europa werden die Präsidenten der deutschen und französischen Regulierungsbehörde für Telekommunikation, Klaus-Dieter Scheurle und Jean-Michel Hubert, erwartet.

Das große Interesse auch europäischer und amerikanischer Unternehmen an dem asiatisch-pazifischen Telekommunikationsmarkt – nach dem Gemeinschaftsstand Hongkong/China sind Deutschland und die USA mit den größte Länderpavillions auf der Messe vertreten – erklärt sich aus dem enormen Wachstumspotenzial, das den Länder des fernen Ostens prophezeit wird. Die Versorgung der rund 3,8 Milliarden Bewohner dieser Region mit Festnetzanschlüssen lag Ende 1999 mit rund 300 Millionen Anschlüssen bei einer Quote von etwa acht Prozent, also deutlich unter dem globalen Schnitt von rund 15 Prozent. Die Zahl der Mobilfunkkunden erreicht Ende des letzten Jahres 160 Millionen, allein in China waren es gut 43 Millionen. Schon im August 2000 gab es dann in China knapp 60 Millionen Mobilfunker, damit war China die weltweit zweitgrößte Mobilfunknation hinter den USA. Aber während die Penetrationsrate in den USA bei über 30 Prozent liegt, hat sie in China noch nicht einmal vier Prozent erreicht. Die Telekommunikationsindustrie freut sich also weiter über enorme Wachstumsmöglichkeiten.

Allerdings wird diese Freude dadurch getrübt, dass nach wie vor kein schlüssiges Modell für das Geschäft mit der modernen Telekommunikation existiert. Der enorme Kundenzustrom im Telekommunikationsbereich rührt nicht zuletzt daher, dass die Preise für Anschaffung und Unterhaltung eines Festnetzanschlusses oder eines Mobiltelefons für die Kunden stark gefallen sind. Gerade im asiatischen und pazifischen Raum wird der Boom getragen von Prepaid-Modellen, bei denen die Kosten für die Kunden gut kalkulierbar und im Rahmen zu halten sind – was vor allem für Telefonierer mit niedrigem Einkommen wichtig ist. Diese Modelle haben aber für die Industrie den Nachteil, dass der mit ihnen zu erwirtschaftende Umsatz nur schwer kalkulierbar ist.

Dazu kommen die enormen Kosten für die Installation der Infrastruktur moderner Kommunikationstechniken wie beim Mobilfunk der dritten Generation. Der Chef des größten japanischen Mobilfunkanbieters NTT DoCoMo, Keiichi Enoki, warnte kürzlich vor übertriebenen Umsatzerwartungen an dieses System. Vor allem zur Übertragung von Multimedia-Daten sei es nicht geeignet, weil das zur Verfügung stehende Frequenzspektrum nicht ausreiche. Gerade mit der Multimedia-Fähigkeit des neue Mobilfunkstandards werben aber die Unternehmen.

Der Kampf um Frequenzen wird vor allem in den dicht besiedelten Gegenden Asiens für wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg entscheidend sein. Die Frage ist, ob dieser Kampf mit fairen Mitteln ausgetragen werden kann, ob die jeweiligen Nationen also einen fairen Wettbewerb der Anbieter zulassen. Bei der Vergabe von Lizenzen für den Mobilfunk der dritten Generation fand dieser in Japan beispielsweise, einem der wichtigsten Märkte im asiatisch-pazifischen Raum, nicht statt. Den drei Platzhirschen NTT DoCoMo, Japan Telecom und DDI wurden die Lizenzen einfach zugeteilt, allerdings zunächst nur provisorisch. Die endgültige Lizenzvergabe soll abhängig gemacht werden von den Ergebnissen der Feldversuche der drei Unternehmen. Japan gehört auch neben China zu den Ländern, in denen es noch keine Regulierungsbehörde für Telekommunikation gibt – im Gegensatz beispielsweise zu Indien, nach China das bevölkerungsreichste Land der Region. Nicht zuletzt aufgrund internationalem Druck gibt es aber mittlerweile im japanischen Ministerium für Post und Telekommunikation Bestrebungen, eine solche Behörde einzurichten.

Aber nicht nur warten in der Region noch immense Aufgaben bei der Liberalisierung der Märkte, mehr als in Europa und den USA stellt die Entwicklung des Telekommunikationsmarkts die asiatischen und pazifischen Länder vor gesellschaftliche und soziale Probleme. In kaum einen anderem Erdteil sind die Gegensätze zwischen armen und reichen Bevölkerungsgruppen, sehr gut entwickelten und sehr rückständigen Regionen so groß, nirgends sitzen diese Gruppen auf so engem Raum direkt beieinander: Kaum ein Land der Erde kann auf so viele und so gut ausgebildete Informatiker verweise wie Indien, aber in kaum einen Land der Erde liegen direkt neben dem Hightech-Unternehmen die Slums. In Hongkong, das seit Beginn dieses Jahres wieder zu China gehört, sind rund drei Viertel der Haushalte mit Breitband-Internet-Zugängen ausgestattet und sechs Mobilfunkanbieter haben rund elf Millionen Kunden, was einer Penetrationsrate von 55 Prozent entspricht. In China haben rund zehn Prozent der Bevölkerung einen Festnetzanschluss und nicht einmal vier Prozent ein Handy. Die digitale Spaltung droht in keiner anderen Region der Welt so weit aufzubrechen wie im fernen Osten.

Darauf verwies auch Utsumi bei der Eröffnung der Telecom Asia 2000. Allerdings konnte er auch Belege zitieren, die vom einem Bewusstein dieses Problems zeugen. Die Asia Pacific Telecommunity (APT), ein auf einem zwischenstaatlichen Vertrag beruhender regionaler Telekommunikationsverbund, hatte Anfang November die so genannte Tokyo Declaration verabschiedet, in der sich die Informations- und Telekommunikationsminister der APT-Mitgliederstaaten auf Entwicklungsgrundsätze im Bereich der Informations- und Kommunikationstechniken verständigt hatten – diese Deklaration stellt ein Pendant zum europäischen Internet-Entwicklungsplans E-Europe 2002 dar. Ein wesentliches Anliegen der Tokyo Declaration ist die Vorlage eines Aktionsplans zur Überbrückung der digitalen Spaltung. Ob das im asiatisch-pazifischen Raum besser gelingt als in anderen Weltgegenden, wird die Zukunft erweisen. (chr)