Test: Hat die neue Raspberry-Pi-Kamera einen Knick in der Optik?

Kaum ist die zweite Version des Kameramoduls für den Einplatinenrechner Raspberry Pi auf dem Markt, beschweren sich Käufer über unscharfe Bilder. Wir haben die Kamera ins Labor auf den Prüfstand geholt.

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Pi Camera V2

(Bild: Dirk Knop)

Lesezeit: 4 Min.
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Die Ankündigung klang toll: Die zweite Version des Kameramoduls für den Raspberry Pi bringt einen besseren Sensor von Sony mit, steigert die Megapixelzahl von 5 auf 8 und dennoch bleibt der Preis gleich. Doch in den einschlägigen Foren beschwerten sich bald erste Käufer, dass ihre neue Kamera keine scharfen Bilder liefere. Deshalb hat die Make-Redaktion diese jetzt intensiv ausprobiert, um herauszufinden, was an der Kritik dran ist, und ihren ausführlichen Testbericht über die neue Raspberry-Pi-Kamera online veröffentlicht.

Ausprobiert: Die neue Raspberry-Pi-Kamera (23 Bilder)

Zwei Generationen

Von der Platinengröße und von den Bohrungen her unterscheiden sich die beiden Raspi-Kameras nicht. Die neue (oben) scheint allerdings trotz des Sensors mit mehr Megapixeln keine größere Linse zu haben als ihre Vorgängerin (unten).

Wenig überraschend war dabei, dass aus einer kaum stecknadelkopfgroßen Linse und einem wenige Millimeter großen Sensor nicht dieselbe Bildqualität herauskommt wie aus einer Spiegelreflexkamera mit Vollformat-Sensor. Erstaunlich hingegen: Wir konnten zwar die Kritik der Nutzer an der zweiten Raspberry-Pi-Kamera zum Teil nachvollziehen; zum anderen gelangen uns aber mit unserem Testgerät Fotos, die im objektiven Vergleich mit der alten Raspi-Kamera deutlich besser ausfallen und auch mit einfachen Kompaktkameras und Smartphone-Fotos mithalten können. Das Geheimnis liegt offenbar darin, wo man genau hinschaut: Im Zentrum der Linse sieht die neue Kamera deutlich besser als an ihrer Peripherie. Und ohne Update der Software auf dem Raspberry Pi bleibt das Modul ohnehin unter seinen Möglichkeiten.

[Update, 10.05.2016, 15:30] In einer Stellungnahme erläutert Raspberry-Pi-Gründer Eben Upton, dass Gespräche mit dem Hersteller der Kameramodule stattfänden, um den Herstellungsprozess zu verbessern. Wörtlich erklärt Upton im Forum der Raspberry Pi Foundation: "Wir haben einige Zeit damit verbracht, uns die Fokus-Probleme aus diesem Thread anzusehen. Wir haben dabei unsere PVT-Einheiten [Product Validation Tests, Anm. d. Red.] untersucht, von beiden Partnern Module beschafft sowie von zwei weiteren Distributoren. Das Fazit lautet, dass wir quer durch die Stichprobe von mehreren zig Einheiten nichts gefunden haben, womit wir ein schlechtes Gefühl hätten, es auszuliefern."

Wie Upton weiter schreibt, seien die neuen Module – anders als die erste Version der Kamera – mit Absicht nicht für den unendlichen Bereich fokussiert, sodass entfernte Objekte nicht so scharf abgebildet werden, wie das eigentlich möglich wäre. Das sei jedoch "ein bewusster Kompromiss im Zuge von Gesprächen mit Sony" gewesen, dem Zulieferer der Sensoren.

Ein möglicher Kompromiss zwischen den Interessen von Kamera-Nutzern, die Objekte in der Nähe aufnehmen wollen und solchen, die eher Landschaften abzulichten gedenken, könnte laut Upton etwa darin bestehen, den harten Kleber, mit dem die Objektive befestigt sind, durch eine zähflüssige Masse zu ersetzen, um den Nutzern ein manuelles Fokussieren zu ermöglichen.

Eines sei bei der Reihenuntersuchung jedoch aufgefallen, schreibt Upton weiter: Zwar sei jedes überprüfte Modul für sich genommen akzeptabel, es gäbe aber eine signifikante Abweichung in den Fokus-Einstellungen zwischen den einzelnen Modulen. Sprich: Manche der neuen Kameras eignen sich gut für Nahaufnahmen, andere für Panoramen; welches man allerdings bekommt, ist Glückssache – unser Testmuster, das wir im Labor untersucht haben, hat keine Schwierigkeiten auf Entfernung, aber was der Linse auf weniger als einen halben Meter nahe rückt, wird unscharf dargestellt.

Blick in die Ferne im Vergleich: Links ein Ausschnitt aus der Aufnahme der alten Raspi-Cam, rechts das Bild des neuen Moduls. Beide Bilder erscheinen ähnlich scharf oder unscharf, die Auflösung der neuen Kamera ist höher.

Diese (jetzt bestätigten) Exemplarstreuungen sind natürlich fatal für alle, die die Kamera in ein eigenes Produkt einbauen wollen, das räumt Upton ein. Er sieht es zudem als "Hinweis, dass die Modulproduktion keiner von uns als solche betrachteten angemessenen, modernen Prozesskontrolle unterliegt." Dieses Problem gehe man mit dem Modulhersteller aber an.

Wer ein besonders extrem eingestelltes Modul besitze, solle Upton über eine private Nachricht im Forum kontaktieren – man wäre an solchen Exemplaren besonders interessiert, schreibt der Rasberry-Pi-Gründer. Konkrete Lösungsvorschläge, falls der Fokus nicht für die eigenen Bedürfnisse passt, gibt es derzeit leider nicht, aber schließlich hatte die Foundation ja auch bei keinem einzelnen Modul ein schlechtes Gefühl, sieht sich offenbar da auch nicht in der Pflicht. Bleibt abzuwarten, ob es in Kürze neue Kameramodule mit verbesserten oder nachjustierbaren Linsen gibt, die sie dann auch für weitere Einsatzzwecke tauglich machen.] (pek)