Bundesnetzagentur: "Strafgebühren für zögerlichen Netzausbau"

Der Präsident der Bundesnetzagentur hat zur Vorlage des Jahresberichts seiner Behörde erneut die Vectoring-Entscheidung verteidigt. Beim Ausbau der Stromnetze mahnte der Chefregulierer Tempo an.

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Jochen Homann

Behördenchef Jochen Homann stellt in Bonn den Jahresbericht der Bundesnetzagentur vor.

(Bild: Bundesnetzagentur)

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Von
  • Torsten Kleinz
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Die Bundesnetzagentur hat zur Vorlage ihres Jahresberichts am Freitag in Bonn die umstrittene Vectoring-Regulierung verteidigt. Den Kritikern der Entscheidung, die der Deutschen Telekom des Einsatz des VDSL-Beschleunigers Vectoring auch in den Nahbereichen der Hauptverteiler (Hvt) erlaubt, widersprach der Präsident der Regulierungsbehörde, Jochen Homann, entschieden. Viele Kritiker hätten die 320 Seiten starke Entscheidung der Beschlusskammer gar nicht gelesen, sagte Homann in Bonn.

Auch die kritische Stellungnahme des Bundeskartellamts habe die Entscheidung der Beschlusskammer nicht grundsätzlich in Frage gestellt, betonte Homann. So habe die von den Wettbewerbshütern bevorzugte Lösung eines Ausbau durch Wettbewerb und Fördermittel der Bundesnetzagentur gar nicht zur Entscheidung vorgelegen.

Dem von der EU-Kommission eingeleiteten Prüfverfahren sieht Homann optimistisch entgegen. Allerdings müsse sich die Telekom in einem Punkt dringend bewegen: So müssten Konkurrenten im Nahbereich der Hauptverteiler weiter Zugriff auf die Teilnehmeranschlussleitungen bekommen – allerdings nur auf Bitstromebene. Hier hatte bereits die Beschlusskammer der Bundesnetzagentur Nachbesserungen an der von der Telekom vorgesehenen Lösung gefordert, die von dem Bonner Konzern allerdings abgelehnt werden. Die EU-Kommission fordere jedoch sogar weitergehende Zugeständnisse in diesem Punkt, sagte Homann.

Homann wehrte sich gegen die öffentliche Darstellung, dass der Netzausbau in Deutschland stark hinterherhinke. So sei es sachlich nicht richtig, dass in solchen Statistiken hauptsächlich nur auf die Verbreitung von Glasfaser-Anschlüssen geschaut werde. "Wir haben eine andere Struktur als Südkorea oder auch Litauen", sagte der Behördenchef.

Laut Jahresbericht sind die Investitionen im Telekommunikationsmarkt von 7,4 Milliarden auf 8,1 Milliarden Euro gestiegen. Die Unternehmen investierten in erster Linie in den Glasfaserausbau, die Umstellung auf IP-basierte Netze und den Ausbau der LTE-Netze. Die Nachfrage nach den Glasfaser-Anschlüssen ist aber weiterhin niedrig: So könnten schon heute 2 Millionen Haushalte mit FTTB- oder FTTH-Anschlüssen versorgt werden, nach den Behördenstatistiken haben aber Ende 2015 nur 414.000 Haushalte davon Gebrauch gemacht. Die Zahl der DSL-Anschlüsse stieg 2015 gar noch einmal von 23,3 Millionen auf 23,5 Millionen.

Das durchschnittliche Datenvolumen pro Nutzer lag im Festnetz bei 31 Gigabyte pro Monat, 2014 waren es noch vier Gigabyte weniger. Insgesamt wurden 11,5 Milliarden Gigabyte über die Festnetzanschlüsse geschickt. Auch im Mobilfunk erhöhte sich das Datenvolumen stark. Die Zahl der verschickten SMS nahm aber wie in den Vorjahren deutlich ab: von 22,3 Milliarden auf 16,6 Milliarden.

Jahresbericht 2016 der Bundesnetzagentur (4 Bilder)

Die Bonner Behörde verzeichnete 2015 eine deutliche Steigerung der Kundenbeschwerden. Alleine im Telekommunikationsbereich waren es 178.000 Verbraucheranfragen – 21.000 mehr als im Vorjahr. Allerdings hätten sich die Lage im Laufe des Jahres verbessert. So habe die Bundesnetzagentur nach den Pannen bei der All-IP-Umstellung der Deutschen Telekom einen Lenkungskreis gebildet, der bereits Wirkung zeige. Auch funktioniere die Übergabe der Telefonanschlüsse bei Umzügen deutlich besser, so dass auch hier die Anzahl der Beschwerden in der zweiten Jahreshälfte abgenommen habe. Wegen unerlaubter Telefonwerbung und Rufnummernunterdrückung hat die Behörde im vorigen Jahr Bußgelder von insgesamt 467.350 Euro verhängt.

Mit deutlichen Worten hat Homann auf die Kosten des langsamen Ausbaus der Stromnetze gewarnt. "Wir bezahlen Strafgebühren für den Nichtausbau von Netzen", erklärte der Präsident der Bundesnetzagentur am Freitag in Bonn. So sind allein im Jahr 2015 nach den Zahlen der Behörde Kosten von mindestens einer Milliarde Euro wegen fehlender Netzkapazitäten angefallen, die über den Strompreis finanziert werden mussten.

Das windreiche Jahr 2015, das besonders im Norden für Stromüberschüsse sorgte, trieb die Kosten nach oben. So werden Erzeuger alternativer Energien entschädigt, wenn sie aufgrund von Netzengpässen keine Abnehmer finden. Andere Erzeuger müssen gleichzeitig ihre Leistung erhöhen. In den kommenden Jahren könnten diese Kosten durchaus 4 Milliarden Euro erreichen, räumte Homann ein. Gleichzeitig begrüßte er die Entscheidung der Bundesregierung, künftig den vergleichsweise teuren Erdkabeln Vorrang zu geben.

Durch die neue Lösung steigen die Kosten für den Netzausbau nach ersten Schätzungen im Netzentwicklungsplan von 25 Milliarden auf 35 Milliarden Euro an. Zudem müssen die betreffenden Strecken komplett neu geplant werden. Dennoch führe an der Technik kein Weg vorbei. Ohne diese Lösung könnten viele Trassen wegen des Widerstands der Bürger gar nicht gebaut werden. "Die Alternative zum Erdkabel ist nicht das Freikabel, die Alternative ist gar keine Stromleitung", sagte der Behördenchef. (vbr)